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sich die zwei Hauptwurzeln, der Vorder- und der Hinterrhein, um vereint zunächst noch auf eine kurze Strecke die Längsthalrichtung des erstern fortzusetzen, dann aber bald in die Querthalrichtung nach N. umzubiegen. Gegen die Tiefe des Churer Rheinthales konvergieren alle Gewässer des bündnerischen Rheingebietes vom Oberalppass bis zum Silvrettagletscher. Chur ist darum auch trotz seiner im übrigen exzentrischen Lage von jeher der Verkehrsmittelpunkt und das politische Haupt Graubündens gewesen. Von hier aus führen die natürlichen Verkehrswege ins Vorder- und Hinterrheinthal, in die Albulathäler (inkl. Oberhalbstein und Davos) und in die Thäler des nordöstl. Bünden (Schanfigg und Prätigau) mit den Fortsetzungen über die Pässe ins Gotthard- und Tessingebiet, nach Italien, ins Engadin und weiter ins Etschgebiet.
Als Quelle des Vorderrheins
gilt der Tomasee am Badus. Er liegt 2344 m hoch in einer Bergnische, die von Ausläufern des Badus umrahmt ist, während der Gipfel des letztern selbst sich etwas abseits verbirgt. Die Geburtskammer des späterhin so stolz und mächtig werdenden Stromes ist dürftig ausgestattet und hält den Vergleich mit derjenigen etwa der Rhone oder der Aare nicht aus, da es ihr sowohl an hochragenden Gipfeln als an mächtigen Eisströmen fehlt. Der einzige Schmuck ist der dunkelgrüne, nur etwa 250 m lange und 10 m tiefe Tomasee, in den sich einige wie Silberfäden von den Hängen herabschäumende kleine Bäche ergiessen.
Der Ausfluss des Sees findet durch eine kleine Schlucht statt, die auf die schöne, weite Hochfläche der Alp Palidulscha führt. Hier gesellt sich ihm der Abfluss der Lais de Siarra zu, und schon hier treffen wir auf ein Gebiet veränderter Flussläufe, wie sie in Graubünden so häufig sind. Der Bach des Val Maigels floss einst über diese Hochfläche, bis er durch einen rascher erodierenden Seitenbach des Val Cornera angezapft und nach O. abgeführt wurde. Dieser Bach des Val Maigels wäre also ursprünglich die Quellader des Rheins gewesen und der Abfluss des Tomasees nur ein kleiner Seitenbach derselben.
Durch die angedeutete Veränderung wurde letzterer zum Rang des Quellbaches erhoben und eilt nun in zwei, durch die Fläche von Palidulscha getrennten Stufen erst östl., dann nördl. über Rasenhänge hinunter, bis er nach 2,5 km langem Lauf in 1710 m am Fuss der Oberalp sein Längsthal erreicht. Sein Fall bis hierher beträgt 634 m oder 25%. Hier erhält er auch einigen Zuzug durch mehrere kleine Bäche, die alle noch dem Gebirgsstock des Badus angehören. Längs einem derselben führt die Strasse in vielen Serpentinen hinauf zur Passhöhe der Oberalp.
Das nun folgende Längsthal zerfällt geologisch in drei Abschnitte. Der erste reicht bis Truns und verläuft in den krystallinen und halbkrystallinen Schiefern der Muldenzone zwischen den östl. Ausläufern des Aar- und des Gotthardmassivs, der zweite, von Truns bis Ilanz reichend, ist tief in Verrucano, der dritte bis Reichenau fast ganz in den Schuttberg des prähistorischen Flimser Bergsturzes eingeschnitten. Diese Sturzmasse bedeckt eine Fläche von 52 km2 bis 600 m hoch und füllt den Hohlraum aus zwischen den mesozoischen Kalken der linken und den tertiären Bündnerschiefern der rechten Thalseite, so dass das Rheinthal auch hier wie im obersten Abschnitt eine tektonische Grenze bildet.
Aber trotz der drei geologisch verschiedenen Abschnitte ist doch das ganze Thal insofern einheitlich gestaltet, als es in seiner ganzen Länge wesentlich ein Isoklinalthal bildet, indem die Gesteinsschichten auf beiden Thalseiten nach SO., resp. nach S. fallen, die linke Seite also aus im ganzen sanfter geböschten Schichtflächen, die rechte aus steiler abgebrochenen Schichtköpfen besteht. Da die linke Seite zudem auch die sonnigere ist, so halten sich die Siedelungen und Kulturen auch weit mehr an diese als an die rechte Seite.
Ursprünglich, als die Thalsohle noch 2000-3000 m höher lag, scheint übrigens das Vorderrheinthal ein Muldenthal gewesen zu sein. Durch fortschreitende Erosion schnitt sich das zuerst in der Höhe liegende Muldenthal immer tiefer in den Gebirgskörper ein und geriet so endlich in den Gewölbekern mit seinen gleichsinnig fallenden Schichten. Die erste Anlage, das ursprüngliche Synklinalthal, war also tektonisch, d. h. durch die Gebirgsfaltung, gegeben, die weitere Ausgestaltung, d. h. die Vertiefung um einige tausend Meter und damit die Umwandlung in das gegenwärtige Isoklinalthal erfolgte durch Erosion.
Eine eigentümliche Störung erlitt die Ausbildung dieses Thals gerade an seinem untern Ende durch den schon erwähnten Flimser Bergsturz. Dieser brach aus der grossen Felsnische des Segnesthals zwischen Piz Grisch und Flimserstein herunter und sperrte das Rheinthal durch einen etwa 15000 Millionen m3 fassenden Schuttberg abwärts bis Reichenau und Bonaduz, aufwärts bis Sagens und Kästris und im S. bis Valendas und Versam. Hinter ihm staute sich der Rhein zu einem langgestreckten See, dessen einstige Wasserstände man noch da und dort an alten Deltaresten und an Sand- und Kiesbänken erkennen kann.
Allmählig gelang es dann dem Rhein in jahrtausende langer Arbeit, diesen Schuttberg zu durchsägen und den See wieder zum Abfluss zu bringen. Die so entstandene Rheinschlucht samt den Seitenschluchten von Versam und Carrera und des Laaxer- und Flimserbachs gehören zum Wildesten und Eigenartigsten, was man in Graubünden sehen kann. Bis 200 m hoch ragen die ruinenartig zerfetzten Breccienwände empor und drohen jeden Augenblick den Einsturz. Dennoch wagte man es, die Eisenbahn von Reichenau nach Ilanz hier hindurch zu führen, musste sie aber auch durch mächtige Schutzbauten sichern und teilweise den Rhein in Korrektion nehmen. Uebrigens ¶