Archäische
Formationsgruppe (Azoische Formationen), die laurentische Gneis- und die huronische Schieferformation umfassend (s. d. u. Systeme).
Formationsgruppe (Azoische Formationen), die laurentische Gneis- und die huronische Schieferformation umfassend (s. d. u. Systeme).
(griech.), Nachahmung von etwas Altertümlichem, insbesondere veraltete Redeweise, dergleichen bei uns namentlich in der Gerichts- und aus Luthers Bibelübersetzung in der Kirchensprache gebräuchlich ist. In rechtem Maß angewendet, dienen Archaismen zur Erhöhung des Feierlichen und verleihen der Rede mehr Würde; doch haben sie auch leicht komische Wirkung und dürfen nicht auf Kosten der Deutlichkeit angewandt werden. Übrigens gibt es auch ganze Werke (z. B. Chattertons »Poems« und manche neueste Erscheinungen der deutschen Belletristik), denen in Ausdruck und Wendungen durchweg ein archaistisches, d. h. nachgeahmt-altertümliches, Gepräge gegeben ist. Gleicherweise spricht man in der bildenden Kunst von Archaïsmus oder archaistischem Stil und bezeichnet damit, im Gegensatz zu archaisch (wirklich alt), die bewußte und absichtliche Nachahmung der Darstellungsweise aus den Anfangsepochen der Kunst, wie sie z. B. bei den römischen Bildhauern der spätern Zeit vielfach vorkommt. Werke dieser Art bereiten der archäologischen Kritik oft nicht geringe Schwierigkeiten.
(Archángelsk), ein Gouvernement Großrußlands, umfaßt den nördlichsten Teil des Reichs, im N. vom Eismeer und Weißen Meer, im W. von Finnland, im S. von den Gouvernements Wologda und Olonez, im O. vom sibirischen Gouvernement Tobolsk begrenzt, hat mit Einschluß der dazu gehörigen Insel Nowaja Semlja (nach Strelbitskys Berechnung) einen Flächeninhalt von 858,560 qkm (15,593 QM.). An der westlichen Grenze streichen von N. nach S. die Manselkaberge, von denen aus nordöstlich ein niedriger Höhenzug sich durch die Halbinsel Kola erstreckt, wo er mit dem Swätoi Noß (»heiliges Vorgebirge«) am Eismeer endigt.
Östlich bildet der nördliche, niedrige Teil des Ural die Grenze gegen Sibirien. Meerbusen sind: der Tscheskajabusen, der Dwina-, Onega- und Kandalaskajabusen, sämtlich zum Weißen Meer gehörig und mit Inseln bedeckt;
der Kolabusen im äußersten Nordwesten.
Unter den zahlreichen Flüssen, die sämtlich von S. nach N. strömen, sind die Hauptströme: die Dwina, die Petschora, der Mesen und die Onega. Landseen zählt das Gouvernement über 1100, unter denen der Imandrasee, der Pawosero, Kunto, Angosero die bedeutendsten sind. Der nördlichste Teil des Gebiets bildet eine traurige und menschenleere, jeder europäischen Kultur unfähige Steppe, ohne Baum und Strauch, nur aus Tundren, d. h. mit Moosen bewachsenen, beinahe immer gefrornen Morästen, bestehend.
Die Küsten, tief und mannigfaltig eingerissen, tragen die Spuren der heftigsten Zerstörungen durch die Fluten. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt -0,9° C. (Januar -13,6,° Juli +16,4° C.). Die einzigen Nahrungszweige der spärlichen Einwohner sind außer der Renntierzucht Fischerei [* 2] und Jagd auf Pelztiere und Vögel, [* 3] die auf den Seen der Tundren nisten. Der Viehstand betrug 1876: 104,000 Stück Hornvieh, 124,000 Schafe, [* 4] 40,000 Pferde [* 5] und 228,000 zahme Renntiere.
Bei dem durch die nasse Frühlings- und Herbstwitterung, die langen, heißen, aber nebeligen Sommertage begünstigten Wieswuchs gedeiht die Rindviehzucht vortrefflich, während für Schafe die Weiden zu naß sind und das Schwein [* 6] im Winter schwer zu ernähren ist. Als wichtigste Jagdtiere sind der Polar- und der blaue Fuchs [* 7] sowie der zahlreich auftretende Wolf zu nennen. Seltener ist der Wald- und der Eisbär; noch seltener und in geringer Menge zeigen sich das Hermelin, der Baummarder, die Flußotter, der Vielfraß, das Eichhorn und der Hase. [* 8]
Das Elen [* 9] dagegen lebt nur noch in der Tradition, und auch Zobel und Biber sind hier längst vertilgt. Im J. 1880 zahlte man 10,425 professionelle Jäger, 409 weniger als 1879, welche für 110,394 Rubel Wild zu Markte brachten. Fisch- und Robbenfang wird von Gesellschaften im Meer hinauf bis an die Küste von Spitzbergen betrieben. Mit dem Fischfang auf Seen und Flüssen waren 1880: 8552 Personen beschäftigt, welche einen Ertrag von 81,646 Rub. erzielten;
dem Seehund-, Walroß- etc. Fang lagen 3790 Mann ob.
Von mineralischen Produkten ist Sumpfeisen in Menge vorhanden, bleibt aber unbenutzt. Günstiger als im äußersten Norden [* 10] gestalten sich die Boden- und klimatischen Verhältnisse in dem südlichen Teil des Gouvernements, wo die Region der Wiesen und Waldungen beginnt und von 62 bis 64° selbst der Ackerbau nicht ohne Erfolg betrieben wird. Man gewinnt kleinkörnigen Winterroggen, Sommerweizen, Gerste, [* 11] Hafer, [* 12] Flachs, Erbsen, Kartoffeln (bis zu 65°) und Hopfen. [* 13]
Jedoch reicht der Ertrag für den Bedarf nicht aus, und auch hier wird daher das im höhern Norden nicht ungewöhnliche Notbrot aus Lichen islandica oder aus Calla palustris mit Spreu etc. gebacken. Der unfruchtbarste Strich erstreckt sich östlich vom Pinegafluß bis zum Ural, wo die moorige Petschorasteppe sich ausdehnt. Die Waldungen nehmen fast ein Drittel des gesamten Flächenraums ein und liefern, aus Lärchen, Fichten, Tannen, Rüstern, Erlen, Birken und Weiden bestehend, Masten, Balken, Bretter, Pech, Teer, Terpentin und Kohlen in großen Quantitäten.
Zehn Sägemühlen (1882) verarbeiten die reichen Vorräte zu Balken und Brettern. Die Bevölkerung, [* 14] (1880) 301,666 Personen oder 0,4 pro QKilometer, setzt sich zusammen aus: Lappen, westlich vom Weißen Meer (etwa 5000 Köpfe stark, getaufte Nomaden, Jäger und Fischer);
Samojeden, rechts vom Mesen bis zum sibirischen Grenzgebirge, auf den Inseln Waigatsch, Kalgujew etc. (s. d.);
Syrjänen, südlicher als die vorigen, an der Petschora (s. d.), und Ostjaken (s. d.);
zwischen diesen Völkern als Kolonisten angesiedelt sind Finnen (der größte Teil der Ackerbau und Viehzucht [* 15] treibenden Bevölkerung) und Russen, vorzüglich in den Städten.
Industrie und Handel konzentrieren sich zum größten Teil in der Hauptstadt. Man zählte 1881 im ganzen Gouvernement 1635 Fabriken und industrielle Etablissements mit 2774 Arbeitern und einem Produktionswert von 2,705,167 Rubel. Nächstdem haben Onega, Mesen und Kola einigen Handelsverkehr. Lehranstalten gab es 1873: 87 mit 4332 Schülern. Das Gouvernement zerfällt in sieben Kreise: [* 16] Archangel, Pinega, Mesen, Onega, Kem, Cholmogory und Schenkursk.
Die Hauptstadt Archangel (»Michaelsstadt«),
am rechten Ufer der Dwina gelegen, zerfällt in die Alt- und Neustadt, [* 17] beide zum größten Teil aus Holzgebäuden bestehend, und zählt (1881) 17,772 Einw. Archangel hat 13 Kirchen (darunter eine evangelische), ein altes Kloster (zum heil. Michael, nach dem die Stadt benannt ist), einen 1668-84 erbauten großen Kaufhof und eine große Schiffswerfte, zahlreiche Fabriken (besonders Zuckersiedereien und große Seilerbahnen) und eine bedeutende Messe, die Margaritiussche (1. Sept. bis wurden für 1,216,000 Rub. Waren herangeführt, für 740,000 weniger als 1879, und für 851,000 Rub. verkauft). Archangel ist der Hauptseehafen Rußlands am Eismeer, der große Stapelplatz des Handelsverkehrs auf der Dwina, die allerdings durchschnittlich ¶
191 Tage mit Eis [* 19] bedeckt ist. Im Verkehr von Archangel spielt die Ausfuhr die bei weitem wichtigste Rolle; sie betrug 1883: 7,460,450 Rub., während die Einfuhr nur einen Wert von 760,740 Rub. repräsentierte. Exportiert wurden namentlich: Hafer 530,564 hl, Mehl [* 20] und Grütze 5 ⅓ Mill. kg, Flachs 65,378 metr. Ztr., Werg 37,713 metr. Ztr., Dielen 306,478 Stand.-Dtzd., Leinsaat 90,194 hl. Die Einfuhr bestand im wesentlichen aus Salz, [* 21] Stockfisch, Wein, Olivenöl u. a. Die Ausfuhr vermittelten 347 Seeschiffe und 192 Küstenfahrer.
Von deutschen Schiffen gingen 98 ein und aus, 81 davon liefen mit Ballast ein. Der lebhafteste Verkehr wurde mit Skandinavien und Großbritannien [* 22] unterhalten. Archangel ist die vierte Hauptstadt des Reichs, Sitz eines Zivilgouverneurs, eines Bischofs, eines deutschen Konsuls und einer Admiralität und besitzt ein geistliches Seminar, ein Gymnasium und eine Schiffahrtsschule. Auf den Triften der Umgegend von Archangel blüht die Viehzucht. An der Mündung der Dwina liegt die Festung [* 23] Nowodwinskaja, 1701 von Peter d. Gr. zum Schutz des Fahrwassers erbaut. - Schon im 10. Jahrh. hatten die Normannen in der Gegend von Archangel Handelsniederlassungen gegründet; wichtig wurden dieselben aber erst, als 1553 die Engländer auf einer von Willoughby und Chancellor geleiteten Expedition zur Entdeckung der nordöstlichen Durchfahrt den Seeweg nach der Dwinamündung gefunden hatten.
Der infolgedessen sich lebhaft entwickelnde Handelsverkehr zwischen den Russen und Engländern, welchen der Zar das Recht zur Niederlassung und bedeutende Privilegien verlieh, veranlaßte 1584 die Anlegung eines Forts und sichern Stapelplatzes an der St. Nikolasbucht im Weißen Meer, und es entstand dabei ein Ort, der anfangs Neu-Cholmogory (im südlicher gelegenen Cholmogory hatten die Engländer bis dahin ihre Hauptniederlage), später Archangel (Michaelsstadt) genannt wurde.
Bald befuhren auch holländische, norwegische und deutsche Schiffe [* 24] den neuen Handelsweg, und die junge Stadt gelangte in kurzer Zeit trotz der Aufhebung der englischen Privilegien unter dem Zaren Alexei Michailowitsch zu einer großen Bedeutung, die sie bis auf Peter d. Gr. behauptete. Als dieser, um St. Petersburg [* 25] zu begünstigen, einen Teil der russischen Kaufleute in Archangel zwang, nach der neuen Hauptstadt überzusiedeln, und Archangel obendrein mit höhern Zöllen belastete, sank Archangels Handel sehr und begann erst unter Katharina II., welche die ungünstigen Bestimmungen Peters aufhob, sich wieder etwas zu heben. In neuerer Zeit wurde er besonders durch Alexander I., der den dortigen Kaufleuten ansehnliche Freiheiten gewährte, gefördert.
Vgl. Poschmann, Beschreibung des Gouvernements von Archangel (russisch, Archang. 1874, 2 Bde.).