Leinengewebe.
Unter diesen ist die eigentliche Leinwand (frz. toile, engl. linen) das wichtigste. Ihre Bindung ist typisch für die glatten Gewebe. Die Kette ist in zwei gleiche Abteilungen geordnet, welche die Fäden 1, 3, 5, bzw. 2, 4, 6 enthalten und werden diese beim Weben abwechselnd nach oben und unten gezogen, sodaß nur zwei Tritte am Webstuhl nötig sind. Nach dem Material unterscheidet man Flachsleinwand oder reine Leinwand, Hanfleinen (nur gröbere Sorten), Wergleinwand und gemischte Gewebe.
Letztere können wieder sein Halbflächsene mit Flachsgarnkette und Schuß von Werggarn, und Halbbaumwollne, bei welcher Flachs- und Baumwollgarn Kette und Schuß oder auch Schuß und Kette bilden. Diese letztern Gemische geben stets eine untergeordnete Ware, obwohl sie häufig von schönem Ansehen ist. Man nennt sie auch wohl irische Leinwand. Das gröbste leinwandartige Gewebe ist das Segeltuch, meist aus Hanfgarn, dann folgen Zelt-, Pack- und Sackleinen. Das zu Wäsche bestimmte Gewebe erscheint bekanntlich in sehr verschiednen Graden der Stärke und Feinheit; zu den stärkern Geweben gehört gewöhnlich die Hausleinwand, zu welcher das Garn in ländlichen Wirtschaften selbst gesponnen wird, also Handgespinst ist; die fabrikmäßig erzeugte Kaufleinwand besteht meistens aus Maschinengarn.
Das Weben geschieht noch vielfach auf den gewöhnlichen Handwebstühlen, da erstlich Handgespinst wegen seiner Ungleichheit für den Maschinenstuhl gar nicht paßt, anderseits Maschinengarn, selbst das trocken gesponnene, häufig nicht geschmeidig genug, leicht dem Umschlingen und Reißen unterworfen ist, sodaß nicht mit derjenigen Raschheit gearbeitet werden kann, wie sie das Baumwollgarn zuläßt, also der Hauptvorteil der Maschine, große Geschwindigkeit, wegfällt. In den meisten Fällen werden die Garne im ungebleichten Zustande verwebt mit Ausnahme einiger Leinensorten, wie die schlesische und böhmische Weißgarnleinwand (Creas) und das westfälische Löwentlinnen, wozu die Garne vorher gebleicht werden. Die Rohgarne kocht man vor dem Spulen in Soda- oder Pottaschelauge, wodurch sie geschmeidiger werden. Diejenigen Gewebe von Rohgarnen, welche ungebleicht bleiben sollen, sind vom Webstuhl weg fertig und werden nur in Stückpackete gerollt und gebunden; alle übrigen erhalten Appretur, welche in Bleichen, Stärken, Kalandern und zuweilen auch Glänzen besteht.
Gebleicht wird entweder naturell durch Rasenbleiche, oder rascher unter Anwendung von Chlor (Schnellbleiche). Die Rasenbleiche dient einer Ware stets zur Empfehlung, da Chlor, wenn nicht sehr spar- und behutsam angewendet, die Haltbarkeit der Faser sehr herabmindern kann. Das Bleichen bezweckt die Löslichmachung und Entfernung der der Flachsfaser anhaftenden dunkelfarbigen Stoffe und es dienen dazu abwechselnd Laugenbäder, Einseifen, Walken, Aussetzen an die Luft, unter Begießung und zum Teil auch ohne solche.
Die böhmische Naturbleiche dauert bei solchen Operationen 80 bis 90 Tage und das Rohleinen verliert dabei 20-30% am ursprünglichen Gewicht. Durch verstärkte und heiße Laugen und namentlich durch Hinzunehmen von Chlorbädern läßt sich der Bleichprozeß bis auf sechs Tage abkürzen. Man hat halbe, dreiviertel und Voll- oder Ganzbleiche. Die zweite ist derjenige Grad, der durch die Rasenbleiche überhaupt zu erreichen ist; die letzte Weiße kann immer nur durch ein Sauerbad (Wasser mit Schwefelsäure angesäuert) erhalten werden.
Das Stärken der Leinenwaren besteht darin, daß ein dünner, mit weißem Wachs und etwas Unschlitt gekochter, mit Ultramarin oder dergleichen angebläuter Stärkekleister auf das Gewebe gebracht und eingetrocknet wird. Hierdurch wird die Dichte, Schwere und der Griff des Stoffes künstlich vermehrt; es muß bei einer Prüfung der Ware auf ihre wirkliche Beschaffenheit vorher die Appretur vollständig ausgewaschen werden. Zur Bestimmung der Feinheit des Gewebes dient der Fadenzähler, eine Lupe besonderer Einrichtung, welche auf dasselbe aufgesetzt wird. Das Glätten der gestärkten Leinwand geschieht durch Mangeln oder Kalandern, entweder so, daß das Zeug auf glatte ¶
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Rundhölzer gewickelt und wie alle Wäsche gerollt wird, oder indem man es einfach oder doppelt durch ein System von 2, 3 oder mehr geheizte und stark auf einander gepresste Walzen gehen läßt. Häufig wirken metallne mit Papierwalzen zusammen, welche eine sehr milde Glättung erzeugen; zuweilen wird der Stoff auch zugleich auf dem Kalander geglänzt, indem eine blanke Walze darauf wirkt, welche sich viel rascher dreht als das Zeug fortschreitet. Die alte Glättmaschine, wie sie noch für die speziell sogenannte Glanzleinwand gebraucht wird, hat als Hauptorgan ein poliertes rundes Stück von Achat, Feuerstein oder Glas, das am untern Ende einer federnden Stange sitzt und damit auf dem Zeuge hin und hergeführt wird. Die appretierte Leinwand wird stückweise gelegt oder gerollt, gepreßt, gebunden etc. Schöne Bleiche und Appretur sind stets von großem Belang für die Verkäuflichkeit einer Ware, und auch die äußere Herrichtung, Einschlag und Etikette sind nicht gleichgültig, da sie bestimmte Sorten sogleich erkennbar machen und deshalb auch unverändert beibehalten werden.
Es gibt bei der Leinwand sehr viel Sortennamen, zum Teil nur für den auswärtigen Absatz bestimmt, aber selbst die landläufigen sind unsicher und öfter nur geborgt, da gewisse beliebt gewordene Lokalprodukte nicht selten in andern Fabrikdistrikten nachgemacht und mit dem Originalnamen ausgestattet werden, sodaß z. B. irländische L. auf dem Kontinent, Osnabrücker in England, Bielefelder und Holländische in Böhmen und Schlesien fabriziert wird. Die feinen irischen Hemdenleinen, welche besonders in Südamerika und den englischen Kolonien Absatz finden, sind eine Nachahmung der Holländischen und Bielefelder Leinwand.
Außerdem macht man dort noch viele deutsche, französische und holländische Leinen nach, die gewöhnlich wesentlich wohlfeiler sind als die Originale und dadurch eine Konkurrenz auf den amerikanischen Märkten bilden, gegen welche die deutschen Fabrikate dort nicht mehr aufkommen können. Die deutsche Leinenindustrie arbeitet zumeist für den Bedarf im eigenen Lande, da im Westen lauter Fabrikationsländer liegen und nur nach Italien, dem Orient und dem Norden noch einiger Absatz ist.
Die hauptsächlichsten Sorten sind bei uns westfälische, sächsische (lausitzer), schlesische und böhmische Leinen. Von den westfälischen L. steht besonders die Bielefelder in altem Rufe, ein dichtes egales und sehr dauerhaftes Gewebe in sehr verschiedenen Qualitäten, die feinste dem niederländischen Batist nahe kommend. Osnabrücker L. ist ebenfalls ein solider und gangbarer Artikel meist in stärkern und mittlen Sorten, wofür das Garn von den Landleuten der Provinz gesponnen wird, die auch den Flachs selbst bauen. Es bestehen in Westfalen und im Hannoverschen an vielen Orten Schauämter (sog. Leggen) oder Zweiganstalten derselben, wo geschworne Sachverständige die Stücke auf Länge, Breite und Qualität untersuchen und nach Befund mit dem Qualitätsstempel versehen, ungenügend befundene aber ungestempelt lassen, die dann als Ausschußware viel wohlfeiler abgegeben werden. Feine Osnabrücks nimmt Holland in Menge, um ihnen Bleiche und Appretur zu geben und dann als eignes Fabrikat wieder abzusetzen.
Die Holländer weben selbst gutes dichtes Leinen, das feinste in der Provinz Friesland, meist aus deutschem Flachs oder importiertem Garn, führen wie bemerkt Rohleinen zum Fertigmachen ein, und verstehen sich auf die Bleicherei so gut, daß sie darin allen übrigen Fabrikgegenden voranstehen, was man teilweise der Beschaffenheit ihres Wassers zuschreibt. Die berühmtesten Bleichen liegen in der Gegend von Haarlem bis Alkmaar. Die altbegründete belgische oder flandrische Weberei hat ihren Hauptsitz in der Gegend, von Antwerpen, Gent, Brügge, Courtray, die französische in der Normandie, Bretagne, Pikardie und andern nördlichen Provinzen. In Irland besteht eine sehr ausgedehnte, gebleichtes Maschinengarn verarbeitende Weberei, deren bessere Produkte besonders als Hemdenleinen bekannt sind. Es werden aber zu verhältnismäßig niedrigen Preisen auch große Mengen geringer Qualitäten als wohlfeile Nachahmung französischer, holländischer und deutscher Sorten erzeugt.
In Deutschland sind auch noch Schwaben und der Schwarzwald zu nennen, welche eine namhafte Leinenproduktion mit ausländischem Absatz namentlich nach Italien haben. Diesen reiht sich die Schweiz an. Im allgemeinen aber hat die deutsche Leinenindustrie durch die englische Konkurrenz, durch den zunehmenden Verbrauch von Baumwoll- und Jutegeweben und andre Umstände mehr als die Hälfte ihres frühern Umfanges eingebüßt, und in manchen Gegenden, wie in Böhmen und der Lausitz, ist die Weberei vielfach vom Leinen zur Baumwolle übergegangen. -
Außer dem weißen Leinen gibt es bunte und farbige Sorten. Sie sind entweder aus gefärbtem Garn streifig oder karriert gewebt, oder in Stücke gefärbt, oder wie Kattun gedruckt. Sehr häufig sind solche Stoffe Gemische aus Leinen- und Baumwollgarn, namentlich besteht bei den gestreiften oder karrierten gewöhnlich der Einschuß aus letzterem. -
Andre Stoffe aus Leinengarn, die unter ihrem Namen besonders aufgeführt sind, sind Damast, Drell, Batist und Linon, Gazen. Häufig gehen wie gesagt in die L. Baumwollfäden mit ein, und wenn die Fabriken selbst solche Mischgewebe richtig als Halbleinen, Dreiviertelleinen u. dgl. bezeichnen, so doch häufig nicht die Händler und Trödler. Sichere Mittel zur Erkennung und Unterscheidung der beiderlei Faserstoffe sind daher Bedürfnis und man kennt deren auch eine Anzahl, die aber immer einige Übung in der Handhabung voraussetzen und zum Teil doch nicht genügende Sicherheit geben. Am einfachsten und ziemlich sichere Resultate gebend ist die Schwefelsäureprobe. Das Probestück wird durch Waschen in weichen erwärmten Wasser von der Appretur befreit, getrocknet, 1-2 Minuten in englische Schwefelsäure getaucht und dann mit Wasser oder einer Sodalösung unter Nachspülen mit Wasser ausgewaschen. Die zu einer gallertartigen Masse aufgelöste Baumwolle verschwindet bei richtig gewählter Behandlung in der Schwefelsäure mit dem Waschwasser, ¶
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während die Leinenfäden unberührt bleiben. Am sichersten gibt die Betrachtung durch das Mikroskop dem Geübten Auskunft. Die Leinfaser ist cylindrisch mit sehr enger inneren Höhlung und zeigt in bestimmten Entfernungen knotenartige Anschwellungen wie ein Strohhalm, bei starker Vergrösserung Längsstreifung; die Baumwolle dagegen ist bandartig plattgedrückt mit verdickten Seitenrändern und vielfach schraubenartig um sich selbst gedreht. -
Verzollung: Rohe Leinwand, Zwillich, Drillich, Batist, Linon gem. Tarif im Anh. Nr. 22 e 1-5;
gefärbte, bedruckte oder gebleichte Leinwand etc. Nr. 22 f 1-2;
Damast Nr. 22 g;
Gaze Nr. 22 h. Mit Baumwolle gemischte L. werden wie Baumwollenwaren verzollt.
Eine Ausnahme hiervon machen leinene Taschentücher, bei welchen sich nur in den Kanten oder Bordüren Baumwollenfäden finden.