Liegnitz
,
[* 1] Hauptstadt des vormaligen reichsunmittelbaren schles.
Fürstentums Liegnitz
sowie des gleichnamigen Regierungsbezirks,
Stadt- und Landkreises in der preußischen
Provinz
Schlesien,
[* 2] unweit der Mündung des
Schwarzwassers in die
Katzbach, welche
die Stadt von S. nach N. durchfließt,
Knotenpunkt der
Linien
Sommerfeld-Breslau,
Sommerfeld-Kohlfurt-Liegnitz,
Kamenz-Raudten und
Liegnitz-Goldberg der Preußischen Staatsbahn, 120 m ü. M., besteht aus der
mit
Alleen umgebenen innern Stadt und mehreren Vorstädten.
Die nennenswertesten Gebäude der Stadt sind: das königliche
Schloß (1835 abgebrannt, aber wieder aufgebaut, jetzt Regierungsgebäude),
die
Ritterakademie, die neue
Kaserne, das
Rathaus, das
Theater,
[* 3] das Postgebäude, der
Bahnhof, das Gymnasialgebäude
etc. Außerdem hat Liegnitz
2 evangelische, eine katholische, eine altlutherische, eine
christkathol.
Kirche, ein
Bethaus der
Irvingianer und eine
Synagoge. Die Zahl der Einwohner beläuft sich (1885) mit der
Garnison
(ein Grenadierregiment Nr. 7) auf 43,347, darunter 34,290
Evangelische, 7650
Katholische und 946
Juden.
Die
Industrie ist bedeutend. Liegnitz
hat eine große
Tuch- und eine
Textil- und Wollwarenfabrik, mehrere
Eisengießereien und Maschinenfabriken,
vier Pianofortefabriken (jährliche
Produktion über 1700
Stück
Pianinos und
Flügel im Wert von nahezu 1 Mill.
Mk.), eine Hutfabrik
(380
Arbeiter, jährliche
Produktion 365,000 Filzhüte), bedeutende Handschuhfabriken, Dampftischlerei,
Dampfziegelei und Thonwarenfabrikation,
[* 4]
Klaviaturen-, Holzgalanteriewaren-, Kinderwagen-,
Lampen-,
Peitschen-,
Holzstifte- und
Zigarrenfabrikation, Kunstdrechslerei, Dampfschneidemühlen, Gemüsebau etc. Der
Handel wird unterstützt durch eine
Handelskammer,
eine Reichsbankstelle
(Umsatz 1885: 243 ⅓ Mill.
Mk.), eine
Filiale der
Breslauer Wechslerbank und mehrere Bankgeschäfte. An
Bildungsinstituten etc. besitzt eine
Ritterakademie (1708 gegründet, seit 1810 in ein
Gymnasium umgewandelt
mit Vorbehalt der adligen Freistellen), ein
Gymnasium, eine
höhere Bürgerschule, eine landwirtschaftliche
Schule, ein evang.
Schullehrer- und ein Lehrerinnenseminar, eine
Taubstummenanstalt, mehrere wohlthätige
Vereine, ein
Theater etc. Die städtischen
Behörden zählen 12 Magistratsmitglieder und 42
Stadtverordnete; sonst ist Liegnitz
Sitz einer
Regierung, eines Landratsamtes für
den Landkreis Liegnitz
, einer
Oberpostdirektion, eines
Landgerichts und eines
Hauptsteueramtes. In der nächsten
Umgebung befinden sich herrliche
Gartenanlagen und
Promenaden. - Zum Landgerichtsbezirk Liegnitz
gehören die acht
Amtsgerichte zu
Bunzlau,
[* 5]
Goldberg,
Haynau,
Jauer,
[* 6] Liegnitz
,
Lüben,
Naumburg
[* 7] a. Q. und
Parchwitz. - Liegnitz
wird zuerst 1004 erwähnt und ward 1163
Residenz
der
Herzöge von Niederschlesien, seit 1241 der piastischen
Linie Liegnitz
, welche 1675 mit
Herzog
Georg
Wilhelm
ausstarb, worauf Liegnitz
wie ganz
Schlesien vom
Kaiser in
Besitz genommen wurde (s.
Schlesien, Geschichte).
Erst seit 1742 ist es preußisch. Am fand in der
Nähe (bei Wahlstadt) die große
Schlacht gegen die
Mongolen statt, welche Liegnitz
belagerten und zerstörten. Die
Reformation wurde 1522 hier eingeführt. 1632 wurde Liegnitz
von den
Schweden
[* 8] erobert, von den Kaiserlichen aber bald wieder genommen und 1638 dem
Herzog wieder eingeräumt. Am wurden hier
die Kaiserlichen unter
Colloredo von den
Sachsen
[* 9] unter
Arnim besiegt. Im Siebenjährigen
Krieg fiel es 1757 den
Österreichern in die
Hände, ward aber bald von den
Preußen
[* 10] zurückerobert, und besiegte in der
Nähe (Pfaffendorf,
Siegeshöh)
Friedrich II. die
Österreicher unter
Laudon.
Dieser wollte die
Preußen bei
Nacht überfallen, wurde aber von
Friedrich, der insgeheim die
Höhen zwischen
Katzbach
und
Schwarzwasser besetzt hatte, zurückgeschlagen, ohne daß es
Daun und
Lacy, die von W. heranrückten, verhindern konnten.
Den
Titel einer »Fürstin von Liegnitz«
(s. d.)
erhielt 1824 die Gräfin
Harrach,
Friedrich
Wilhelms III. zweite Gemahlin.
Vgl.
Schuchardt, Die Stadt Liegnitz
(Berl. 1868);
Sammter
und Kraffert,
Chronik von Liegnitz
(Liegn. 1861-73, 4
Tle.);
»Urkundenbuch der Stadt Liegnitz, bis 1455« (hrsg. von Schirrmacher, das. 1866);
Jander, Mitteilungen über und seine Umgebung (das. 1883).
Der Regierungsbezirk (s. Karte »Schlesien«),
die ehemaligen schlesischen Fürstentümer Liegnitz, Glogau [* 11] und Jauer sowie den größten Teil der 1815 von Sachsen an Preußen abgetretenen Oberlausitz begreifend, umfaßt 13,602 (nach andern Angaben 13,606) qkm
[* 1] ^[Abb.: Wappen [* 12] von Liegnitz.] ¶
mehr
(247,04 QM.), hat (1885) 1,035,376 Einw. (darunter 856,089 Evangelische, 170,759 Katholiken und 5080 Juden) und besteht aus den 21 Kreisen:
Kreise | QKilometer | QMeilen | Einwohner | Einw. auf 1 QKilom. |
---|---|---|---|---|
Bolkenhain | 359 | 6.52 | 31805 | 89 |
Bunzlau | 1040 | 18.89 | 50573 | 57 |
Freistadt | 876 | 15.91 | 51703 | 59 |
Glogau | 936 | 17.00 | 75990 | 81 |
Goldberg-Haynau | 609 | 11.06 | 49854 | 82 |
Görlitz (Stadtkreis) | 18 | 0.33 | 55702 | - |
Görlitz (Landkreis) | 867 | 15.75 | 50998 | 59 |
Grünberg | 857 | 15.57 | 52764 | 62 |
Hirschberg | 598 | 10.86 | 69732 | 117 |
Hoyerswerda | 868 | 15.76 | 33061 | 38 |
Jauer | 328 | 5.96 | 35118 | 107 |
Landeshut | 397 | 7.21 | 48588 | 122 |
Lauban | 519 | 9.43 | 67113 | 129 |
Liegnitz (Stadtkreis) | 17 | 0.31 | 43347 | - |
Liegnitz (Landkreis) | 621 | 11.10 | 44945 | 72 |
Löwenberg | 751 | 13.64 | 63243 | 90 |
Lüben | 630 | 11.44 | 33630 | 53 |
Rothenburg | 1126 | 20.45 | 50919 | 45 |
Sagan | 1110 | 20.16 | 56536 | 51 |
Schönau | 348 | 6.32 | 24928 | 72 |
Sprottau | 727 | 13.02 | 35827 | 49 |
Vgl. Tomasczewski, Topographisch-statistisches Handbuch für den Regierungsbezirk Liegnitz (Liegn. 1880).