Lieber
,
Franz, staatswissenschaftlicher Schriftsteller, geb. zu
Berlin,
[* 2] trat 1815 unter die freiwilligen
Jäger des
Regiments
Kolberg,
[* 3] focht bei
Ligny und
Waterloo
[* 4] und wurde 20. Juni beim
Sturm auf
Namur
[* 5] schwer verwundet.
Nach
Berlin zurückgekehrt, widmete er sich dem
Studium der
Medizin, ward aber 1819 als
Demagog polizeilich verfolgt und ihm
der fernere Besuch einer preußischen
Universität untersagt.
Letzteres Verbot ward zwar im folgenden Jahr aufgehoben, und
Lieber
nahm hierauf, nachdem er inzwischen (1820) in
Jena
[* 6] promoviert, sein
Studium in
Halle
[* 7] von neuem auf; doch
sah er sich noch fortwährend polizeilichen Belästigungen ausgesetzt, daher er bald darauf nach
Dresden
[* 8] ging, wo er sich
dem Feldmessen und
Situationszeichnen widmete. Im
Herbst 1821 begab er sich nach
Marseille
[* 9] und schiffte sich dort als
Philhellene
nach
Griechenland
[* 10] ein, begab sich jedoch nach mehreren
Monaten großer Entbehrung von
Missolunghi nach
Rom,
[* 11] wo er im
Hause
Niebuhrs freundliche
Aufnahme fand und sein
»Tagebuch meines Aufenthalts in
Griechenland im Jahr 1822« (Leipz.
1823) schrieb. Er kehrte mit
Niebuhr über
Neapel
[* 12] nach
Deutschland
[* 13] zurück und gedachte in
Halle seine medizinischen
Studien zu
vollenden, ward aber, als man 1824 neue Untersuchungen gegen die
Liberalen einleitete, in
Köpenick gefangen
gesetzt und erst nach mehreren
Monaten auf
Niebuhrs Verwenden
wieder freigegeben. Lieber
lebte nun eine Zeitlang in
Berlin, wo er
seine im Gefängnis gedichteten
»Wein- und Wonnelieder« unter dem
Namen
Arnold
Franz (Berl. 1825) herausgab, darauf in der
Familie
des
Grafen von
Bernstorff in
Mecklenburg
[* 14] und kehrte mit ihr nach
Berlin zurück. Da ihm hier ein neuer
Arrest
drohte, entfloh er nach
London
[* 15] und ging von da 1827 nach den
Vereinigten Staaten,
[* 16] wo er in
Boston
[* 17] eine Turnanstalt und eine
Schwimmschule nach
Pfuels
Grundsätzen einrichtete und in
Verbindung mit einigen andern die »Encyclopaedia
Americana« (Philad. 1829-33, 13 Bde.)
herausgab. 1835 erhielt er die Professur der Geschichte und Staatsphilosophie zu
Columbia
[* 18] in
Südcarolina, 1858 eine Professur
am
Columbia College in
New York. Bei
Ausbruch des
Bürgerkriegs legte er sein
Amt nieder;
er starb Noch sind von seinen Schriften zu erwähnen: »Letters to a gentleman in Germany« (Philad. 1834),
welche in England unter dem Titel: »The stranger in America« (Lond. 1835) erschienen;
»Reminiscences of an intercourse with Niebuhr the historian« (1835; deutsch von Thibaut, Heidelb. 1837);
»Essay on subjects of penal law« (Philad. 1838);
»Manual of political ethics« (Bost. 1838-39, 2 Bde.; neue Ausg., Philad. 1875, 2 Bde.);
»Essays on property and labour« (New York 1842);
»On civil liberty and selfgovernment« (Philad. 1853, 2 Bde.; neue Ausg. 1874; deutsch von Mittermaier, Heidelb. 1860).
Nach seinem
Tod erschienen von ihm: »Miscellaneous writings« (Philad.
1881, 2 Bde.). Liebers
Biographie gaben
Thayer (Philad. 1873) und
Th. S.
Perry (deutsch bearbeitet von
Holtzendorff,
Stuttg. 1885) heraus. -
Sein Sohn
Oskar
Montgomery Lieber
, geb. 1830 zu
Boston, studierte in
Freiberg
[* 19] den
Bergbau
[* 20] und hat sich in
Amerika
[* 21] als Geolog einen
Namen erworben.