Leim
(frz. colle; engl. lime oder glue). Diejenigen Gebilde
des Körpers der Wirbeltiere, welche die Eigenschaft haben, sich durch Kochen mit Wasser in Gallerte
aufzulösen und daher als leim
gebende bezeichnet werden, machen einen sehr beträchtlichen Teil des Ganzen aus, denn sie
begreifen das ganze Knochengerüst, die knorpeligen Teile, die äußere Haut und die innern häutigen Gebilde, Därme, Blase,
Schleim
häute, Bindegewebe, den ganzen Apparat der Sehnen,
Bänder, Kapseln,
Röhren etc. Stoffe dieser
Art bleiben bei den meisten Verwendungen von Tierkörpern als
Abfälle übrig und verfallen als sog. Leimgut
der Leimsiederei,
die also ihren Rohstoff größtenteils von Fleischern, Gerbern und Abdeckereien bezieht in Form von Hautabschnitzeln und
Schabsel, Flechsen, Gedärmen, Kalbs- und Hammelfüßen, Ohrlappen und andern Resten.
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Auch die Felle von Hasen und Kaninchen, denen das Haar für die Hutmacherei abgeschoren worden, sind Leimgut
, kommen aber in
der Regel nicht in die allgemeine Masse, sondern müssen schon Pergamentleim
geben. Aus andern Werkstätten kommen Abfälle
von Pergament, Weiß- und Handschuhleder als Material zu Leim
, und aus dem fremden Handel kommen eine
Menge Suronen, havarierte Häute und andres hinzu. Man unterscheidet von dem leim
gebenden Gewebe zwei Arten, das Kollagen
und das Chondrogen oder chondringebende Gewebe; ersteres liefert die eigentliche Leim
substanz (Kolla oder Glutin), letzteres
den Knorpelleim
(Chondrin, tierische Gallerte).
Die Verwendbarkeit der Knochen zu L. ist eine neure, erst seit 1812 verwertete Entdeckung, das Leim
sieden
aus weichen tierischen Stoffen eine sehr alte Industrie. Aus passenden Knochen nebst einigen andern auserlesenen Stoffen wird
die Gelatine (s. d.) bereitet; übrigens gehen Knochen mit in die gewöhnliche Leim
fabrikation ein und zwar gewöhnlich im
Gemisch mit dem andern Leimgut.
Es werden ihnen dann zuvor die Kalkteile durch Mazerieren in verdünnter
Salzsäure völlig entzogen, sodaß nur die reine Knorpelmasse übrig bleibt, die sich leicht zu L. zerkocht.
Aus den ganzen, vorher entfetteten Knochen läßt sich durch gespannten Dampf im geschlossenen Cylinder zwar auch der L. ausziehen, jedoch ist er dann, durch Wirkung der hohen Hitze, von geringer Qualität, und mehr oder weniger schon in kaltem Wasser löslich. Das Kochen darf nicht zu lange fortgesetzt und muß eine zu hohe Temperatur vermieden werden, damit die Bindekraft des L. nicht leidet. Je nach der Art der Rohstoffe muß der L. verschieden an Qualität ausfallen, und dann können noch bei der Herstellung, dem Trocknen, Aufbewahren so manche Umstände die Güte, d. h. die Bindekraft desselben beeinflussen, sodaß der L. in der That eine Ware ist, über deren Gütegrad man mit Bestimmtheit nur durch praktische Erprobung sich unterrichten kann.
Die Bestandteile des Leim
gutes unterliegen natürlich sehr leicht der Fäulnis, weshalb sie da, wo sie
nicht auf der Stelle verarbeitet werden können, eine vorbeugende Behandlung erfahren müssen. Hierzu dient Einlegen in Kalkmilch
und Trocknen ohne Auswaschen, oder Behandlung mit Karbolsäure. In der Siederei selbst wird das Leimgut auf alle Fälle auf
längere Zeit in Kalkmilch eingelegt, je nach der Jahreszeit ein bis zwei Monate, währenddes die Kalkbrühe
einige Mal erneuert wird.
Der Kalk hindert einesteils die Fäulnis, andrerseits entzieht er dem Leimgut das Fett und andre lösliche Teile. Für die Bildung und Beschaffenheit des L. selbst aber ist er verderblich und muß daher erst gründlich wieder entfernt werden. Man packt das Leimgut in Weidenkörbe und hängt diese in einen Fluß oder wäscht das Gut in Ermangelung dessen mehrmals mit vielem Wasser aus. Nach erfolgter Wässerung breitet man die Masse in dünner Schicht an der Luft aus und läßt sie unter öfterm Wenden einige Tage liegen.
Hierdurch werden die noch darin verteilten Kalkteilchen unschädlich gemacht, indem sie durch die Kohlensäure der Luft aus dem ätzenden Zustande in den kohlensauren übergeführt werden. Zuweilen und in Frankreich gewöhnlich gibt man dem Leimgut auch eine Art Bleiche, indem man es noch ein paar Tage in Wasser legt, das mit schwefliger Säure geschwängert ist. Das Lüften wird dadurch unnötig. Das Versieden des Leimgutes mit Wasser erfolgt in älterer Weise in Kesseln über offenem Feuer.
Die Kessel haben über dem eigentlichen Boden einen zweiten, durchlöcherten, auf welchem die zu verkochende Masse ruht, sodaß sich in dem Zwischenraume nur klare Lösung sammeln kann. Ist diese konzentriert genug geworden, so läßt man sie durch einen Hahn ab und auf Klärkufen laufen, wo sie, mit etwas Alaunpulver versetzt, noch einige Stunden heiß erhalten wird, damit Unreinheiten sich absetzen können. Durch wiederholtes Aufgießen heißen Wassers erhält man dann noch dünnere Leimbrühen.
Bei dem heutigen Betriebe größerer Anstalten erfolgt die Extraktion des Leimgutes durch Dampf, der in die untere Partie eines geschlossenen Cylinders geleitet wird, in welchem auf mehreren Siebböden das Leimgut liegt. Der die Masse durchdringende Dampf verdichtet sich größtenteils zu Wasser, das den gelösten L. nach unten führt, indes der nicht kondensierte Dampf durch ein oberes Rohr entweicht. Die entstandene Leimlösung wird periodisch abgezapft und eingedampft. In den großen Leimfabriken Nordamerikas hat sich das Verdampfen der Leimbrühen in Vakuumapparaten außerordentlich gut bewährt.
Das zuerst fallende Produkt, durch die kürzeste Einwirkung der Hitze erhalten, ist das hellste und beste, die Primasorte; das weitere Kochen oder Dämpfen ergibt braunere Lösungen von geringerer Qualität; je länger die Leimmasse der Siedhitze ausgesetzt bleibt, desto geringer ist die Bindekraft des erhaltenen Leims. Die auf die eine oder andre Weise erhaltene und durch Stehen geklärte Lösung wird dann in hölzerne Kästen überfiltriert und in einem kühlen Lokal dem Gerinnen überlassen.
Die erstarrte Masse wird ausgestürzt und der Leimblock mit gespannten Messingdrähten mehrfach und so weit geteilt, daß die Schnitte nach dem Trocknen die bekannten Tafeln ergeben. Das Trocknen erfolgt auf Rahmen, die mit einem weiten Drahtgeflecht oder sich kreuzenden Bindfaden überspannt sind, und ist bei kleinem Betriebe mit ärmlichen Mitteln eine sehr prekäre Sache, denn zu hohe Luftwärme macht die Tafeln auf den Horden wieder halbflüssig; Frost, Nebel, zu rasch trocknende Winde, Gewitter sind nachteilig für die Qualität, resp. das gute Aussehen der Ware.
Heutzutage, wo das Leimsieden mehr in fabrikmäßigem Zuschnitt betrieben wird, kann man sich in Trockensälen größtenteils vor ungünstigen Witterungseinflüssen sichern; doch läßt man immer auch für die Zeit der Sommerwärme die Fabrikation ruhen. Die Trockenräume sind gewöhnlich mit einströmender warmer Luft geheizt und es kommen die frischen Tafeln zunächst in die kühleren, und mit dem Fortschreiten der Trocknung in wärmere Räume. Auch wo bloße Lufttrocknung ¶
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gebräuchlich ist, muß schließlich künstliche Wärme in Anwendung kommen, da an der Luft allein die Tafeln nicht ihre volle Härte erreichen. Um denselben schließlich Glanz zu geben, taucht man sie einen Moment in heißes Wasser oder überbürstet sie mit solchem und bringt sie dann wieder in einen heißen Trockenraum. Die Tafeln werden dann in Bündel geschnürt und in Fässer von 250-500 kg oder Körbe von 100 kg Inhalt verpackt. - Der L. variiert bekanntlich im äußern Ansehen sehr und ist bald nur schwach gelblich oder bräunlich gefärbt und fast durchsichtig, bald mehr oder minder dunkelfarbig, trüb bis ganz undurchsichtig.
Klarheit und Helle empfiehlt natürlich die Ware und zu manchen Zwecken können nur solche möglichst farblose Sorten gebraucht werden. Daß solchen aber immer die meiste Bindekraft innewohne, ist nicht zu behaupten; manchmal erweist sich gerade eine dunkle und schlecht aussehende Sorte als ein vorzüglich bindender Holzleim. Für den Gebrauch wird der L. bekanntlich durch mehrere Stunden in kaltem Wasser gequellt, da er sich in heißem Wasser nie vollständig lösen läßt.
Erscheint er nach dem Quellen durch starke Wasseraufnahme um das Mehrfache seines ursprünglichen Volumens vergrößert und dabei noch im Zustande einer gewissen Prallheit und Elastizität, so wird er für gut gehalten. Im Grunde aber erfährt man dadurch nur, daß ein Knochenleim oder ein mit solchem gemischter vorliegt; aus bloßen Weichteilen gezogener L. quillt zu einer weichen Gallerte, kann aber dabei recht gut bindend sein. Nur wenn eine Ware an das Quellwasser trübende Teile abgibt, ist sie für schlecht zu halten.
Solcher L. ist auch schon an sich gewöhnlich feucht und übelriechend. Manche wollen auch aus dem Bruch auf die Qualität schließen und wünschen ihn nicht glasig, sondern mehr sehnig. Es ist aber leicht zu erproben, daß eine so brechende Sorte nach weiterer warmer Austrocknung glasig bricht, daher das letztere eher als ein gutes Zeichen gelten müßte, weil es weniger Wassergehalt andeutet. In chemischer Hinsicht unterscheiden sich Knochenleim (Glutin) und Knorpelleim (Chondrin) dadurch, daß nur der letztere, nicht aber der erstere durch verdünnte Mineralsäuren gefällt wird; ferner bewirkt schwefelsaures Eisenoxyd in Glutinlösung keine Fällung, in Chondrinlösung entsteht dagegen eine starke Fällung, die im Überschusse in der Kälte nicht, wohl aber beim Kochen löslich ist. Durch Gerbsäure werden dagegen beide Leimsorten ausgefällt. - In vielen deutschen Städten wird jetzt L. fabriziert, sodaß manchmal Mangel an gutem Rohstoff ist.
Von früher her ist man gewohnt, die Sorten nach gewissen Städten zu benennen, und man spricht demnach von Kölner, Breslauer, Nördlinger, Reutlinger, Kahlaer, Mühlhäuser L. etc., ohne daß dieselben immer von den genannten Orten kommen müßten. Französischer, englischer, holländischer, flandrischer L. u. dgl. kommen jetzt auch nur noch nominell vor. Indes rangiert man den Leim auch in hell, fein, mittelfein, mittel und ordinär. Die Farbe an sich besagt über die Bindekraft der Ware gar nichts, wogegen es allerdings einer solchen zur Empfehlung gereicht, wenn sie, gegen das Licht betrachtet, rein und fleckenlos erscheint, da bei manchen Verwendungen des L. auf die Färbung desselben Rücksicht zu nehmen ist.
Dunkle Sorten, wenn sie nur sonst gut sind, werden dahin verwendet, wo sie nicht ins Auge fallen, also von Tischlern und andern Holzarbeitern, Buchbindern etc.; helle und halbhelle dienen zu Weberschlichte, zur kalten Vergoldung und zu Leimfarben, für Hutmacher, zum Appretieren von Strohhüten, zur Papierleimung, Weinklärung und zum Ausfällen des Gerbstoffs aus Farbholzabkochungen. Man findet im Kleinverkauf gewöhnlich nur den ordinären Tischlerleim und etwa noch eine hellbräunliche, glasige Sorte, die dann Kölner heißt; es werden jetzt aber auch an andern Orten Deutschlands so helle Sorten fabriziert, daß sie sich an die Gelatine anschließen, oder eine geringere Sorte derselben bilden können. Es kommt hierbei nur auf die Auswahl des Rohstoffs an. So geben z. B. die Kopfstücke von Kalbfellen für sich abgekocht fast farblose Gelatine, und dies Material wird zugänglicher, jemehr die Gerber sich der neuen Praxis zuwenden, Köpfe und Klauenstücke nicht mehr mitzugerben.
Weißer L. heißt im Handel gewöhnlich diejenige Ware, welche sonst auch russischer genannt wird. Es ist dies nichts andres als gewöhnliche Leimmasse, der man bei der Fabrikation im noch heißen Zustande eine weiße Mineralfarbe, gewöhnlich schwefelsaures Bleioxyd, Bleiweiß, Zinkweiß eingerührt hat; auch weißes (gefälltes) Bleioxydhydrat ist gefunden worden. Solche Ware ist durch den Zusatz undurchsichtig und hat ein gelbliches, knochenähnliches Aussehen. Ob durch solche Zusätze die Bindekraft des L. wirklich erhöht wird, wie die Holzarbeiter meistens glauben, dürfte wohl zu bezweifeln sein. - Durch Zusätze bereitet man aus gewöhnlichem L. den elastischen, flüssigen und Mundleim.
Eine elastische Masse wird erhalten durch Zusammenschmelzen von Leimgallerte mit Syrup; es bestehen daraus die Schwärzwalzen der Buchdrucker, welche heiß in einer Blechform um einen Kern gegossen werden. Eine ähnliche, jetzt wohl allein gebräuchliche Masse wird erhalten mit gleichen Teilen L. und Glycerin. Man benutzt solche elastisch bleibende Massen neuerdings auch zu Formen für die Galvanoplastik und Gipsgießerei. Durch Zusätze von Säuren, Salpeter-, Salz-, Essigsäure verliert der L. seine Gerinnbarkeit und bleibt in Gefäßen mehr oder weniger kaltflüssig, trocknet aber in dünnern Schichten. Es sind indes diese Produkte von wenig Gebrauchswert, da sie für Holz nicht bindend genug sind und wegen ihrer sauren Beschaffenheit auch in solchen Fällen nicht taugen, wo sie Farben zerstören könnten. Was unter der Firma flüssiger L. oder Comptoirleim ausgeboten wird, ist auch gar kein solcher, sondern bloße Lösung von arabischem Gummi. Mundleim endlich, der, wie sein Name besagt, schon durch Speichel auflöslich ist, wird einfach dadurch hergestellt, daß man guten L. in wenig Wasser auflöst, etwa 1/10 seines Gewichts Zucker zusetzt und ¶