Lichtensteig
(Kt. St. Gallen,
Bez. Neu Toggenburg).
658 m. Gem. und schöne kleine Industriestadt, auf einer felsigen
Höhe über
dem rechten Ufer der
Thur und im Herzen des
Toggenburgs. Am linken Flussufer die Station Lichtensteig
der Toggenburgerbahn.
Postbureau, Telegraph, Telephon; Postwagen nach
Uznach,
Wattwil-Waldstatt und
Schönengrund. Gemeinde, mit Burg und
Loretto: 228
Häuser, 1394 Ew.,
wovon 690 Reformierte und 704 Katholiken. 1083: Lichsteiga (wo
Steig einen Steilabfall bedeutet).
Lichtensteig
, einst Hauptort und einzige Stadt der
Grafschaft
Toggenburg, ist heute der Sitz des Bezirksgerichtes
Neu Toggenburg.
Die die Stadt beherrschende und das ganze Thal zierende, in gotischem Stil gehaltene, schöne moderne Kirche dient beiden
Konfessionen. Die Hauptgasse erinnert mit ihren Arkaden an Bern.
Lichtensteig
war von jeher ein wichtiger Marktort
und als solcher der Verkehrsmittelpunkt des
Toggenburgs und der umliegenden Landschaften; heute 4 Jahrmärkte und ein Wochenmarkt.
Der einst beträchtliche Verkehr nach dem Thal der Linth hat heute an Bedeutung verloren. Ein Bankgeschäft, grosse Webereien, Zwirnereien und Stickereien. Weberei als Hausindustrie (zahlreiche Webstühle). Ansehnlicher Gross- und Kleinhandel. Buchdruckerei mit einer Zeitung. Sekundarschule. Verschiedene gemeinnützige und wohltätige Gesellschaften, Verkehrsverein. Schöne Brücke über die Thur. Neben der Stadt ein Wasserfall. In der einstigen Landvogtei eine historische Sammlung.
Bemerkenswertes altes und schönes neues Rathaus. Reizend schöne Landschaft mit verschiedenen Luftkurorten und Sommerfrischen,
wie
Krinau,
Oberhelfentswil,
Mogelsberg,
Auboden,
Hemberg. Lichtensteig
war ursprünglich blos eine feste
Burg der
Grafen von
Toggenburg, die von einem den Namen dieser Burg tragenden Zweig des Gechlechtes bewohnt war. Schon 1083 wird
ein Luitpold von Lichsteig und 1232 ein Henricus de Lichtensteig
genannt. Auf einer aussichtsreichen Anhöhe über der jetzigen
Stadt stand die Veste
Neu Toggenburg und nahe dabei an der jetzt noch «Burg»
geheissenen Stelle ein drittes
Schloss.
Die Burg Lichtensteig
, die die vom Zürichgau und dem Glarnerland kommende Heerstrasse beherrschte, war einer der bedeutendsten
festen Plätze der
Grafen von
Toggenburg. Im
Schutze ihrer Mauern siedelten sich nach und nach Handwerker an, so dass zu Ende
des 12. Jahrhunderts an ihrem Fuss eine kleine Stadt aufwuchs, die aber schon 1232 von Abt Konrad von St. Gallen
belagert, mit Sturm
genommen und geplündert wurde. Die Geschichte von Lichtensteig
ist eng mit derjenigen des ganzen
Toggenburgs verknüpft,
so dass wir dafür auf den Artikel
Toggenburg verweisen.
Wir wollen hier nur noch erwähnen, dass Stadt und Burg 1271 von den
Grafen
Diethelm und Friedrich von
Toggenburg um den Preis von 60
Mark Silbers an den Abt Berchtold von St. Gallen
verpfändet wurden. Abt
Ulrich trat 1279 diese Pfandschaft
an die
Grafen von
Werdenberg ab, denen sie bis zu Ende des 13. Jahrhunderts verblieb. Lichtensteig
war
zuerst nach
Wattwil eingepfarrt, bis es 1435 zur eigenen Kirchgemeinde erhoben wurde. 1440 kämpften die Bürger von Lichtensteig
zusammen mit den übrigen Toggenburgern auf
Seite der
Schwyzer gegen Zürich.
Die Pest oder der sog. schwarze Tod suchte zu dieser Zeit
neben anderen Orten auch Lichtensteig
heim und raffte 80 Personen dahin.
Die mit Schwyz
und Glarus
verbündeten Lichtensteiger
kämpften mit den
Eidgenossen in den Burgunderkriegen, im Schwabenkrieg und in den
italienischen Feldzügen gegen die Franzosen. Das Panner, das dem Lichtensteiger
Kontingent am Pavierzug (1512) von Papst
Julius II. verliehen worden war, wird heute noch sorgfältig aufbewahrt. Als in der Stadt 1528 die Reformation
eingeführt wurde, blieb ein Teil der Bewohner dem alten Glauben treu, so dass man beschloss, die Kirche dem Gottesdienst
beider Konfessionen einzuräumen. 1677 und 1678 erbaute man n. der Stadt die in der Architektonik nach ihrem Vorbild in Italien
gehaltene kleine Lorettokapelle, der bald Gaben zuflossen, so von
Seiten des Landvogtes Hugo Ludwig Beding
und seiner Gemahlin, sowie der Witwe eines Schultheissen. 1799 und 1802 hat Lichtensteig
unter den wiederholten Durchmärschen
fremder Truppen stark zu leiden. Lichtensteig
ist die Heimat von einer Reihe von Familien und einzelnen
Bürgern, die sich
einen geschichtlichen Namen erworben haben. Wir nennen das
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Geschlecht von Varer, den Chronisten Heinrich Forer (1455), den vom Abt von St. Gallen
1663 vertriebenen reformierten Pfarrer Jeremias
Braun, den Pietisten Diakon Niklaus Scherer den gelehrten Bibliothekar des Klosters Rheinau P. Basilius Germann, die Schultheissen
Andreas Steger († 1818), Vater und Sohn, den Stadtschreiber Joh. Giezendanner, den berühmten Mathematiker
und Miterfinder der Logarithmen Jost Bürgi († 1632), den ersten Landammann des Kantons St. Gallen
Karl Müller von Friedberg und Gregor
Grob († 1824), den kantonalen Erziehungsdirektor. Bibliographie. Wegelin, Karl. Lichtensteig;
dargestellt nach seinem gegenwärtigen
Zustand und bisherige Schicksale ... St. Gallen
1826. - Dierauer, Joh. Bilder aus der Geschichte Lichtensteigs.
Lichtensteig
1895. -
Toggenburger Archiv; hrsg. von Nikolaus Senn. Zürich
1865. - Dierauer, Joh. Das Toggenburg unter äbtischer Herrschaft. (4. St. Gallisches
Neujahrsblatt). St. Gallen
1875. - Würth, C. G. Die Kurlandschaft Toggenburg. - Das Toggenburg; hrsg. vom Toggenburg. Verkehrsverein.