deutsehen Ursprungs beigemischt sind. Hauptbeschäftigung der Bewohner sind Ackerbau und Viehzucht. Seit der Eröffnung der
Gotthardbahn hat auch die Fremdenindustrie einen grossen Aufschwung genommen. Steinbrüche in Pollegio, Giornico, Chiggiogna,
Chironico und Lavorgo. Die männlichen Bewohner wandern oft in grosser Zahl nach Italien, Frankreich, England und den Vereinigten
Staaten aus, um als Glaser, Kastanienbrater, Flachmaler, Hotelangestellte etc. ihr Brot zu verdienen.
Die Viehstatistik ergibt folgende Zahlen:
1886
1896
1901
Rindvieh
6591
6107
5344
Pferde
45
54
76
Schweine
1046
1227
1333
Schafe
2855
2394
2303
Ziegen
8015
6239
5744
Bienenstöcke
205
168
292
Die untern Berghänge tragen Aecker und Wiesen; weiter oben folgen der Reihe nach prachtvolle Nadelwälder
und Alpweiden (40 an Zahl). Herstellung von ausgezeichnetem und sehr geschätztem Käse. Im Bezirk liegen verschiedene kleine
Bergseen, so die Seen auf dem Gotthard und der Lago Ritom im Val Piora (der grösste der Tessiner Alpenseen). Die bedeutendsten
Gletscher sind der Pescioragletscher n. über dem Bedrettothal, der Lucendrogletscher auf dem Gotthard
und der Campo Tenciagletscher, dem der WildbachPiumogna entspricht, dessen prachtvoller Wasserfall über Faido jedem Reisenden
auf der Gotthardbahn bekannt ist.
Höchste Gipfel im Bezirk: Pizzo di Pesciora (3123 m), Pizzo Rotondo (3197 m), PizzoLucendro (2959 m), Pizzo Forno (2909
m), Fibbia (2742 m), Monte Prosa (2738 m), Pizzo Pettine (2722 m) und Pizzo Molare (2583 m). Im Winter und Frühjahr sind das
Bedrettothal, Val Tremola und das obere Livinenthal von Airolo bis Ambri oft der Lawinengefahr ausgesetzt; doch haben die unter
Beihilfe von Kanton und Bund ausgeführten Verbauungsarbeiten die Zahl der Lawinen schon beträchtlich
vermindert.
Ossasco im Bedrettothal besitzt eine kalte Kochsalz-Magnesiaquelle, die aber nur wenig benutzt wird. Die Luft ist leicht,
trocken und frisch, der Himmel gewöhnlich klarblau. Im Uebrigen wechselt das Klima natürlich mit der Höhenlage. In der
untersten Zone gedeihen die Weinrebe (bis zu 600 m), der Pfirsichbaum, Maulbeerbaum, Birnbaum, Kirschbaum,
Nussbaum und Kastanienbaum (bis zu 900 m); höher oben finden sich Wiesen und Weiden. Der Ackerbau beschränkt sich in der Hauptsache
auf Roggen, Gerste und Kartoffeln. Jagdbare Tiere sind Gemse, Murmeltier, Fuchs, Dachs, Rebhuhn, Auerwild etc. Die Leventina
wird von der Kantonsstrasse und der Gotthardbahn durchzogen, die hier verschiedene Tunnels (Kehrtunnels
der Biaschina und des Monte Piottino) unterfährt.
Bei Lavorgo hat man Steingräber aufgedeckt, die keltischen Ursprunges sein sollen. Mehrere sehr alte Türme, so in Faido, Chironico,
Giornico; Turm- und Burgruinen in Stalvedro, bei Airolo, in Giornico etc. Die Leventina wurde 1440 von den Urnern
erobert, die sie als Untertanenland verwalteten. 1478 fand die Schlacht bei Giornico statt, in der die Bewohner der Leventina
an der Seite der Eidgenossen gegen die Mailänder kämpften. 1755 brach ein allgemeiner Aufstand
gegen Uri
los, der aber bald unterworfen
und hart bestraft wurde. 1799 beraubten die österreichischen Truppen das kleine Zeughaus zu Giornico seiner
Kanonen und übrigen Waffen. 1803 endlich ward die Leventina mit den übrigen Tessiner Vogteien zusammen zum selbständigen Kanton Tessin
vereinigt.
Die Leventina bildete ehedem eine einzige Gemeinde die später in Nachbarschaften (vicinanze) eingeteilt wurde. Diese zerfielen
wieder in Korporationen (degagne), vor denen heute noch einige bestehen (gemeinsame Alpweiden und Waldungen).
Von berühmten und verdienten Bürgern der Leventina sind zu nennen: der Hauptmann Stanga, der Held der Schlacht bei Giornico;
Pater Angelico, der Geschichtschreiber des Thales;
der 1857 in Bern
gestorbene Stefano Franscini, Mitglied des ersten schweizerischen
Bundesrates. Im Tessin
wird Franscini allgemein der Vater der Volksschule genannt, da ihm der Kanton die Einrichtung
der ersten Volksschulen verdankt. Er war auch ein ausgezeichneter Statistiker und schrieb eine vorzügliche Statistica dellaSvizzera, sowie mehrere historische und volkstümliche Werke.
Sein vom Tessiner Bildhauer Soldini (in Mailand) geschaffenes
Standbild schmückt den Hauptplatz von Faido.
(Valle) deutsch Livinenthal (Kt. Tessin).
Im geographischen Sinn bezeichnet der Name Livinen den mittleren
Abschnitt des Thales des Tessin
von Airolo bis Biasca, während der Tessiner Bezirk Livinen daneben noch das Bedrettothal mit seinen
Verzweigungen, sowie das Val Canaria und Val Piora umfasst. Nach oben geht das Livinenthal durch die Stalvedroschlucht in das
Bedrettothal, nach unten in die Riviera über. Rechts wird das Thal von der Kette des Campo Tencia, links von der Kette des
Pizzo Molare begleitet.
Jene trennt es von den obersten Stufen des Maggia- und Verzascathales, diese vom Val Piora, Val Santa Maria und Val Blenio. Beide
Ketten bestehen fast ausschliesslich aus schönem, glimmerreichem Gneis von heller Farbe; blos am rechtsseitigen
Gehänge der obern Leventina stehen auch Glanzschiefer an, die dann im Bedrettothal vorherrschen. Der Einförmigkeit im geologischen
Bau entspricht die für den Kanton Tessin
charakteristische Einförmigkeit im orographischen Bau der Ketten und Thäler. So sehen sich
z. B. Gipfel und Thäler eines grossen Abschnittes an der rechten Seite der Leventina oft fast zum Verwechseln
gleich.
Leventina (Valle)
* 3 Seite 43.137.
Immerhin gibt es auch hier grossartige Landschaftsbilder mit mächtigen Felswänden, die in einem Schwung aus der Thalsohle
bis zu den Hochgipfeln aufsteigen. Diese letzteren weichen an Höhe nur wenig voneinander ab. Einzig der Campo Tencia und
seine nächsten Nachbarn erheben sich etwas über 3000 m (höchster Punkt 3075 m) und besitzen einige kleine Firnfelder und
Gletscher. Die übrigen Gipfel halten sich fast alle zwischen 2600 und 2800 m: Pizzo Massari (2762 m), Poncione Tremorgio (2677
m), Pizzo Campolungo (2680 und 2721 m), Uomo di Campionigo (2785 m), Cima Bianca (2630 m). Ueber 2800 m
steigen einige Nachbarn des Campo Tencia, so der Pizzo Ganna (2949 und 2960 m), Pizzo Barone (2861 m) und Pizzo Forno (2909 m).
Die in die Flanken dieser Kette eingeschnittenen 10 rechtsseitigen Nebenthäler der Leventina sind alle nach
¶
mehr
Airolo in der Leventina, gegen S.
demselben Muster geformt; die grössten sind das Val Piumogna, Val Chironico und Val d'Ambra. Es sind von mächtigen Felswänden
umrahmte hohe Mulden oder Nischen mit ungeheuren Schutthalden und magern Alp weiden, die in einer Höhe von mehreren hundert
Metern über der Sohle des Hauptthales endigen. Von diesem sind die engen, im Wald versteckten Schluchtmündungen
der Seitenthäler kaum zu erkennen. Nur oben erblickt man Lücken in der Bergwand, die die Lage jener Mulden und Nischen andeuten.
Die Bäche aus denselben erreichen den Hauptfluss nur durch enge, spaltenförmige Klammen oder stürzen in zahlreichen Kaskaden
über die Wände herunter. Die Leventina steht mit dem Maggiathal und Verzascathal nur über wenige u.
meist mühselige Pässe in Verbindung. Die besten sind der Passo di Naret (2443 m), Passo Sassello (2346 m) und Passo Campolungo
(2324 m), die alle von der obern Leventina ins Val Lavizzara hinüberführen. Die die Leventina auf der linken Seite begleitende
Kette des Pizzo Molare bildet einen leicht geschwungenen, mächtigen Wall und hat einen einfacheren Bau.
Der SO.-Zweig der Kette bildet einen breiten Rücken, der sich nur wenig über die Waldgrenze erhebt und
bis zu oberst mit Rasen bewachsen ist. Von seinem höchsten Punkt, dem Piz Erra (2420 m), senkt sich der schöne Waldkamm des
Monte di Sobrio bis zur Vereinigung der Leventina mit dem Bleniothal bei Biasca ab. Dieser linksseitige Thalhang ist nicht wie
der gegenüberliegende von kleinen Thälern durchfurcht, und die zahlreichen ihn entwässernden Bäche haben sich noch kein
tief eingeschnittenes Bett gegraben; einzig der bei Bodio mündende Vallone ist ein steiniges und wildes Tobel, dem aber ein
thalförmiges oberes Becken ebenso fehlt wie den anderen.
Prato in der Leventina.
Die 34 km lange Leventina ist der abwechslungsreichste der drei Abschnitte des Tessinthales. Die zwei
Schluchten von Dazio Grande und der Biaschina teilen ihn in drei Stufen, die
man nach ihren grössten DörfernQuinto, Faido und
Giornico oder auch einfach als obere, mittlere und untere Leventina bezeichnen kann. Das Thal wird seiner ganzen Länge
nach von der Kantonsstrasse und der Gotthardbahn durchzogen, die hier beide bemerkenswerte Kunstbauten
(Gallerien, Tunnels, kühne Brücken etc.) nötig gemacht haben.
Besonders zu nennen sind die vier grossen Kehrtunnels der Bahn, von denen zwei in der Schlucht von Dazio Grande den Monte Piottino
unterfahren und zwei in der Biaschina sich finden. Die beiden obern Tunnels sind der von Freggio am linken
Ufer und der von Prato am rechten Ufer, die beiden untern die von Piano Fondo und Trasi, beide am rechten Ufer und fast direkt
übereinander liegend. Die durch die erwähnten Schluchten voneinander getrennten Thalstufen haben eine nur wenig geneigte,
flache Sohle und sind vielleicht die Becken einstiger Seen; der Tessin
durchzieht sie in zahlreichen Serpentinen
und teilt sich in den von ihm selbst abgelagerten Kies- und Sandbänken oft in mehrere Arme. Er tritt hier noch ziemlich häufig
über seine Ufer und setzt seine Aufschüttungsarbeit fort, wobei er durch zahlreiche Wildbäche, namentlich
aus der rechtsseitigen Bergkette, unterstützt wird.
Aus diesem Grund stehen die Ortschaften fern vom Flussufer und von den Wildbachmündungen an den Hängen, die sich zu beiden
Thalseiten unten an die Felswände anlehnen. Andere liegen malerisch zerstreut auf hohen Terrassen, besonders am linken,
weniger zerschnittenen und sonnenreicheren Gehänge. Die oberste Thalstufe, die von Quinto, die von der
Schlucht von Stalvedro bis zu derjenigen von Dazio Grande reicht, ist 10 km lang, fällt von 1050 bis 950 m und hat somit eine
mittlere Sohlenhöhe von 1000 m. Landschaft und Pflanzenkleid zeigen hier noch alpinen Charakter: Obstbäume sind selten,
und die Hänge sind, besonders auf der linken Seite, nur dürftig bewaldet;
in den Wiesen und Aeckern sieht
man überall hohe Pfosten- und Lattengestelle (sog. Korngalgen oder Rescane), die wie im Bündner Oberland zum Trocknen des
Roggens und der Gerste dienen, da der Boden des starken Regenfalles wegen hiezu zu feucht ist.