Kreditkrisen
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s. Handelskrisis, S. 87.
Kreditkrisen
5 Wörter, 39 Zeichen
Kreditkrisen,
s. Handelskrisis, S. 87.
Handelskonsul - Handel
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Seite 8.87.jede tief eingreifende Erkrankung des volkswirtschaftlichen Organismus, welche eine intensive Störung des Gleichgewichts zwischen Produktion und Konsumtion mit gewissen im Verkehr und Handel hervortretenden Folgeerscheinungen hervorruft. Die Bezeichnung dieser Zustände als Krisen ist zwar allgemein üblich, aber durchaus fehlerhaft. Die Störung trifft nicht allein oder zuerst das Gebiet des Handels, sondern vorzugsweise dasjenige der Produktion und Konsumtion; man sollte also vielmehr von »Wirtschaftskrisen« als von »Handelskrisen« sprechen, und in diesem Sinn wäre der Ausdruck »Absatzkrisen« (s. d.), der gewöhnlich nur zur Bezeichnung einer Teilerscheinung dient, noch zutreffender.
Gleichheit - Gleichsch
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Gleichgewicht.Aber auch das Wort Krisis ist falsch angewendet, denn unter Krisis versteht man in der Medizin nur ein gewisses Stadium der Krankheit und zwar im Sinn der alten Ärzte solche Wendungen derselben, welche durch wirkliche Abscheidung krankhafter Stoffe und deren Entfernung aus dem Körper herbeigeführt werden, im Sinn der neuern Heilkunde aber »Entscheidungen, welche eine rasche Besserung mit sich bringen«. Keins von beiden paßt auf die wirtschaftlichen Krisen. Der Zustand einer vollkommenen Gesundheit wäre derjenige, in welchem Produktion und Konsumtion sich vollkommen das Gleichgewicht [* 3] halten, der Fortschritt in beiden Richtungen sich stetig, ohne Unterbrechung und ohne Überstürzung, vollzieht. Ein solcher idealer Zustand ist erfahrungsgemäß nie vorhanden und kann auch nicht bestehen. Einzelne Zweige der menschlichen Thätigkeit, einzelne Gegenden sind wenigstens jederzeit irgend einem Leiden [* 4] ausgesetzt. Aber nur da, wo diese Leiden in einer gewissen Verbreitung und mit einer gewissen Heftigkeit auftreten, spricht man von einer Krise.
Eine exakte Theorie der Handelskrisen ist nicht aufzustellen, da jede Krise von der andern in ihren Ursachen, ihrem Verlauf und ihren Nachwirkungen irgendwie spezifisch abweicht. Indessen lassen sich doch gewisse gemeinsame Merkmale der Entstehung und des Verlaufs der Krisen ableiten. Die Krisis kann in erster Linie durch ein weitverbreitetes Mißverhältnis zwischen Erzeugung und Verbrauch oder durch große Veränderungen in den Verkehrs- und Marktzuständen mit Einschluß des Geldumlaufs oder endlich durch allzu rasche Kapitalfixierungen veranlaßt werden.
Das Mißverhältnis zwischen Erzeugung und Verbrauch, welches im weitern Verlauf jeder Krise wahrnehmbar wird, kann als erste Ursache in doppelter Hinsicht auftreten: entweder die Konsumtion wird plötzlich in starkem Maß eingeschränkt aus Gründen, die dem wirtschaftlichen Leben fern liegen, z. B. infolge eines Kriegs oder einer Epidemie, ohne daß die Produktion Gelegenheit hatte, sich einzuschränken;
oder die Produktion nimmt infolge neuer Erfindungen sehr rasch zu, so daß der normale Bedarf diesem Angebot nicht mehr die entsprechende Nachfrage entgegenstellen kann.
Handelskrisis (Ursache
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Seite 8.88.Dann ist eine Überproduktion vorhanden; in beiden Fällen spricht man von Absatzkrisen. Es können aber auch Ereignisse von wirtschaftlichem Charakter eintreten, die mehr oder weniger tief eingreifende Abänderungen im Umsatz zum Gefolge haben. Hierher gehören die Einrichtung neuer Verkehrsstraßen, die Aufschließung neuer Absatzwege durch Eröffnung bisher unzugänglicher Länder, umgekehrt die Verschließung der bisherigen Wege durch handelspolitische Maßregeln; ferner gewisse umfassendere Veränderungen im Geld- und Umlaufswesen durch Vermehrung oder Verminderung des Edelmetalls, Papiergeldes, der Krediteinrichtungen etc. In solchen Fällen hat man es mit Handelskrisen im engern Sinn, Geld- und Kreditkrisen, zu thun. Oder endlich kann der erste Anlaß darin liegen, daß ein starkes Spekulationsfieber eintritt, welches zur raschen Entstehung großer Anlagen in Industrien, Eisenbahnen, Banken etc. lenkt, das Betriebskapital aufsaugt, zu einer Erhöhung der Produktionskosten und gleichzeitig auch zu einer ¶
Überproduktion führt, und dann spricht man von Spekulationskrisen im eigentlichen Sinn. Derartige Erscheinungen pflegen stets an einen besondern Anlaß anzuknüpfen, an Änderungen der Gesetzgebung, neue Verkehrsmittel etc. Wie der Krieg die Absatzkrisen, so ruft sehr häufig die glückliche Beendigung eines Kriegs die Spekulationskrisen wach.
In der Mehrzahl der Fälle sind die Ursachen so verwickelt, und es treten so allseitige Wechselwirkungen auf, daß man kaum mehr die Unterscheidungsmerkmale festhalten kann. Bisweilen allerdings sind ganz bestimmte örtliche Veranlassungen vorhanden, welche die Art der Krisen kennzeichnen. Gewöhnlich aber ist der Verlauf einer Krisis in folgender Weise zu denken.
Nach einer längern Periode eines im allgemeinen normalen Verkehrs haben sich Arbeitskräfte und Kapitalien bedeutend vermehrt. Es werden neue Unternehmungen und zwar leicht im Übermaß geschaffen, was ein starkes Sinken der Preise zur Folge hat. In der Periode der Überproduktion jagen die Produzenten einander die günstig gelegenen Grundstücke, Arbeiter und Kapitalien ab und steigern so die Preise, Arbeitslöhne und Diskontsätze. Um sich bei dem Beginn der rückgängigen Konjunktur möglichst zu halten, nehmen sie den Kredit übermäßig in Anspruch, verteuern sich denselben, bis endlich das Kartenhaus zusammenbricht, Güterpreise und Löhne fallen und ein allgemeines krankhaftes Mißtrauen die seitherige Leichtgläubigkeit ablöst.
Wenn diese Vorgänge auf einzelne Gebiete der Wirtschaft beschränkt bleiben, so rufen sie örtliche und partielle Krisen hervor, die verhältnismäßig leicht überwunden werden. Gelingt aber die Lokalisierung nicht, sondern wird die Störung von einem Unternehmen auf die andern, etwa von der Eisenindustrie auf die Hütten- und Kohlenwerke überhaupt oder von der Spinnerei auf die ganze Gruppe der Textilindustrien, übertragen, so geht gewissermaßen der Krankheitsstoff in den ganzen volkswirtschaftlichen Körper über, und die allgemeinen, zuerst akuten, später chronischen Erscheinungen nehmen nun unaufhaltsam ihren Verlauf. Die Ursache der raschen und weiten Ausbreitung von Krisen in neuerer Zeit und die zunehmende Schwierigkeit ihrer örtlichen Begrenzung hängen mit der Entwickelung des ganzen Verkehrswesens und der großartigen Rolle des Kredits zusammen.
Im Zusammenhang mit den Ursachen kann man von Symptomen in dem Sinn sprechen, daß sich aus dem Eintreten gewisser äußerlicher Erscheinungen auf das Herannahen einer Krise schließen läßt. Die Erfahrung bezeichnet als die wesentlichsten Symptome:
1) große Unternehmungslust und Kühnheit der Spekulation;
2) rasche Bereicherungen einzelner Gruppen durch leicht realisierbare Gewinne bei allgemeiner Leichtgläubigkeit des großen Publikums;
Kreisabschnitt - Kreis
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Kreise.3) Verwegenheit der Agiotage und Übergreifen der Spielsucht in solche Kreise [* 6] der Gesellschaft, welche kein geschäftliches Verständnis besitzen;
4) bedeutendes und rasches Steigen der Warenpreise, Arbeitslöhne, Realitätenwerte, Kapitalzinsen und Diskontsätze;
5) zahlreiche Überführung von Einzelunternehmungen in Aktienunternehmungen. Beim Zusammentreffen dieser Symptome ist der Ausbruch von Krisen mit größter Wahrscheinlichkeit vorauszusehen. Als Wirkungen und Folgen schwerer Handelskrisen sind zunächst große Verschiebungen in den Preisen der verschiedenen Warenarten, dann rasches Sinken von Lohn und Zins (Diskontsätze) und Lahmlegung oder auch völliger Verlust großer Kapitalsummen zu beobachten. Es folgen Zahlungseinstellungen und Bankrotte, an Stelle des kritiklosen Vertrauens tritt dann eine ebensolche Entmutigung ein, jeder sammelt Kassenbestände, und es läßt sich eine förmliche Entkräftung des wirtschaftlichen Organismus beobachten.
Die am meisten in die Augen fallenden und empfindlichsten Folgen sind natürlich, daß zahlreiche Vermögensverluste eintreten und meist die Unschuldigen mit den Schuldigen leiden. In sozialer Hinsicht bedeutsam ist es, daß starke Handelskrisen in der Regel den Unterschied zwischen Reichtum und Armut sowie die Abhängigkeit der letztern noch schroffer gestalten. Anderseits darf man nicht verkennen, daß große Krisen »die großen Weltmarktsgewitter« sind und einen Reinigungsprozeß bedeuten.
Lager (militärisch)
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Lager.Krisen kommen in allen Zeitaltern vor; so brach nach Livius vor mehr als 2000 Jahren eine Handelskrisis im Lager [* 7] des ältern Scipio vor Karthago [* 8] aus, weil die Kaufleute zu viele Waren herbeigeschleppt hatten, und durch die große Florentiner [* 9] Krisis von 1345, wo die Gesellschaften der Scali, Peruzzi und Bardi fallierten, wurde der ganze Staat erschüttert. Mit bestimmtem Charakter treten sie jedoch erst im 17. und 18. Jahrh. auf, und man führt hier als die beiden ersten eigentlichen Handelskrisen jene von Lübeck [* 10] im J. 1603 und die holländische Tulpenmanie 1634-1637 an; letztere ist dadurch merkwürdig, daß sie sich nicht an Gegenstände des gemeinen Gebrauchs heftete, sondern an einen Artikel (Haarlemer Tulpenzwiebeln), dem ein übermäßig hoher Wert beigelegt wurde; dieser folgte bald die englische Geldkrise von 1696, hervorgerufen durch eine Veränderung im englischen Münzwesen [* 11] und den dadurch vorübergehend eingetretenen Mangel an Zahlungsmitteln.
Ungleich tiefer gehend waren die Wirkungen des »Systems«, welches John Law (s. d.) in Frankreich eingeführt hatte, und durch welches zuerst der Irrtum Gestalt gewann, daß man durch Vermehrung der papierenen Umlaufsmittel das Gleichgewicht der Güterpreise aufrecht erhalten und das Kapital eines Landes steigern könne. Dasselbe erfüllt den Zeitraum von 1716 bis 1720; es charakterisiert sich durch das erste Auftreten großartiger Gründungen, einer förmlich organisierten Agiotage mit allen Ausschreitungen wilder Spekulationslust und durch den darauf folgenden Zusammenbruch mit vollständiger Vermögensverschiebung.
Etwa gleichzeitig (1711-20) fand der Südseeschwindel in England statt, zu welchem einerseits der Aufschwung des Verkehrs mit den transatlantischen Ländern, anderseits die mißbräuchliche Anwendung der Form der Aktiengesellschaften auf schwindelhafte Projekte den Anstoß gab, und welcher in den als Bubbles (Seifenblasen) bezeichneten Aktien und andern Effekten des Gründungsschwindels sein eigentliches Objekt besaß. Schon in dieser ersten Zeit zeigt sich, daß die Krisen nur in hoch entwickelten Volkswirtschaften zur Entstehung gelangen.
Handelskrisis (von 187
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Seite 8.89.Dasselbe gilt von den Hamburger Handelskrisen der Jahre 1763 und 1799, deren erstere durch die Beendigung des Siebenjährigen Kriegs, deren letztere durch die Umwälzungen im Gefolge der großen französischen Revolution und des Seekriegs der Franzosen mit den Engländern, durch die Überfüllung des westindischen Marktes mit europäischen Waren und die Ansammlung unabsetzbarer angehäufter Vorräte in Hamburg [* 12] verursacht war. Endlich darf im 18. Jahrh. in gewissem Sinn jene Reihe von Folgeerscheinungen zu den Krisen gerechnet werden welche die französische Assignatenwirtschaft von 1790 ¶
bis 1796, die stärkste Anwendung von Zwangspapiergeld, die je in einem Kulturstaat stattgefunden hat, mit sich brachte.
Das klassische Zeitalter der Krisen ist aber das 19. Jahrh., seit unter den Segnungen des Friedens die wirtschaftliche Entwickelung von Westeuropa mit Riesenschritten vor sich ging. Da sind zuerst zu nennen: die englischen Handelskrisen von 1815 und 1825. Die Anwendung der Dampfkraft in der Woll- und Baumwollindustrie, der Aufschwung der Kohlen- und Eisenindustrie und die rasche Ausbreitung der Kolonial- und Handelsmacht Großbritanniens hatten schon Ende des 18. Jahrh. eine ungeahnte Entfaltung der wirtschaftlichen Kräfte veranlaßt; selbst die Kontinentalsperre Napoleons trieb England nur noch mehr an, durch Pflege des Verkehrs mit den transatlantischen Ländern den Grund zu seiner Handelsblüte zu legen.
Baumwolle (Kultur; che
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Baumwolle.Dadurch wurde nicht allein eine große Anzahl von industriellen Projekten, die teilweise einen schwindelhaften Charakter trugen, wachgerufen, sondern auch die Spekulation in Waren, namentlich in Baumwolle, [* 14] geweckt und die Produktion in kurzer Zeit vervielfältigt. Als der Pariser Friede wieder normale Verkehrszustände herstellte, hatte man auf neues Aufblühen der Geschäfte übertriebene Hoffnungen gebaut, und durch das Zusammenwirken von Überproduktion, schlechten Ernten, beengtem Geldstand brach eine partielle Krisis aus, die während drei Jahren die schwersten Mißstände hervorrief.
Viel tiefer als die Krisis von 1815 griff aber jene von 1825 in alle Kreise des geschäftlichen Lebens; nach einer wilden Gründungs- und Spekulationsepoche, an welcher die ganze Gesellschaft beteiligt war, und welche, wie zu Laws Zeiten, die unsinnigsten Unternehmungen aufnahmsfähig machte, erfolgte im Herbst 1825 der Zusammenbruch. Unzählige Fallimente von Banken, industriellen und kaufmännischen Firmen, eine vollständige Börsenderoute und Stockung alles Verkehrs waren die Folgen; die Verarmung griff tief in den ganzen Mittelstand, Arbeiterentlassungen und -Aufstände, Massenauswanderungen waren die letzten Wirkungen.
Großbritannien
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Großbritannien.Diese traurigen Erfahrungen hinderten nicht, daß sowohl in Großbritannien [* 15] selbst als in den Vereinigten Staaten [* 16] von Nordamerika [* 17] ähnliche Katastrophen sich rasch wiederholten. So finden wir, daß das unsolide Gebaren der amerikanischen Zettelbanken dort in den Jahren 1814, 1830, 1837 und 1839 Katastrophen hervorrief, welche besonders das Bankwesen trafen, und daß sich auch in England die Überspekulation bald wieder auf das Gebiet des Zettelbankwesens warf und in den Jahren 1836 und 1839 Krisen veranlaßte, deren Wiederholung man durch den Erlaß der Peelschen Bankakte entgegenzutreten versuchte. Da in den 30er Jahren die Anwendung der Dampfkraft auf Verkehrsmittel schon zu einer gewissen technischen Vollkommenheit gelangt war, so wurde bald eine Überzahl von Eisenbahnprojekten entworfen, mit deren Ausführung man 1844 begann.
Als aber in den beiden folgenden Jahren Kartoffelfäulnis, Mißwachs des Getreides, Fehlernte in Baumwolle eintraten, die Steigerung des Wohlstandes ausblieb und an eine Rentabilität der Eisenbahnen nicht zu denken war, folgte 1847 wieder eine größere Handelskrisis, die auch auf den Kontinent u. namentlich auf Süddeutschland ihre Rückwirkungen in empfindlicherm Grad äußerte als irgend eine frühere. Bei dieser Krisis begann sich schon die heutige Eigenart solcher Erscheinungen insofern vorzubereiten, als sie einen mehr generellen und universellen Charakter an sich trug; aber erst die große Krisis des Jahrs 1857 trat ganz allgemein auf.
Gold (Gewinnung aus ge
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Gold.Die Bewegungen des Jahrs 1848 hatten den Unternehmungsgeist eingeschüchtert. Auf dem Kontinent machte sich das Bestreben geltend, das Gold [* 18] womöglich nach London [* 19] oder Amerika [* 20] zu schicken. Die heimische Konsumtion schränkte sich ein, und nur die exportierenden Industrien gediehen. So wurde ein starker Rückfluß des Goldes vorbereitet, der, als er eintrat, noch dadurch verstärkt wurde, daß inzwischen die Goldlager in Australien [* 21] und Kalifornien entdeckt waren.
Als nun im J. 1851 die kommerziellen Zustände in England und Nordamerika unsicher zu werden begannen, infolge des Überflusses an Edelmetall die Überspekulation sich regte und die kontinentalen Kapitalisten ihre dortigen Anlagen zurückzogen, regte sich auf dem Kontinent der Unternehmungsgeist, zumal der Staatsstreich in Frankreich ruhigere Zustände verbürgte. Das Kaiserreich hatte einen wirtschaftlichen Aufschwung verheißen; als sein Gehilfe führte Mirès das Prinzip der Aktienunternehmungen in größerm Maßstab [* 22] in Frankreich ein.
Oesterreich ob der Enn
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Österreich.Bald entstand auch der Crédit mobilier. Seine Thätigkeit und die zur Durchführung gemeinnütziger Staatsunternehmungen aufgelegten Nationalsubskriptionen verbreiteten in weiten Kreisen die Lust am Börsenspiel. Österreich, [* 23] welches am dringendsten darauf hingewiesen war, die wirtschaftliche Thätigkeit seines Volkes zu beleben, beeilte sich, dem französischen Beispiel zu folgen, und auch die deutschen Mittelstaaten teilten Zettelbankprivilegien mit vollen Händen aus; selbst in Preußen, [* 24] wo die Regierung sich ablehnend dagegen verhielt, ähnliche Projekte zu fördern, wurde in der von der Diskontogesellschaft zuerst angewandten Form der Kommanditgesellschaft das Mittel gefunden, den Konzessionszwang zu umgehen. Im August und September 1856 trat ein Umschwung ein, die Banken nahmen Diskonterhöhungen vor; doch noch einmal flackerte die Hausse auf.
Die Spekulation warf sich auf den Warenmarkt: Kaffee, Zucker, [* 25] Baumwolle stiegen enorm im Preis, bis dann in der zweiten Hälfte des Jahrs 1857 ein Zusammensturz erfolgte, der sich über Amerika, England, Frankreich, Österreich und Deutschland [* 26] ausdehnte und von den deutschen Plätzen Hamburg am härtesten traf. So darf man die 1857er als die erste bezeichnen, an welcher sich die innerste Natur und das Wesen der seither mit einer gewissen Regelmäßigkeit sich wiederholenden Erschütterungen der gesamten Weltwirtschaft verfolgen lassen. Wir erwähnen nur kurz die Geldklemmen in Frankreich 1863 und 1864, die Londoner Krisis vom Jahr 1866, welche zwar lokalisiert war, aber eine große Panik brachte und bedeutende Verluste nach sich zog, und die Katastrophe in New York 1869 (mit dem black friday vom 23. Sept.), verursacht durch die verkehrte Politik der Regierung, welche es unterließ, Staatspapiergeld einzuziehen, und wenden uns nun der Darstellung der letzten Krisis zu.
Die Krisis von 1873 ist nach allen Merkmalen die größte Weltwirtschaftskrise geworden. Keine frühere hat eine so bedeutende territoriale Ausdehnung [* 27] erfahren wie diese; von der Wiener Börse ausgehend, hat sie der Zeitfolge nach sich noch im J. 1873 über Italien, [* 28] Rußland, Nordamerika, Deutschland, England, Holland, Belgien, [* 29] einzelne Staaten von Südamerika [* 30] und Australien ausgebreitet und in den folgenden Jahren die übrigen europäischen Länder und Ostasien mit in ihren Wirkungskreis gezogen. Ebenso charakterisiert sich dieselbe dadurch, daß sie fast alle großen Welthandels- und ¶