Leopardi
,
Giacomo, Graf, einer der größten neuern Dichter Italiens [* 2] und ausgezeichneter Philolog, geb. zu Recanati in der Mark Ancona, [* 3] widmete sich mit solchem Eifer dem Studium der klassischen Litteratur, daß er sich bereits mit 16 Jahren eine vollkommene Kenntnis des Lateinischen und Griechischen und zwar des letztern lediglich durch Selbststudium erworben und den größten Teil der alten Schriftsteller gelesen hatte. Schon in diese Zeit fallen seine ersten philologischen Arbeiten, wie seine Ausgabe und Übersetzung von Porphyrios' »De vita Plotini«, die »Commentarii de vita et scriptis rhetorum quorumdam« u. a., welche jedoch fast sämtlich ungedruckt geblieben sind. Ihnen folgte 1815 der »Saggio sopra gli errori popolari degli antichi«, der aber erst lange nach seinem Tod (Flor. 1846, 5. Aufl. 1859) gedruckt wurde, sowie verschiedene Übersetzungen und eine Reihe von Abhandlungen über Gegenstände der klassischen Litteratur, welche auch außerhalb Italiens Aufmerksamkeit erregten.
Bei Leopardis
hoher
Begeisterung für ein einiges und starkes
Italien
[* 4] wurde seine Beschäftigung mit dem klassischen
Altertum
für ihn eine
Quelle
[* 5] des tiefsten
Schmerzes über die traurigen politischen Zustände seines Vaterlandes, während gleichzeitig
die angestrengte Geistesarbeit seinen von
Jugend auf schwächlichen
Körper mehr und mehr zerrüttete.
Hieraus entwickelte sich jene trübe Gemütsstimmung und trostlose Weltanschauung, welche schon in seinem ersten Gedicht,
der
»Ode an
Italien« (1818),
mehr noch in dem Gedicht auf das in
Florenz
[* 6] projektierte
Dante-Monument (1818) und in der
Kanzone
an
Angelo Mai bei Gelegenheit der Auffindung von
Ciceros
Schrift
»De re publica« ihren
Ausdruck fand. 1822 begab
sich Leopardi
nach
Rom,
[* 7] wo er unter anderm seine kritischen Bemerkungen über
Mais und Zohrabs
Ausgabe der
Chronik des
Eusebios in den
»Efemeridi letterarie« erscheinen ließ. Diese
Arbeit verschaffte ihm die Bekanntschaft
Niebuhrs, des damaligen preußischen
Gesandten am päpstlichen
Hof,
[* 8] der ihn für eine Professur an der
Universität
Berlin
[* 9] zu gewinnen suchte.
Doch erlaubte des Dichters zerrüttete Gesundheit nicht, den Vorschlag anzunehmen. Fast von Mitteln entblößt und durch zunehmende Krankheit genötigt, seinen gelehrten Studien zu entsagen, kehrte er nach Recanati zurück, wo jedoch seine melancholische Stimmung durch die Kleinlichkeit der Zustände und durch sein Verhältnis zu seinem streng katholisch gesinnten Vater neue Nahrung fand und ihn an die äußersten Grenzen [* 10] des Skeptizismus und Pessimismus führte. In dieser Stimmung entstand unter anderm seine hochberühmte Ode »Bruto minore«, die er später mit einer »Comparazione delle sentenze di Bruto minore e di Teofrasto, vicini a morte« begleitete.
Auch veranstaltete er hier die erste Sammlung seiner »Canzoni« (Bologna 1824). Er verließ 1825 zum zweitenmal das väterliche Haus und lebte in den nächsten acht Jahren abwechselnd in Mailand, [* 11] Bologna und Florenz. Zu seinem Lebensunterhalt auf den Ertrag seiner Feder angewiesen, wurde er thätiger Mitarbeiter an der Florentiner [* 12] »Antologia«, veranstaltete eine Ausgabe des Petrarca mit vortrefflichem Kommentar, zwei italienische Chrestomathien u. a. Eine zweite Sammlung seiner Gedichte erschien unter dem Titel: »Versi« (Bol. 1826);
dieser folgten seine »Operette morali« (Mail. 1827; neue Ausg., Flor. 1834), eine Reihe meistens in dialogischer Form abgefaßter Aufsätze voll der feinsten Beobachtungen und bezüglich der Schreibart eins der vollkommensten Muster italienischer Prosa.
Seine zunehmende
Krankheit nötigte ihn 1833, nach
Neapel
[* 13] überzusiedeln. Hier legte er die letzte
Hand
[* 14] an eine neue
Ausgabe seiner lyrischen Gedichte, welche 1836 in
Florenz erschien
und den ersten
Band
[* 15] einer vollständigen Sammlung seiner italienischen Werke bilden sollte. An der Fortsetzung
aber verhinderte ihn der
Tod. Nach kurzer, scheinbarer Besserung starb er plötzlich Seine Gedichte sind nicht
zahlreich und fast sämtlich Ausflüsse einer trostlosen Weltanschauung, gehören aber durch Schwung, Gedankentiefe und
Schönheit
des
Ausdrucks zu den schönsten
Blüten der italienischen
Lyrik. Deutsche
[* 16] Übersetzungen derselben lieferten
Kannegießer
(Leipz. 1837),
Hamerling (Hildburgh. 1866) und P.
Heyse (Berl. 1878). Eine Sammlung von Leopardis
poetischen und prosaischen
Werken gab sein
Schwager
Ranieri heraus
(Flor. 1845, 2 Bde.; 3. Aufl.
1856), und ein Teil seiner philologischen
Schriften wurde von Pellegrini und
Giordani unter dem
Titel:
»Studi filologici di G.
Leopardi«
(das. 1845, 2. Aufl. 1853)
gesammelt.
Eine neue Ausgabe seiner poetischen Werke erschien Leipzig [* 17] 1874; »Opere inedite« veröffentlichte Cugnoni (Halle [* 18] 1878-80, 2 Bde.). Sein Briefwechsel (»Epistolario«) erschien in 2 Bänden (Flor. 1849, 3. Aufl. 1864).
Vgl.
Bouché-Leclerc ^[richtig:
Bouché-Leclercq
(=
Auguste Bouché-Leclercq, 1842-1923)], G. Leopardi
, sa vie et ses œuvres (Par.
1874);
Baragiola, G. Leopardi
, filosofo, poeta e prosatore (Straßb. 1876);
Aulard, Essai sur les idées philosophiques et l'inspiration
poétique de G. Leopardi
(Par. 1876);
Ranieri,
Sette anni di sodalizio con G. Leopardi
(Neapel 1880);
Teresa Leopardi
,
Notes biographiques
sur Leopardi
et sa famille (Par. 1881);
Montefredini, La vita e le opere di G. Leopardi
(Mail. 1881);
Piergili, Nuovi
documenti intorno alla vita e agli scritti di G. Leopardi
(Flor. 1882);
Zschech, G. Leopardi
(Berl. 1885).