selbständiges Fürstentum, bis zur Auflösung des Deutschen Bundes der kleinste unter
den Bundesstaaten, besteht aus der Herrschaft Vaduz (jetzt Liechtenstein genannt) im S. und der Grafschaft Schellenberg im N., wird von der
Schweiz und Tirol (Vorarlberg) umschlossen und hat ein Areal von 157 qkm (2,85 QM.) mit (1880) 9124 kath.
Einwohnern, welche sich auf elf Gemeinden verteilen. Das Ländchen ist von den Alpen eingehegt, deren Spitzen
hier (Drei Schwestern) bis zu 2500 m ansteigen, wird vom Rhein (Grenzfluß gegen die Schweiz) und der Samina (Nebenfluß der
Ill) nebst einigen Bächen bewässert und hat im Rheinthal ein mildes, auf den Gebirgen ein ziemlich rauhes
Klima.
Die Erwerbsquellen der Bevölkerung sind Viehzucht, Getreide- und Weinbau. Die gewerbliche Thätigkeit beschränkt sich auf
Baumwollindustrie. Die Verfassung des Fürstentums ist konstitutionell-monarchisch und beruht auf der Verfassungsurkunde vom 26. Sept. 1862. Der
Fürst vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt, ist aber bei der Gesetzgebung und Besteuerung an die
entscheidende Mitwirkung des Landtags gebunden, der aus 15 Mitgliedern (3 vom Fürsten ernannt) besteht und sich jährlich
einmal versammelt.
Die Regierung ist erblich und zwar im Mannesstamm nach den Rechten der Erstgeburt. Der Fürst führt das Prädikat »Durchlaucht«;
er hat außerdem ausgedehnte Besitzungen in Österreich, Preußen und Sachsen, die jährlich an 1,4 Mill.
Gulden Einkünfte gewähren. Er residiert gewöhnlich in Wien. Die gegenwärtige Einrichtung der Verwaltung beruht auf der Organisationsverordnung
vom 30. Mai 1871. Als Landesbehörde fungiert die fürstliche Regierung in Vaduz; von dieser dependiert die Kassenverwaltung (für
die Steuererhebung und Verwaltung der öffentlichen Fonds), während die Buchhaltung, gleich der
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Domänenverwaltung, der fürstlichen Hofkanzlei in Wien untersteht. Oberste Justizbehörde ist das k. k. Oberlandesgericht in
Innsbruck. Für das Zivil- und Strafrecht gelten die österreichischen Gesetze. Die Staatsrechnung weist für das Jahr 1885 an
Einnahmen 130,092 Guld. und an Ausgaben 116,044 Guld. österr. Währ. nach; die Staatsschuld beträgt 78,750 Guld. Das Militär
ist seit 1868 aufgelöst, und die Bevölkerung ist gegenwärtig von der Wehrpflicht entbunden.
Durch Vertrag vom 23. Dez. 1862 (erneuert 1876) bildet einen Bestandteil des allgemeinen österreichisch-ungarischen Zoll- und
Steuergebiets und erhält infolgedessen jährlich etwa 200,000 Guld. von Österreich ausgezahlt. Münzen, Maße und Gewichte sind
die österreichischen; auch die Post wird von Österreich verwaltet. Das Landeswappen enthält fünf Felder
und einen Mittelschild, welcher das Zeichen von Liechtenstein (Gold über Rot quer geteilt) enthält; die Landesfarben sind Rot und Blau.
Hauptort des Fürstentums ist Vaduz. S. Karte »Tirol«.
Geschichte. Das fürstliche, vormals gräfliche Haus eins der ältesten Geschlechter Österreichs, kommt
zuerst im 12. Jahrh. und zwar in den Linien Liechtenstein-Murau und Liechtenstein-Nikolsburg vor. Die erstere, welcher der bekannte Minnesänger Ulrich von
Liechtenstein (1200-1275) angehörte, starb 1619 aus. Von der Linie Liechtenstein-Nikolsburg stifteten Hartmanns IV. Söhne Karl und Gundakar, von denen
der erste 1618, der zweite 1623 in den Fürstenstand erhoben wurde, 1585 zwei nach ihnen benannte Linien.
Karl erwarb vom Kaiser Matthias 1614 das Fürstentum Troppau und von Ferdinand II. 1623 Jägerndorf. Sein Enkel Johann Adam Andreas
erkaufte 1699 noch die reichsunmittelbare Herrschaft Vaduz und Schellenberg, das bis 1350 die Grafen von Schellenberg, bis 1397 die
Grafen von Werdenberg, bis 1507 die Freiherren von Brandis, bis 1613 die Grafen von Sulz, endlich die Grafen
von Hohenems besessen hatten, und erhielt für ein dem Kaiser gemachtes unverzinsliches Darlehen von 250,000 Guld. eine Stimme
auf der Fürstenbank des schwäbischen Kreises.
Mit ihm erlosch 1712 die ältere Karlsche Linie im Mannesstamm, und das beim schwäbischen Kreise stehende
Kapital nebst Vaduz und Schellenberg kam an den Fürsten Joseph Wenzel Lorenz von der Gundakarschen oder Hartmannschen Linie. Diesem
kaufte seines Vaters Bruder Anton Florian 1718 Vaduz und Schellenberg ab, und Kaiser Karl IV. erhob diese Herrschaften 1719 unter
dem Namen Liechtenstein zu einem unmittelbaren Reichsfürstentum, daher sein Sohn Joseph Johann Adam 1723 für sich
und seine männlichen Nachkommen auch auf dem Reichstag Sitz und Stimme erhielt.
Als sein Sohn Johann Nepomuk Karl 1748 kinderlos starb, erbte Fürst Joseph Wenzel das Majorat und die Güter des Hauses. Nach dessen
kinderlosem Ableben fielen 1772 seine Besitzungen an die Söhne seines Bruders Emanuel, Franz Joseph und Karl
Borromeus, welche die beiden jetzt blühenden Linien des Hauses Liechtenstein stifteten. Die ältere besitzt das Fürstentum Liechtenstein nebst dem
größten Teil der Güter in Österreich und Schlesien; die jüngere Kromauer Linie ist im Besitz des Karlschen Majorats als Sekundogenitur.
Auf Franz Joseph (gest. 1781) folgte Aloys Joseph bis 1805, dann Johann Joseph (s. unten Liechtenstein 3),
diesem 20. April 1836 sein Sohn Aloys (geb. 26. Mai 1796, gest. 12. Nov. 1858)
und diesem sein Sohn Johann II., geb. 5. Okt. 1840. Im Besitz der Sekundogenitur war Prinz Karl, geb. 23. Okt. 1790,
erblicher Reichsrat, Obersthofmeister des Kaisers von Österreich und General der Kavallerie, gest. 7. April 1865,
und ist jetzt Prinz
Karl Rudolf, geb. 19. April 1827, k. k. Kämmerer und Oberstleutnant.
Vgl. Kaiser, Geschichte von Liechtenstein-Vaduz (Chur 1847);
Falke, Geschichte
des fürstlichen Hauses Liechtenstein (Wien 1868-83, 3 Bde.);
v. Klenze, Die Alpwirtschaft im Fürstentum Liechtenstein (Stuttg.
1879);
Krätzl, Statistische Übersicht des gesamten Joh. Liechtensteinschen Güterbesitzes (4. Aufl., Brünn 1884).
1) Joseph Wenzel, Fürst von, österreich. Feldherr und Staatsmann, geb. 19. Aug. 1696, machte 1716-20 die
Feldzüge gegen die Türken mit und focht 1734 und 1735 unter dem Prinzen Eugen von Savoyen am Rhein. Er wurde 1735 als
Gesandter nach Berlin verwendet, wo er dem Kronprinzen, nachmaligen König Friedrich II., persönlich sehr nahe stand und manchen
Dienst erwies. Von 1737 bis 1741 war er österreichischer Gesandter in Versailles. Im österreichischen Erbfolgekrieg focht
er zuerst in Schlesien, dann in Böhmen, wo er 1742 die Schlacht bei Tschaslau mitmachte; im September 1745 übernahm
er als Feldmarschall den Oberbefehl in Italien und erfocht 16. Juni 1746 den Sieg bei Piacenza über die Franzosen. Wegen Krankheit
gab er aber den Oberbefehl bald wieder ab und widmete sich als General-Land-, Feld- und Haus-Artilleriezeugmeister nach seiner
Genesung ausschließlich dem Artilleriewesen, dessen Reformator er mit Hilfe tüchtiger Ausländer (Alvson, Rouvroy »der Feuerteufel«,
Schröder und Jaquet) in Österreich wurde. Er starb, als wohlthätiger, gutherziger »Murrkopf«
allgemein geachtet, 10. Febr. 1772.
2) Karl Joseph, Fürst von, österreich. General, Neffe des vorigen, geb. 20. Sept. 1730, trat früh in die österreichische
Kavallerie und rückte während des Siebenjährigen Kriegs zum General auf. Beim Ausbruch des bayrischen Erbfolgekriegs 1778 stand
er mit einem Korps von 18,800 Mann bei Leitmeritz, um die sächsische Grenze zu bedrohen und dem Feinde den Weg nach Bayern zu
verlegen, vereinigte sich 8. Aug. bei Kosmanos mit Laudon und übernahm den Oberbefehl der zwischen der Elbe
und der Isar aufgestellten Truppen. Im Türkenkrieg unternahm er als Oberbefehlshaber eines Armeekorps im April 1788 die vergebliche
Belagerung von Türkisch-Dubitza. Er starb 21. Febr. 1789 als Feldmarschall.
3) Johann Joseph, Fürst von, österreich. General, Neffe des vorigen, geb. 26. Juni 1760 zu Wien, trat 1782,
von Lacy geschult, in die Armee und nahm 1788-90 als Major am Türkenkrieg teil, mit persönlicher Tapferkeit vor Czettin. Während
des Kriegs in den Niederlanden focht er mit Glück, und im Feldzug von 1794 erwarb er sich bei einem Angriff auf das französische
Lager von Maubeuge den Grad eines Generalmajors. In der Schlacht an der Trebbia (17.-19. Juni 1799) entschied
er den Sieg und ward dafür zum Feldmarschallleutnant befördert.
Neuen Ruhm erwarb er sich bei Novi, Hohenlinden und Salzburg. Durch den Tod seines Bruders (im März 1805) kam er zur Regierung des
Fürstentums; doch übernahm er nach dem Unglückstag von Ulm den Befehl eines aus den Trümmern verschiedener
Heeresabteilungen formierten Armeekorps. Nach der Schlacht von Austerlitz, wo er mit seinen Truppen den Rückzug zu decken hatte,
unterzeichnete er einen Waffenstillstand und 26. Dez. den Frieden von Preßburg. 1806 ernannte ihn der Kaiser zum Kommandierenden
ob und unter der Enns sowie zum Kommandanten von Wien. Beim Ausbruch des Kriegs von 1809 erhielt er den Oberbefehl
über das Kavallerie- und Grenadierreservekorps. Durch die Einnahme von
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Regensburg (20. April 1809) bewirkte der Fürst die Verbindung Bellegardes und Kolowrats jenseit der Donau; auch bei Aspern und Wagram
focht er als Kavalleriegeneral, den Generalquartiermeister Radetzky zur Seite, mit Auszeichnung. Als Erzherzog Karl den Oberbefehl
des Heers niederlegte, erhielt diesen Liechtenstein mit der Ernennung zum Feldmarschall. Der bald darauf folgende
Wiener Friede ward von ihm unterzeichnet. Er widmete sich nun gemeinnützigen Anlagen und der Pflege der Künste und Wissenschaften;
starb 24. April 1836 in Wien.
4) Alfred, Prinz, geb. 11. Juni 1842, ältester Sohn des Prinzen Franz Liechtenstein, Generals der Kavallerie und erblichen Herrenhausmitglieds
(gest. 1. April 1887), diente zuerst als Leutnant im Regiment Windischgrätz-Dragoner Nr. 2, später als Rittmeister
im Husarenregiment Nr. 9, dessen Inhaber sein Vater war, und vermählte sich 1865 mit der Prinzessin Henriette, der Schwester
des regierenden Fürsten Johann II. zu Liechtenstein. Ein eifriger Ultramontaner, bildete er 1873 in Steiermark ein Zentralwahlkomitee der
österreichischen Rechtspartei, ward auch in den Landtag und 1879 in das Abgeordnetenhaus gewählt und
trat 1881 als Obmann an die Spitze der neuen, rein klerikalen Zentrumspartei, welche Stellung er aber 1886 niederlegte.
5) Aloys, Prinz, Bruder des vorigen, geb. 18. Nov. 1846, diente zuerst im Regiment seines Vaters als Leutnant, ging dann
aber zur diplomatischen Laufbahn über und ward Attaché, hierauf Legationssekretär bei der Botschaft in Berlin, schied aber 1873 aus
dem Staatsdienst aus und widmete sich der innern Politik, in welcher er einen streng ultramontanen Standpunkt einnahm, wie
seine Broschüre »Über Interessenvertretung im Staat« (2. Aufl., Wien 1877) bewies. Seit 1878 Mitglied des
Abgeordnetenhauses, schloß er sich zuerst der Rechten an und war Mitglied des Exekutivkomitees derselben; 1881 veranlaßte
er hauptsächlich die Bildung der rein klerikalen Fraktion, deren geistiger Leiter er ist, da er an Redegewandtheit seinen Bruder
übertrifft.
5) Alois, Prinz, legte im J. 1890 sein Abgeordnetenmandat nieder und zog sich aus persönlichen Rücksichten
vom politischen Leben zurück, wurde aber 1891 bei den Neuwahlen als antisemitischer Kandidat in Wien wieder gewählt. - Zu Ehren
des Feldmarschalls Joseph Wenzel Lorenz, Fürsten von Liechtenstein, erhielt 1888 das österreich. Korpsartillerieregiment
Nr. 9 seinen Namen;
das Dragonerregiment Nr. 10 wurde gleichzeitig nach dem Feldmarschall Johann Joseph, Fürsten von Liechtenstein, benannt.
(Kt. Graubünden,
Bez. Unter Landquart, Kreis Fünf Dörfer, Gem. Haldenstein).
760 m. Imposante Burgruine, auf einem Felssporn
über dem linken Ufer des Rhein und am Fuss des Calanda, 700 m n. Haldenstein.
Soll nach der Ueberlieferung
die Wiege der Fürsten von Liechtenstein sein, die im 15. Jahrhundert ihren Wohnsitz im Tirol genommen hätten.
Die 7stöckige
Burg war noch im 18. Jahrhundert bewohnt.
Vergl. Bott, Jak. Die ehemalige Herrschaft Haldenstein.
Chur 1864.