Legende
(v. lat. legenda, »das zu Lesende«),
die Lebensgeschichte eines
Heiligen, auch die
Erzählung einzelner Begebenheiten daraus, sofern sie an gewissen
Tagen in der
Kirche vorgelesen wurde; im weitern
Sinn die poetische
Darstellung einer frommen, der kirchlichen
Überlieferung
angehörigen
Handlung, die mit einem wunderbaren Erfolg gekrönt wird; endlich s. v. w.
kirchliche
Sage überhaupt, im
Gegensatz zur weltlichen
Sage und zur
Kirchengeschichte. Mit Vorliebe behandelte die Legende
das
Leben
der
Jungfrau
Maria und der
Märtyrer der ersten christlichen
Jahrhunderte und gewann dadurch in der
Blütezeit des
Marien- und
Heiligenkultus den außerordentlichen
Umfang, der uns in den verschiedenen Legende
nsammlungen entgegentritt.
Das berühmteste unter den mittelalterlichen Werken dieser
Art ist die vom
Erzbischof
Jacobus de
Voragine (gest. 1298) veranstaltete
Sammlung, welche den
Namen »Aurea legenda« (neue Ausg. von
Grässe, Leipz. 1845) führt; das umfassendste aber sind die
»Acta Sanctorum«
der
Bollandisten (s. d.). Auch in die nationale
Poesie der christlichen
Völker fand die Legende
frühzeitig
Eingang;
insbesondere bildet sie, als Erzeugnis des poetischen
Glaubens jener Zeit, ein schwer zu missendes
Glied der
[* 3]
alten
deutschen
Dichtung. Zu den bekanntesten und wertvollsten Legende
ndichtungen derselben gehören: das Lobgedicht des
Mönchs
Wernher auf die heilige
Jungfrau (1172 gedichtet);
das »Marienleben« vom Bruder Philipp;
die »Kindheit Jesu« von Konrad von Fußesbrunn;
die »Goldene Schmiede« von Konrad von Würzburg, sämtlich aus dem 13. Jahrh.;
ferner aus der Unzahl von Heiligenlegenden die vom »Heiligen Gregor auf dem Stein« von Hartmann von Aue;
»Barlaam und Josaphat« von Rudolf von Ems;
die
Legenden
»Vom heil.
Silvester« und »Vom heil. Alexius«
von
Konrad von Würzburg;
das
Leben der heil.
Elisabeth (nach 1297 verfaßt; hrsg. von
Binger, 1868) u. a. Eine umfängliche
Sammlung von Legenden
in 3
Büchern enthält das »Passional« aus dem 13. Jahrh.
(hrsg. von
Köpke, Quedlinb. 1853).
Im 14. und 15. Jahrh. kamen zu den gereimten längern und kürzern
Legenden
auch prosaische Bearbeitungen, wie in dem
»Buch von der
Heiligen
Leben« von
Hermann von Fritzlar (um 1343), hinzu, wodurch
jene allmählich verdrängt wurden. Im 16. Jahrh. endlich, dem
Zeitalter der
Reformation, verschwand die aus der Litteratur
oder ging in die sittlich-lehrhafte sowie andernteils in die scherzhafte
Erzählung über, in welcher
Weise sie namentlich von
Hans
Sachs mit
Glück behandelt ward.
Eine Sammlung altenglischer Legenden
gab Horstmann (Heilbr. 1878, neue
Folge 1881) heraus. Auf den poetischen
Gehalt der Legende
nlitteratur
hat namentlich
Herder in den »Zerstreuten Blättern« und in der »Adrastea«
hingewiesen, wie er sie auch durch einige gelungene
Versuche wieder in die
deutsche Litteratur eingeführt
hat. Seitdem haben sich namhafte deutsche Dichter
(Goethe, A. W.
Schlegel,
Kosegarten,
Pyrker,
Rückert,
Kerner,
Schwab,
Simrock
u. a.) in der poetischen Bearbeitung legende
nartiger
Stoffe mit Erfolg versucht.
In der
Münzkunde bezeichnet Legende
die
Inschrift oder Umschrift der
Münzen
[* 4] (s.
Münzwesen);
[* 5] auf
Landkarten,
[* 6] Stadtplänen etc. die beigedruckten Namensverzeichnisse. Auch die
Inschriften auf Spruchbändern, welche die
Kunst des frühen
Mittelalters aus dem
Mund von
Figuren heraushängen ließ oder ihnen in die
Hände gab, um ihre Bedeutung oder ihre
Handlung zu
erläutern, nennt man Legenden.
Solche
Spruchbänder erhielten sich noch bis zum Ende des 15. Jahrh. namentlich
in der
Kupferstecherkunst.