Titel
Lepsius
,
1) Karl Peter, Geschichtsforscher, geb. zu Naumburg [* 2] a. d. Saale, studierte in Leipzig [* 3] und Jena [* 4] die Rechte, ward 1810 Stadtrichter und 1812 Finanzprokurator in seiner Vaterstadt, 1815 Direktor des Inquisitoriats daselbst und 1817 Landrat des Kreises Naumburg, nahm aber 1841 seine Entlassung und lebte seitdem historisch-antiquarischen und archäologischen Forschungen. Er starb in Naumburg. Er schrieb eine urkundliche Geschichte der Bischöfe von Naumburg (Bd. 1, Naumb. 1846). Eine Sammlung seiner kleinen Schriften, die namentlich die Geschichte Naumburgs und der Schlösser Rudelsburg und Saaleck betreffen, veranstaltete Schulz (Magdeb. 1854-55, 3 Bde.). ist auch Stifter des Thüringisch-Sächsischen Vereins für Altertumskunde zu Naumburg, der 1823 nach Halle [* 5] verlegt wurde.
2)
Karl
Richard, einer der ausgezeichnetsten
Ägyptologen, Sohn des vorigen, geb. zu
Naumburg, studierte in
Leipzig,
Göttingen
[* 6] und
Berlin
[* 7]
Philologie und vergleichende Sprachkunde, promovierte 1833 mit der
Schrift
»De tabulis
Eugubinis« und setzte hierauf seine
Studien in
Paris
[* 8] fort, wo seine
Schrift
»Paläographie als
Mittel der Sprachforschung« (Berl.
1834; 2. Aufl., Leipz. 1842) von der
Akademie den Volneyschen
Preis erhielt. Im nächsten Jahr folgten seine ebenfalls vom
Institut gekrönten Abhandlungen: »Über die
Anordnung und
Verwandtschaft der semitischen, indischen, altgriechischen, altägyptischen
und äthiopischen
Alphabete« und »Über den Ursprung und die
Verwandtschaft der
Zahlwörter in den koptischen, indogermanischen
und semitischen
Sprachen«. 1835 begab sich Lepsius
nach
Italien.
[* 9] In
Rom
[* 10] schrieb er auch seine berühmte
»Lettre à
Mr.
Rosellini sur
l'alphabet hiéroglyphique« (1837),
worin er eine wissenschaftliche Theorie der Hieroglyphenschrift aufstellte. Er lieferte sodann die ersten fehlerfreien Ausgaben umfangreicherer altägyptischer Texte, wie: »Auswahl der wichtigsten Urkunden des ägyptischen Altertums« (Leipz. 1842, in 23 Tafeln) und das »Totenbuch der Ägypter nach dem hieroglyphischen Papyrus in Turin« [* 11] (das. 1842),
welch letzteres den Standardtext des heiligen
Buches der alten Ägypter enthält, der von Lepsius
durch eine
spätere
Publikation noch ergänzt wurde, nämlich durch:
Ȁlteste
Texte des
Totenbuchs nach
Sarkophagen des altägyptischen
Reichs im
Berliner
[* 12]
Museum« (Berl. 1867). Daneben benutzte Lepsius
seinen Aufenthalt in
Italien zu Forschungen über die etruskische
und oskische
Sprache,
[* 13] deren Überreste er in den »Inscriptiones umbricae et oscae«
mit einem erläuternden
Kommentar (Leipz. 1841) herausgab, und zu denen zwei Abhandlungen: Ȇber
die tyrrhenischen
Pelasger in
Etrurien« und »Über die Verbreitung des italienischen Münzsystems
von
Etrurien aus« (das. 1842), gehören. In
England entwarf er mit
Bunsen den
Plan zu einem großen historisch-antiquarischen
Werk über
Ägypten.
[* 14]
Die zur Ausführung desselben notwendige
Reise nach
Ägypten ward auf
Humboldts
Vorstellung vom König von
Preußen
[* 15] genehmigt, und die Expedition, aus deutschen, zum Teil auch englischen Künstlern und
Gelehrten bestehend, segelte
im Juli 1842 von
England ab. Vom
Vizekönig
Mehemed Ali begünstigt, verweilte sie drei Jahre in
Ägypten und erzielte die glücklichsten
Resultate. Anfang 1846 kehrte Lepsius
über
Konstantinopel
[* 16] in die
Heimat zurück und wurde zum ordentlichen
Professor
in
Berlin ernannt, 1850 aber zum Mitglied der
Akademie der
Wissenschaften erwählt. Er wirkte auch bei der Einrichtung und Ausschmückung
des
Ägyptischen
Museums in
Berlin mit; im
November 1855 wurde er zum Mitdirektor und 1865 zum
Direktor des
Ägyptischen
Museums
ernannt, über dessen Wandgemälde und
Altertümer er mehrere erklärende Verzeichnisse veröffentlichte.
Von dem großen, auf königliche
Kosten herausgegebenen Prachtwerk
»Denkmäler aus
Ägypten und
Äthiopien« erschienen 12
Bände
größten
Formats mit 963 Tafeln (Berl. 1849-60). Es ist dieses
Corpus inscriptionum eins der größten und kostbarsten Werke,
welche je veröffentlicht worden sind, und reichhaltiger und korrekter als die ähnlichen Werke
Rosellinis,
Leemans' u. a. Nach historischen
Gesichtspunkten geordnet, bildet dies Werk die Grundlage aller ägyptischen
Altertums- und
Sprachenkunde. Zur wissenschaftlichen Behandlung der ägyptischen Geschichte lieferte Lepsius
in seiner
»Chronologie der Ägypter«
(Berl. 1849, Bd. 1) und dem »Königsbuch
der alten Ägypter« (das. 1858) wichtige Beiträge. Für das größere
Publikum gab er die ebenso unterhaltenden wie belehrenden
»Briefe aus
Ägypten,
Äthiopien und der
Halbinsel des
Sinai« (Berl.
1852) heraus.
Einen bedeutenden
Gewinn von Lepsius'
Reise hatte endlich auch das
Berliner
Neue
Museum. Seine in
Ägypten gemachte Sammlung von Originaldenkmälern
und
Gipsabgüssen bildet mit der ältern von v.
Minutoli, Passalacqua und Drovetti den wertvollsten und
wesentlichsten
Bestandteil der ägyptischen Abteilung des
Museums. Weitere Einzelforschungen legte Lepsius
in zahlreichen akademischen
Abhandlungen nieder, z. B.: Ȇber den ersten
ägyptischen Götterkreis« (Berl. 1851);
»Über einige Ergebnisse der ägyptischen Denkmäler für die Kenntnis der Ptolemäergeschichte« (das. 1853);
»Über die 12. ägyptische Königsdynastie« (das. 1853);
»Über die Götter der vier Elemente« (das. 1856);
»Über die 22. ägyptische Königsdynastie« (das. 1856);
»Über die Manethonische Bestimmung des Umfangs der ägyptischen Geschichte« ¶
mehr
(das. 1857);
»Über einige Berührungspunkte der ägyptischen, römischen und griechischen Chronologie« (das. 1859);
»Die altägyptische Elle und ihre Einteilung« (das. 1865);
»Grundplan des Grabes König Ramses' IV. in einem Turiner Papyrus« (das. 1867);
»Über den chronologischen Wert der assyrischen Eponymen« (das. 1869);
»Über einige ägyptische Kunstformen« (das. 1871);
»Die Metalle in den ägyptischen Inschriften« (das. 1872);
»Die babylonisch-assyrischen Längenmaße nach der Tafel von Senkereh« (das. 1877).
Daneben hat Lepsius
sprachvergleichende Untersuchungen angestellt, wie
eine Reihe von Abhandlungen bekundet, z. B.: Ȇber
chinesische und tibetanische Lautverhältnisse« (1861);
»Über die arabischen Sprachlaute und deren Umschrift« (1861);
»Über das Lautsystem der persischen Keilschrift« (1863);
»Über das ursprüngliche Zend-Alphabet« (1863).
Als
besondere Aufgabe hatte sich Lepsius
seit 1855 die Aufstellung und Einführung eines allgemeinen linguistischen Alphabets gestellt.
In der 2. Auflage des zuerst 1855 von ihm herausgegebenen »Standard alphabet for reducing unwritten languages and foreign graphic
systems to an uniform orthography in European letters« (Lond. 1863)
hat er die Umschrift von 120 Sprachen versucht. Seit 1864 Redakteur der von Brugsch gegründeten »Zeitschrift für ägyptische
Sprache und Altertumskunde«, die er zu einem internationalen Organ der Wissenschaft erhoben hat, unternahm Lepsius
im Frühling 1866 eine
zweite Reise nach Ägypten und fand in den Ruinen von San im Delta
[* 18] (Tanis) eine sehr wichtige Inschrift (s.
Hieroglyphen, S. 518 f.), die er veröffentlichte: »Das bilingue Dekret von Kanopus« (Berl. 1866). Weiter lieferte eine »Nubische
Grammatik mit einer Einleitung über die Völker und Sprachen Afrikas« (Berl. 1880),
zu der er das Material während der von ihm geführten wissenschaftlichen Expedition gesammelt hatte. Sein letztes Werk waren die »Längenmaße der Alten« (Berl. 1884). Als Professor an der Berliner Universität, als Direktor der ägyptischen Abteilung der königlichen Museen, als Mitglied der Akademie der Wissenschaften, als Direktor des archäologischen Instituts und Mitglied zahlreicher gelehrter Gesellschaften hatte eine sehr ausgedehnte Wirksamkeit. 1873 wurde er zum Oberbibliothekar der königlichen Bibliothek zu Berlin, 1883 zum Geheimen Oberregierungsrat ernannt. Nachdem er 22. April d. J. sein 50jähriges Doktorjubiläum gefeiert, starb er
Vgl. Dümichen, Zur Erinnerung an R. Lepsius
(Straßb. 1884);
Dillmann, Gedächtnisrede auf R. Lepsius
(Berl.
1885);