Lérmontow
,
Michail Jurjewitsch, einer der größten russ. Dichter, geb. 3. Okt. (a. St.) 1814, erhielt nach dem Tod seiner 21jährigen Mutter, einer Deutschen, im Hause seiner Großmutter eine sorgfältige Erziehung und gründlichen Unterricht in den modernen Sprachen, machte im 10. Lebensjahr mit seiner Großmutter eine Reise nach einem Badeort am Kaukasus, absolvierte 1830 das akademische Gymnasium zu Moskau [* 2] und bezog die dortige Universität. Wegen eines Jugendstreichs relegiert, ging er nach Petersburg [* 3] und kam 1832 ins Pagenkorps, von wo aus er als Offizier in die Garde trat, ward aber infolge eines racheheischenden Gedichts auf den Tod Puschkins, eines seiner berühmtesten Gedichte, betitelt: »Na smért poeta« (»Auf den Tod des Dichters«),
1837 von der
Garde entfernt und nach dem
Kaukasus geschickt. Zwar wurde er nach ein paar
Monaten begnadigt und in die
Garde zurückversetzt, doch mußte er infolge eines
Duells mit dem Sohn des französischen
Botschafters
Barante 1840 zum zweitenmal
in den
Kaukasus wandern, wo ihm bald darauf ein zweites
Duell den
Tod brachte; die
Kugel seines Gegners
Martynow, eines
Kollegen und
Freundes, traf ihn mitten ins
Herz.
Sein
Leichnam wurde im März 1842 auf das
Gut seiner Großmutter,
Frau Arssenjew, im
Kreis
[* 4] Tschembary
(Gouvernement
Pensa) gebracht und dort bestattet. Lérmontow
war ein begeisterter und äußerst talentvoller
Anhänger und Mitstrebender
Puschkins und gehörte zu den rein subjektiven Dichtern.
Frühzeitig abgestumpft für jeden Lebensgenuß, ward er einer der bedeutendsten Vertreter Byronscher »Zerrissenheitspoesie«, die in seinen Dichtungen das rastlose Ringen eines einsamen, freien und vornehmen Geistes gegen den Druck einer unerbittlichen Autokratie offenbarte. ist bedeutend in der Lyrik und groß in der poetischen Erzählung; namentlich war es die großartige Gebirgswelt des Kaukasus, die ihn zu den schönsten und bedeutsamsten seiner Poesien begeisterte.
Die vorzüglichsten seiner byronisch gefärbten, durch Kühnheit und Genialität der Behandlung hervorragenden epischen Gedichte, wie: »Mzyry« (»Der Novize«),
»Ismail Bey«, »Walérik«, »Hadshi-Abrek«, »Kasnatscheíscha« (»Die Rentmeisterin«),
»Der Dämon« etc., spielen fast alle im Kaukasus. Am originellsten aber erweist er sich in dem echt nationalen kleinrussischen »Lied vom Zaren Iwan Wasiljewitsch«, das Geist und Form altslawischer Volkspoesie mit naiver Treue wiedergibt. Sein vortrefflicher Roman »Geroí náschego wrémeni« (»Der Held unsrer Zeit«, mehrfach ins Deutsche [* 5] übersetzt) ward Anlaß zu dem Zweikampf, der ihm ¶
mehr
das Leben kostete. Ausgaben seiner sämtlichen Werke erschienen mehrfach in Petersburg, zuletzt 1886. Ins Deutsche sind Lermontows
Gedichte wiederholt übertragen worden, am besten von A. Ascharin (Dorpat
[* 7] 1877). Die Authentizität der Gedichte in Bodenstedts
Veröffentlichung »M. Lermontows
poetischer Nachlaß« (Berl. 1852) wird von russischen Litterarhistorikern bestritten. Die
russischen Originale sind nicht vorhanden.
Vgl. »Russkaja Starina« 1887, Nr. 5.