Titel
Alpen.
In einer Länge von 1200 km erstrecken sich die Alpen
als gewaltiger
Bogen von Savona (bei Genua)
bis nach Wien. Die durchschnittliche Breite beträgt 180 km, die Fläche, welche sie bedecken, 220000 km2.
Die mittlere
Höhe der ganzen Massenerhebung ist 1400 m; d. h. so hoch
wäre die ganze Fläche, wenn das Gebirge auf derselben ausgeebnet
würde. Begrenzt wird das Alpen
gebiet auf 3
Seiten von Tiefebenen: der Rhoneebene im W., der Poebene im
S. und den Donautiefebenen im O. Einzig im N. gehen die Alpen
in die schweizerisch-schwäbisch-bayrische Hochebene über,
welche sich in einer mittlern
Höhe von 400-600 m von Genf
bis Linz ausdehnt, während z. B. der Südfuss der Alpen
aus etwa 200 m
Meerhöhe aufsteigt. Der Südabhang geht aber nicht bloss tiefer hinunter, er ist auch schmäler, also
aus doppeltem Grunde steiler als der Nordabhang. Z. B. ist die Distanz
Monte
Rosa-Biella = 45 km, der Höhenunterschied = 4222 m,
das Gefäll des Südabhangs daher = 9,38% = 5° 22'. Auf der Nordseite dagegen ist die Distanz
Monte
Rosa-Bern
= 115 km, die Höhendifferenz 4096 m; daher das Gefäll = 3,48% oder 1° 59'.
A. OROGRAPHIE.
Die Einteilung der Alpen
fällt verschieden aus, je nachdem man den geologischen oder den orographischen Gesichtspunkt voranstellt.
Die Geologen unterscheiden nur zwei Hauptteile: Westalpen
, von Savona bis zu der Linie
Rheinthal (bis
Reichenau)-Greina-Tessin-Langensee, und Ostalpen (von da bis Wien). - Mit Rücksicht auf die Orographie empfiehlt sich
aber die alte Dreiteilung besser: a) Westalpen von Savona bis zur Linie
Arve-Mont
Blanc-Aostathal; b) Zentralalpen von da bis
Reschenscheideck-Etschthal; c) Ostalpen von da bis zur Donau bei Wien.
Bei dieser Einteilung zeigt sich dann als prinzipieller Unterschied der drei Teile: die Westalpen bestehen aus einer Hauptkette, ohne grosse Längsthäler;
die Querthäler beherrschen die Terrainformen vollständig.
Die Zentralalpen bilden im W. 2, im O. 3 Parallelketten mit grossen Längsthälern ersten Ranges; in den Ostalpen endlich finden wir, auch von W. nach O. an Zahl zunehmend, 3-5 solcher parallelen Ketten mit der entsprechenden Zahl von Längsthälern.
Für die Schweiz kommen nun einzig die Zentralalpen zwischen den beiden Eckpfeilern Mont Blanc und Ortler in Betracht. Die weitere Einteilung, welche in erster Linie auf orographische Momente gestützt ist, ergibt sich aus der Kartenskizze. Die erste Teilung ist gegeben durch das grosse Längenthal, eine Furche, welche von S.-W. nach N.-O. sich hinzieht, und welche zugleich eine geologische Trennungslinie ist. Sie setzt sich zusammen aus dem Chamonixthal, Col de Balme, Rhonethal von Martigny bis Furkapass, Urserenthal, Oberalppass, Vorderrheinthal bis Chur. Von da an folgt sie dem Querthal des Rheins bis zum Bodensee. Dadurch erhält man zwei Teile, die man am besten als Nordalpen und Südalpen unterscheidet. - Quer zu dieser tektonischen Linie geht nun eine zweite Hauptfurche, gebildet durch die Querthäler der Reuss und des Tessin. So entstehen aus den Zentralalpen vier grosse Abschnitte, die sich z. T. mit den alten landläufigen Benennungen: Berner-A., Glarner-A., Walliser-A., Bündner-A. decken, aber meistens etwas grössere Gebiete umfassen, als man gewöhnlich mit obigen Namen bezeichnet.
I. Nordwestlicher Teil
(Berner Alpen im weitern Sinn). Sie zerfallen in folgende 8 Gruppen: 1. Dent du Midi Gruppe. 2. Wildhorngruppe. 3. Finsteraarhorngruppe. 4. Dammagruppe. 5. Chablaisgruppe. 6. Saane- und Simmengruppe. 7. Emmengruppe. 8. Aagruppe. - Von diesen bilden die 4 ersten die Hauptkette mit hochalpinem Charakter, während die 4 letzten durchweg niedriger sind und eher als Voralpen zu bezeichnen wären. Die drei Gruppen des Wildhorn, Finsteraarhorn und Dammastockes bilden zusammen die Berneralpen im engern (gewöhnlichen) Sinn. - Hier zeigt sich wieder in sehr hohem Grade die Unsymmetrie der Abhänge.
Die Hauptwasserscheide liegt ganz nahe an der Rhone; nach S. gehen nur kurze, steile Thäler, während auf der sanftem Nordseite sich eine grosse Zahl bedeutender Querthäler ausgebildet hat. Dies drückt sich auch in folgenden Zahlen aus: Der horizontale Abstand zwischen Wildstrubel und Sierre ist 10 km, der Höhenunterschied 2728 m, also das Gefäll 27,28% oder 15° 16'. Dagegen ist der Abstand vom Wildstrubel bis Bern 65 km, der Höhenunterschied 2730 m;
das gibt ein Gefäll von 4,20% oder 2° 20'. Die einzelnen Gruppen sind: ¶
Orographische Karte der Schweiz
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Lf. 9. ^[Karte: 6° O; 47° N; 100 km]
Verlag von Gebr. Attinger, Neuenburg.
1:300000
Grenzen der Haupteinteilungen ___
Grenzen der Gruppen ...
nach Dr. Aug. Aeppli
V. Attinger. sc.
OROGRAPHISCHE KARTE DER SCHWEIZ ¶
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1. Dent du Midi-Gruppe. Sie hat folgende Grenzen: im W. das Thal der Arve, im S. Chamonix und der Col de Balme, im O. die Rhone von Martigny abwärts bis Monthey, im N. das Thal der Viége (Champéry) bis auf die Höhe des Col de Coux, dann über den Col de Golèze nach Samoëns und Cluses (Arve). - Im S. führt nahe am Col de Balme eine fahrbare Strasse über die Tête Noire ins Wallis; nördlich davon erheben sich als Hauptgipfel die Aiguilles Rouges 2966 m, der Mont Buet 3109 m, an der Schweizergrenze der Mont Roan 3078 m und die Dent du Midi 3285 m. Die ganze Gruppe zeigt Hochgebirgscharakter mit zahlreichen, aber kleinen Gletschern.
2. Wildhorngruppe. Die Grenzen sind: W. Rhonethal aufwärts bis Martigny, S. ebenso von Martigny bis Leuk, O. Gemmipass, N. eine Linie von Kandersteg über Adelboden, das Hahnenmoos 1952 m, Lenk, Daubenpass 2040 m, Lauenen, Chrinen 1665 m, Gsteig, Col de Pillon 1562 m, Ormonts nach Aigle. Die ganze Gruppe bildet folgende Reihe: Dent de Morcles 2972 m, Grand Muveran 3061 m, Pas de Cheville 2036 m, Diablerets 3251 m, Sanetsch Pass 2246 m, Wildhorn 3268 m, Rawilpass 2421 m, Wildstrubel 3258 m, Gemmi 2302 m. Aus den Höhen ergibt sich, dass sie ganz den Charakter einer einheitlichen Mauer hat; zwischen die Hochgipfel von 3000-3300 m sind die Pässe nur auf 2000-2400 m herunter eingeschnitten, also viel höher als die Einsenkung, welche die Gruppe von der nördlich davon liegenden Saane- und Simmengruppe trennt. Wegen der bedeutenden Höhe trägt die Wildhorngruppe zahlreiche Gletscher, die aber an Ausdehnung diejenigen der folgenden Gruppe nicht erreichen, weil sich die Gebirgskette hier nicht so in die Breite entwickelt wie dort.
3. Die Finsteraarhorngruppe, die gewaltigste Hochgebirgspartie der ganzen Nordalpen, bildet nicht nur die hohe geschlossene Mauer wie die vorige Gruppe, sondern dehnt sich auch noch so in die Breite aus, dass hier Raum entsteht für die Entwicklung eines der bedeutendsten Gletschergebiete. Die Grenzen der Gruppe sind: W. Kanderthal bis Kandersteg, Gemmipass 2302 m;
O. Grimselpass 2165 m, Haslithal;
Die ganze Gruppe zerfällt landschaftlich und geologisch in zwei Teile: eine Linie von Kandersteg über Mürren, die Kleine und Grosse Scheidegg, trennt den nördlichen niedrigern Teil, der nur aus Sedimenten (Kalk und Schiefern) besteht und schon mildere Formen aufweist, vom südlichen, welcher fast ganz aus krystallinen Gesteinen aufgebaut ist und mit seinen Hörnern und Zacken den Typus des Hochgebirges am reinsten darstellt.
a) Die südliche Partie enthält denn auch eine grosse Zahl der berühmtesten Gipfel: Gleich östlich von der Gemmi beginnt die Hauptreihe mit Balmhorn 3688 m, Petersgrat, Breithorn 3779 m, Jungfrau 4167 m, Mönch 4104 m, Eiger 3975 m, Schreckhörner 4080 m, Wetterhorn 3708 m. In dieser Reihe sind die tiefsten Einschnitte der Lötschenpass 2681 m, vom Gasterenthal ins Lötschenthal, und die Thäler, durch welche der Untere Grindelwaldgletscher (zwischen Eiger und Mettenberg) und der Obere Grindelwaldgletscher (zwischen Schreckhorn und Wetterhorn) aus dem Hochgebirge heraus ins Grindelwaldthal treten. Nördlich von dieser Hauptreihe ist im Westen ein kurzer Ansatz zu einer Verdoppelung: Doldenhorn 3647 m, Blümlisalp 3670 m und Gspaltenhorn 3432 m lassen zwischen sich und der Hauptreihe eine Längsfurche, in welcher der Kandergletscher nach W. und der Tschingelgletscher nach O. abfliessen. - Bedeutender als die nördliche Reihe ist die südliche: Sie wird von der Hauptreihe getrennt durch die Furche Lötschenthal-Grosser Aletschfirn und enthält als Hauptgipfel: Bietschhorn 3953 m, Aletschhorn 4198 m, Finsteraarhorn 4275 m, Oberaarhorn 3634 m, Sidelhorn 2890 m. Wie die Hauptreihe, so zeigt auch diese südliche Reihe nur da tiefere Lücken, wo die Gletscher nach S. austreten, also beim Grossen Aletschgletscher und Fieschergletscher (Wallis).
Weil die Finsteraarhorngruppe in ihrem hochalpinen Teile also aus 2-3 parallelen Ketten besteht, so bietet sie viele grosse Hochthäler, welche die Sammelgebiete zahlreicher und grosser Gletscher bilden. So finden sich denn hier 16 Gletscher I. Ordnung oder Thalgletscher, darunter mit Abfluss nach N.: Kandergletscher, Tschingelgl., Unterer Grindelwaldgl., Oberer Grindelwaldgl., Rosenlauigl., Gauligl., Unteraargl., Oberaargl.;
mit Abfluss nach S.: Lötschengl., Ober Aletschgl., Mittel Aletschgl., Grosser Aletschgl. und Fieschergl. - Dazu kommen noch über 100 Gletscher II. Ordnung oder Hängegletscher. So macht die gesamte Schnee- und Eisfläche der Finsteraarhorngruppe ca 500 km2 aus.
b) Die nördliche Partie der Gruppe wird also durch die Linie Kandersteg-Kleine und Grosse Scheidegg abgetrennt. Sie enthält fast nur reine Querthäler, wie Kanderthal, Kienthal, Lauterbrunnenthal. Daher gehen auch die Bergreihen vorherrschend S.-N.; z. B. vom Gspaltenhorn zum Schilthorn 3297 m und Morgenberghorn 2251 m, ebenso zwischen Weisser und Schwarzer Lütschine: Lauberhorn 2475 m, Tschuggen 2523 m, Männlichen 2345 m. Von allen drei Gipfeln, namentlich aber vom letzten hat man wegen ihrer günstigen Lage einen imposanten Ausblick auf die Hauptgipfel Jungfrau, Mönch und Eiger. - Im N.-O. dieser Partie herrscht dagegen wegen der Richtung des Brienzersees und des Thals der Schwarzen Lütschine der Längsgrat vor. Dahin gehört z. B. die Kette Faulhorn 2683 m, Schwarzhorn 2930 m.
4. Dammagruppe. Grenzen: W. Haslithal und Grimsel, S. Furkapass und Urserenthal, O. Reussthal bis nördlich von Erstfeld, N. Surenenpass-Engelberg-Jochpass-Genthal. - Die Gruppe bildet geologisch die Fortsetzung der hochalpinen Partie der vorigen. Sie zeigt auch den gleichen Charakter in Höhe, Gletscherbildung etc., wenn auch in geringern Dimensionen. Da die beiden grossen Querthäler Haslithal und Reussthal einander ziemlich nahe liegen, herrscht in der Bodenform der Querkamm S.-N. vor; gegen diesen treten die Längsketten ebenso zurück, wie die kleinen Längsthäler: Gadmenthal, Genthal, Göschenenthal, Maienthal (z. T.) gegenüber den grossen, die Gruppe begrenzenden Querthälern der Aare und Reuss.
Die hervorragendsten Gipfel von S. nach N. sind: Galenstock 3598 m, Dammastock 3630 m, Thierberge 3343 m, Sustenhorn 3512 m, Titlis 3239 m. -
Dieser Hauptkamm hat ausser den begrenzenden Pässen: Furka 2436 m im S. und Jochpass 2208 m und Surenenpass 2305 m im N., nur eine einzige tiefere Scharte, den Sustenpass 2262 m, welcher das Gadmenthal mit dem Maienthal verbindet. Durch diesen Einschnitt entstehen zwei Mittelpunkte der Gletscherausstrahlung: Dammastock und Titlis. Vom erstern aus gehen ausser zahlreichen Hängegletschern: der Rhonegletscher nach S., der Triftgletscher nach N.-W., der Steingletscher nach N. und der Kehlegletscher nach O. Am Titlis und seiner Fortsetzung nach N.-O., Spannörter, Schlossberg etc., kommt es nur noch zur Bildung von Gletschern II. Ordnung.
5. Chablaisgruppe. Grenzen: im W. das Thal der Arve von Cluses abwärts, im S. die Linie von Cluses über Samoëns, den Col de Golèze und Col de Coux ins Thal der Viège bis nach Monthey;
im O. die Rhone von Monthey abwärts und im N. der Genfersee. Da die Querthäler hier vorherrschen (Rhone, Drance), so entsteht ein Hauptkamm, der vom Col de Coux der Schweizergrenze folgend nach N. geht, und als Hauptgipfel les Hautforts 2466 m, les Cornettes de Bise 2439 m und les Dents d'Oche 2225 m zeigt.
Aehnliche, nur etwas geringere Höhen zeigen die Teile, welche ganz auf savoyischem Boden, zwischen Drance und Arve, liegen.
6. Saane- und Simmengruppe. Ihre Grenzen sind W. Genfersee und Rhonethal bis Aigle; S. Ormonts, Col de Pillon, Gsteig, Chrinenpass,
Lauenen, Daubenpass, Lenk, Hahnenmoos, Adelboden, Kandersteg; O. Kanderthal, Thun, Aare bis Uetendorf, und N.
ein flacher Bogen über Gurnigel, Guggisberg, Bulle bis Vevey. Die ganze Gruppe bildet die nördliche Abdachung von Gruppe 2 und
weist viel weniger bedeutende Höhen auf, daher keine Schneefelder und keine Gletscher. Die Formen sind meistens milder als
im Hochgebirge, wozu allerdings das ausgedehnte Vorkommen der weichen Flyschschiefer (siehe Geologie)
viel beiträgt. Der grösste Teil der Abhänge ist berast oder bewaldet, wo die Pflanzendecke nicht etwa durch frische Rutschungen
etc. zerstört worden ist. - Trotz dieses mildern Charakters ist die Gruppe orographisch stärker zerschnitten als die südlicher
gelegenen Hochalpen. Während die Zonen gleichartiger Gesteine entsprechend dem allgemeinen Streichen der
Berner Alpen WSO.-ONO. ^[Berichtigung: WSW.-ONO.]
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mehr
ziehen, wird die äussere Form beherrscht durch die Querthäler der Rhone, Saane, Simme und Kander. Allerdings wechseln oft beim gleichen Fluss Querthal und Längsthal ab; z. B. ist das Pays d'en Haut ein Stück Längenthal, ebenso das Thal der Simme von Boltigen bis Wimmis. Durch die genannten Thäler wird die ganze Gruppe in drei Abschnitte geteilt:
a) Zwischen Rhone und Saane: Da treffen wir die Tour d'Aï 2334 m. und Tour de Mayen 2323 m, die weltberühmten Rochers de Naye 2045 m, östlich von Montreux, und weiter ¶