Leibeigens
chaft,
der Zustand wirtschaftlicher und persönlicher Unfreiheit. Ein Sklaventum im
Sinne des altrömischen,
welches
Menschen zu bloßen Sachen, Vermögensobjekten herabdrückte, hat in
Deutschland
[* 2] kaum jemals existiert.
Neben den zu festen
Abgaben und Diensten verpflichteten
Bauern, den Hörigen und Censualen (s. Grundeigentum, Bd. 8, S. 491 b),
gab es jedoch im Mittelalter eine ursprünglich aus Kriegsgefangenschaft hervorgegangene Leibeigens
chaft. Die Leibeigenen
hatten unbemessene Dienst- und Abgabenpflicht, ihr
Ehe- und Vermögensrecht war beschränkt, sie waren
strafrechtlich hauptsächlich nur durch die
Kirche geschützt. Aber durch Ansetzung auf eine Hufe näherte sich ihr Zustand
dem der Grundhörigen.
Eine weitere
Verbreitung gewann die Leibeigens
chaft durch die Eroberung der ehemals slaw. Gebiete
östlich der
Elbe, indem die slaw. Urbewohner großenteils auf diese
Stufe herabgedrückt wurden. Auch
die deutschen
Bauern gerieten dort mit dem
Aufkommen der großen Gutswirtschaft in einen Zustand, den man vielfach mit Leibeigens
chaft bezeichnete.
Aber es handelte sich doch dabei regelmäßig um ein minder strenges Verhältnis, als es bezüglich der außerdeutschen Elemente,
die nie des deutschen
Rechts teilhaftig geworden waren, bestand. Es handelt sich um die sog.
Gutsbehörigkeit (glebae adscriptio
), Guts- oder Erbunterthänigkeit, welche neben Dienst- und Abgabepflichten die Fesselung
an die
Scholle in sich schloß.
Der Grundbehörige konnte mit dem Gute, dem er zugehörte, und zwar nur mit diesem veräußert werden, war aber vollständig
vermögens- und prozeßfähig. Dahingegen konnten die leibeigenen
Bauern altpreuß. Abkunft in Ostpreußen
[* 3] unter gewissen Umständen ohne die
Güter, denen sie zugeschlagen waren, verkauft werden; ebenso
war in
Polen die Leibeigens
chaft auf den
adligen
Gütern seit dem 16. Jahrh. zu einer förmlichen
Sklaverei geworden, man sprach den unterthänigen
Bauern die Fähigkeit
ab, gegen ihre Grundherren vor Gericht klagend aufzutreten.
Diese strengste Form der Leibeigens
chaft wurde 1773 durch
Friedrich d. Gr. unter Beibehaltung der Gutsunterthänigkeit
aufgehoben. Die letztere wurde durchweg wesentlich gemildert und (zuerst 1748 in
Schlesien)
[* 4] ablösbar gemacht. Der Gutsunterthan
sollte sich gegen ein bestimmtem niedriges
Lösegeld loskaufen und seine Entlassung ohne solches namentlich dann fordern können,
wenn der Leibherr sich schwerer
Mißhandlung schuldig gemacht habe. Aus den
Domänen wurde die Gutsunterthänigkeit
ihres eigentlichen
Inhalts entkleidet. Die endgültige Aufhebung derselben erfolgte in
Preußen
[* 5] unterm Das
Gleiche
geschah um dieselbe Zeit in den meisten andern deutschen und außerdeutschen
Staaten Europas, und zwar teils so, daß der
Herr für alle hinweggefallenen
Rechte entschädigt wurde, teils so, daß die persönlichen Folgen der
Leibeigens
chaft ohne
¶
mehr
Entschädigung verschwanden. Die letzten Reste der Leibeigens
chaft in Deutschland wurden 1832 in der sächs. Oberlausitz und 1848 in den
österr. Ländern getilgt.
In Rußland wurde die Leibeigenschaft
bereits unter Kaiser Alexander Ⅰ. in den drei Ostseeprovinzen auf Initiative der dortigen Ritterschaften
aufgehoben. Die Pläne der Abschaffung im eigentlichen Rußland stießen auf den hartnäckigsten Widerstand;
unter Nikolaus begnügte man sich der Willkür der Herren Schranken zu ziehen, freilich vergeblich, da man den Leibeigenen
ein Recht der Klage gegen den Herrn nicht zugestand. Zu den Leibeigenen gehörten nicht nur Bauern, sondern auch städtische
Arbeiter, ja Händler, die Dienerschaft u. s. w. Die Beziehungen der Herren waren vielfach patriarchalische.
Einzelne ließ man technisch ausbilden und war stolz darauf, reiche Kapitalisten und selbst Künstler unter ihnen zu besitzen. Viele Leibeigene arbeiteten auf eigene Rechnung oft in entlegenen Gegenden und gaben dem Herrn nur einen geringen Teil ihres Erwerbs als sog. Obrok ab. Immer aber war der Grad ihrer Abhängigkeit durch die Humanität oder Tyrannei des Gebieters bedingt, dessen Strafgewalt fast unbeschränkt war; nur die Befugnis stand demselben nicht mehr zu, bei willkürlichem Verkauf die Bande der Ehe zu lösen. Die endliche Freigebung der Leibeigenen erfolgte durch Manifest des Kaisers Alexander Ⅱ. vom 19. Febr. (S. Bauernemancipation und Rußland.)
Vgl. Sugenheim, Geschichte der Aufhebung der und Hörigkeit in Europa [* 7] bis um die Mitte des 19. Jahrh. (Petersb. 1861);
Engelmann, Die Leibeigenschaft
in Rußland (Lpz. 1884);
G. F. Knapp, Die Bauernbefreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den ältern Teilen Preußens [* 8] (ebd. 1887);
ders., Die Landarbeiter in Knechtschaft und Freiheit (ebd. 1891).