Liechtenstein,
[* ] selbständiges Fürstentum, bis zur Auflösung des Deutschen Bundes der kleinste unter den Bundesstaaten, besteht aus der Herrschaft Vaduz (jetzt Liechtenstein genannt) im S. und der Grafschaft Schellenberg im N., wird von der Schweiz und Tirol (Vorarlberg) umschlossen und hat ein Areal von 157 qkm (2,85 QM.) mit (1880) 9124 kath. Einwohnern, welche sich auf elf Gemeinden verteilen. Das Ländchen ist von den Alpen eingehegt, deren Spitzen hier (Drei Schwestern) bis zu 2500 m ansteigen, wird vom Rhein (Grenzfluß gegen die Schweiz) und der Samina (Nebenfluß der Ill) nebst einigen Bächen bewässert und hat im Rheinthal ein mildes, auf den Gebirgen ein ziemlich rauhes Klima.
Die Erwerbsquellen der Bevölkerung sind Viehzucht, Getreide- und Weinbau. Die gewerbliche Thätigkeit beschränkt sich auf Baumwollindustrie. Die Verfassung des Fürstentums ist konstitutionell-monarchisch und beruht auf der Verfassungsurkunde vom Der Fürst vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt, ist aber bei der Gesetzgebung und Besteuerung an die entscheidende Mitwirkung des Landtags gebunden, der aus 15 Mitgliedern (3 vom Fürsten ernannt) besteht und sich jährlich einmal versammelt.
Die Regierung ist erblich und zwar im Mannesstamm nach den Rechten der Erstgeburt. Der Fürst führt das Prädikat »Durchlaucht«; er hat außerdem ausgedehnte Besitzungen in Österreich, Preußen und Sachsen, die jährlich an 1,4 Mill. Gulden Einkünfte gewähren. Er residiert gewöhnlich in Wien. Die gegenwärtige Einrichtung der Verwaltung beruht auf der Organisationsverordnung vom Als Landesbehörde fungiert die fürstliche Regierung in Vaduz; von dieser dependiert die Kassenverwaltung (für die Steuererhebung und Verwaltung der öffentlichen Fonds), während die Buchhaltung, gleich der
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Domänenverwaltung, der fürstlichen Hofkanzlei in Wien untersteht. Oberste Justizbehörde ist das k. k. Oberlandesgericht in Innsbruck. Für das Zivil- und Strafrecht gelten die österreichischen Gesetze. Die Staatsrechnung weist für das Jahr 1885 an Einnahmen 130,092 Guld. und an Ausgaben 116,044 Guld. österr. Währ. nach; die Staatsschuld beträgt 78,750 Guld. Das Militär ist seit 1868 aufgelöst, und die Bevölkerung ist gegenwärtig von der Wehrpflicht entbunden.
Durch Vertrag vom (erneuert 1876) bildet einen Bestandteil des allgemeinen österreichisch-ungarischen Zoll- und Steuergebiets und erhält infolgedessen jährlich etwa 200,000 Guld. von Österreich ausgezahlt. Münzen, Maße und Gewichte sind die österreichischen; auch die Post wird von Österreich verwaltet. Das Landeswappen enthält fünf Felder und einen Mittelschild, welcher das Zeichen von Liechtenstein (Gold über Rot quer geteilt) enthält; die Landesfarben sind Rot und Blau. Hauptort des Fürstentums ist Vaduz. S. Karte »Tirol«.
Geschichte. Das fürstliche, vormals gräfliche Haus eins der ältesten Geschlechter Österreichs, kommt zuerst im 12. Jahrh. und zwar in den Linien Liechtenstein-Murau und Liechtenstein-Nikolsburg vor. Die erstere, welcher der bekannte Minnesänger Ulrich von Liechtenstein (1200-1275) angehörte, starb 1619 aus. Von der Linie Liechtenstein-Nikolsburg stifteten Hartmanns IV. Söhne Karl und Gundakar, von denen der erste 1618, der zweite 1623 in den Fürstenstand erhoben wurde, 1585 zwei nach ihnen benannte Linien.
Karl erwarb vom Kaiser Matthias 1614 das Fürstentum Troppau und von Ferdinand II. 1623 Jägerndorf. Sein Enkel Johann Adam Andreas erkaufte 1699 noch die reichsunmittelbare Herrschaft Vaduz und Schellenberg, das bis 1350 die Grafen von Schellenberg, bis 1397 die Grafen von Werdenberg, bis 1507 die Freiherren von Brandis, bis 1613 die Grafen von Sulz, endlich die Grafen von Hohenems besessen hatten, und erhielt für ein dem Kaiser gemachtes unverzinsliches Darlehen von 250,000 Guld. eine Stimme auf der Fürstenbank des schwäbischen Kreises.
Mit ihm erlosch 1712 die ältere Karlsche Linie im Mannesstamm, und das beim schwäbischen Kreise stehende Kapital nebst Vaduz und Schellenberg kam an den Fürsten Joseph Wenzel Lorenz von der Gundakarschen oder Hartmannschen Linie. Diesem kaufte seines Vaters Bruder Anton Florian 1718 Vaduz und Schellenberg ab, und Kaiser Karl IV. erhob diese Herrschaften 1719 unter dem Namen Liechtenstein zu einem unmittelbaren Reichsfürstentum, daher sein Sohn Joseph Johann Adam 1723 für sich und seine männlichen Nachkommen auch auf dem Reichstag Sitz und Stimme erhielt.
Als sein Sohn Johann Nepomuk Karl 1748 kinderlos starb, erbte Fürst Joseph Wenzel das Majorat und die Güter des Hauses. Nach dessen kinderlosem Ableben fielen 1772 seine Besitzungen an die Söhne seines Bruders Emanuel, Franz Joseph und Karl Borromeus, welche die beiden jetzt blühenden Linien des Hauses Liechtenstein stifteten. Die ältere besitzt das Fürstentum Liechtenstein nebst dem größten Teil der Güter in Österreich und Schlesien; die jüngere Kromauer Linie ist im Besitz des Karlschen Majorats als Sekundogenitur. Auf Franz Joseph (gest. 1781) folgte Aloys Joseph bis 1805, dann Johann Joseph (s. unten Liechtenstein 3), diesem sein Sohn Aloys (geb. gest. und diesem sein Sohn Johann II., geb. Im Besitz der Sekundogenitur war Prinz Karl, geb. erblicher Reichsrat, Obersthofmeister des Kaisers von Österreich und General der Kavallerie, gest. und ist jetzt Prinz Karl Rudolf, geb. k. k. Kämmerer und Oberstleutnant.
Vgl. Kaiser, Geschichte von Liechtenstein-Vaduz (Chur 1847);
Falke, Geschichte des fürstlichen Hauses Liechtenstein (Wien 1868-83, 3 Bde.);
v. Klenze, Die Alpwirtschaft im Fürstentum Liechtenstein (Stuttg. 1879);
Krätzl, Statistische Übersicht des gesamten Joh. Liechtensteinschen Güterbesitzes (4. Aufl., Brünn 1884).