Titel
Leder,
durch verschiedene Prozesse (Gerbprozesse) in der Art veränderte tierische Haut, daß sie unter Erhaltung ihrer wesentlichsten Eigenschaften große Widerstandsfähigkeit gegen äußere Einflüsse aufweist. Während die unveränderte Haut durch Trocknen steif und hornig wird, im feuchten Zustand schnell fault und sich beim Kochen mit Wasser leicht unter Bildung von Leim auflöst, besitzt das Leder deutlich faserige Struktur und bei genügender Festigkeit große Biegsamkeit und Geschmeidigkeit; es widersteht in der Nässe der Fäulnis und verwandelt sich beim Kochen nicht oder nur nach langer Zeit in Leim.
Die Gerberei verarbeitet hauptsächlich die Haut größerer Säugetiere, aber nicht die ganze Haut, sondern nur die auf chemischem und mechanischem Weg isolierte Schicht, welche man als Lederhaut (corium) bezeichnet, und die Gerbprozesse haben stets den Zweck, durch irgend ein Mittel das Zusammenkleben der Fasern dieser Haut beim Trocknen zu verhindern. Dies wird auf verschiedene Weise erreicht, nämlich durch Gerbstoff (Loh- oder Rotgerberei), durch Alaun mit Kochsalz (Alaun- oder Weißgerberei), durch Mineralsalze, besonders durch Eisen- und Chromsalze (Mineralgerberei), oder durch Fett (Sämisch- oder Ölgerberei). Die gerbenden Substanzen verbinden sich nicht chemisch mit der Substanz der Haut, sondern dringen nur in die Poren derselben ein, umhüllen die Fasern und werden von denselben fixiert, ähnlich wie Farbstoffe von der vegetabilischen oder animalischen Faser in der Färberei. Das vollkommen gegerbte, gare Leder unterliegt schließlich noch bestimmten Behandlungen, durch welche es die für den Markt erforderliche Beschaffenheit erhält.
[Bearbeitung der Häute.]
Die wichtigsten Häute für die Gerberei sind die des Rindviehs. Wildes Vieh hat stärkere, festere Haut als zahmes, Weidevieh stärkere als im Stall gefüttertes; Stierhäute sind gröber, rauher und am Rücken dünner als Ochsenhäute, dagegen dicker als diese in Nacken- und Bauchgegend; die Haut desselben Tiers ist in der Mitte des Rückens und am Kopf bisweilen doppelt so stark als am Bauch. Stier- und Ochsenhäute und importierte Wildhäute geben besonders Sohl- oder Pfundleder, schweres
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Riemen- und Sattlerleder, Kuhhäute dünneres, weniger dichtes, minder feinkörniges Vacheleder für leichte Sommersohlen, Oberleder, Kutschenverdecke etc.; dünne einheimische und fremde Rindshäute werden auf Schmal- oder Fahlleder, besonders dichte, kurzfaserige und geschlossene Rindshäute (wie sie namentlich England liefert) auf Sattler- und Geschirrleder und auf Maschinenriemenleder verarbeitet. Büffelhäute finden nur Verwendung für untergeordnete Ledersorten.
Kalbfelle geben zähes, weiches, biegsames Leder zu Oberleder, Lackleder etc.; Pferde-, Esel-, Maultierhäute sind dünn, werden aber viel verarbeitet und liefern Sohlledersurrogat für Kalbleder, Leder zu Kutschenverdecken und Sattlerarbeiten; hauptsächlich werden sie aber zu Korduan verwandt. Schaf- und Lammfelle liefern Leder von geringerer Stärke zu Handschuhen, Pantoffeln, Futterleder, auch farbiges Leder für Buchbinderei etc. Lammfelle liefern vorzügliches Handschuhleder;
aus Ziegenfellen macht man Maroquin, Saffian und genarbtes Oberleder für Damenschuhe;
Schweinefelle liefern sehr festes Sattlerleder;
Hirschfelle werden meist sämischgar gegerbt und auf waschlederne Handschuhe verarbeitet.
Robben- und Seehundsfelle liefern Leder zu Reisetaschen, Schurzfellen, Mützen und leichten Sommerschuhen. Ausnahmsweise werden auch Nilpferd-, Krokodil-, Rhinozeros- und einige Sorten Fischhäute (Thunfisch), zuweilen auch Hunde-, Katzen-, Gemsen-, Wildschweinsfelle verarbeitet.
Die rohen Häute unterliegen einer Reihe vorbereitender Operationen, welche für alle Gerbmethoden im wesentlichen übereinstimmen. Man weicht sie ein, am besten in fließendem Wasser, frische Häute nur wenige Stunden, gesalzene und getrocknete erheblich länger. Bei letztern wird das vollständige Erweichen durch Bearbeiten mit dem Streckeisen und durch Walken befördert. Man reinigt dann die Fleischseite der Haut auf dem Schab- oder Streichbaum mit dem Schab- oder Bestoßmesser oder auf Maschinen von anhängenden Fleisch- und Fettteilen und schreitet dann zum Schwellen und Enthaaren, wobei mit den Haaren auch die Epidermis entfernt wird.
Dies geschieht nach verschiedenen Methoden. Beim Schwitzen werden die Häute mit der Fleischseite nach innen zusammengeschlagen, 30-40 Stunden in eine Grube oder in einen Schwitzkasten gelegt und dabei täglich mindestens zweimal auseinander gelegt, um die faule Gärung und Ammoniakentwickelung und damit die Schwellung und Lockerung der Haut zu regeln und zu unterbrechen. Man hängt auch die Häute in Kammern bei 20-26° auf und gelangt hierbei in 24 Stunden zum Ziel. In Amerika benutzt man unterirdische bedeckte Gruben, in welchen man durch herabtröpfelndes Wasser hinreichende Feuchtigkeit und durch Ventilation eine Temperatur von 8-14° erhält, bei welcher der Prozeß in 6-12 Tagen vollendet ist.
Das Enthaaren mit Sauerbrühe beruht auf der schwellenden Wirkung der Säuren auf die Haarwurzeln und die Oberhaut. Man benutzt einen Auszug von gebrauchter Lohe, welcher Essigsäure, Milchsäure etc. enthält, bereitet daraus Bäder von verschiedener Stärke und bringt die Häute allmählich in immer stärkere Bäder, wobei sie am besten durch einen Haspel in beständiger Bewegung erhalten werden. Nach 8 Tagen lassen sich die Haare entfernen. Beim Kälken bringt man die Häute zunächst in mehrfach gebrauchte, dann in frischere, zuletzt in ganz frische Kalkmilch und läßt sie in jeder Grube 2-8 Tage unter täglich mindestens zweimaligem Herausnehmen.
Außerdem benutzt man Bäder von Schwefelnatrium, teils rein, teils mit Kalk gemischt, Gaskalk, Sodarückstände, welche beide durch Gehalt an Schwefelcalcium wirken, zum Enthaaren. Der Kalk wirkt sehr energisch auf die Haut, und bei zu starker Einwirkung wird die Struktur des Leders undicht. Man vermeidet deshalb den Kalk, wo es sich um Darstellung eines festen, dichten Leders handelt, und bedient sich des Verfahrens nur bei der Oberlederfabrikation und für die Herstellung von leichtem Sohlleder (Vacheleder).
Das Enthaaren (Abpälen) selbst wird durch Handarbeit oder auf Maschinen ausgeführt, worauf man die Blöße gründlich reinigt, auf der Narbenseite mit dem Glättstein glättet und mit Wasser spült. Zur Entfernung des Kalkes aus den Häuten bringt man dieselben in ein aus Tauben-, Hühner-, Hundeexkrementen und Wasser bereitetes Bad, welches man in neuerer Zeit durch mancherlei Surrogate, mineralische und organische Säuren, zu ersetzen gesucht hat. Die enthaarten Felle werden in der Regel einer Schwellung unterworfen, um die einzelnen Faserstränge des Bindegewebes der Haut voneinander zu trennen und sie dadurch für die Aufnahme von Gerbstoff zugänglicher zu machen.
Man benutzt hierzu organische Säuren und zwar in Form der weißen Schwellbeize, die aus Gerstenschrot oder Kleie mit Sauerteig und Wasser hergestellt wurde, oder der roten Schwellbeize, welche durch Ausziehen gebrauchter Lohe mit Wasser erhalten wird. Die Blößen kommen dabei in 10-14 Tagen aus schwächern allmählich in immer stärkere Brühen. Auch Schwefelsäure, Salzsäure und Phosphorsäure werden häufig angewandt, erfordern aber größte Vorsicht.
[Lohgerberei.]
Die Lohgerberei verarbeitet fast alle in der Gerberei überhaupt zur Anwendung kommenden Häute und benutzt als Gerbmaterialien mehrere gerbsäurehaltige Vegetabilien, besonders Eichenrinde mit 11-16 Proz., Fichtenrinde (Pinus sylvestris) mit 5-10. Proz., Tannenrinde mit 4-8 Proz., Hemlocktannenrinde (in Nordamerika), Erlen- und Weidenrinde mit 3-5 Proz., Sumach oder Schmack mit 12-16,5 Proz., Dividivi oder Libidibi mit 19-27 Proz., Kastanienrinde, Snoubarrinde, Quebracho, Mimosarinde, Algarobilla, Manglerinde, Galläpfel mit ca. 60 Proz., Knoppern und Ackerdoppen mit 25-40 Proz., Katechu mit 40-50 Proz., Kino mit 30-40 Proz. Gerbsäure, dann auch Bablah, Myrobalanen, chinesische Galläpfel, Rove etc. Die Lohgerberei liefert sehr mannigfaltige Produkte, hauptsächlich aber Sohl- und Oberleder, Saffian, Maroquin, Juchten etc. Zur Darstellung von Sohlleder werden Rinder- und Büffelhäute geweicht, zum Schwitzen in Kammern aufgehängt, enthaart, in frisches Wasser gebracht, zuerst auf der Fleischseite, dann auf der Narbenseite, welche durch die Einstülpungen der Epidermis, in welchen die Haare gesessen haben, ein eigentümlich genarbtes Ansehen besitzt, mit einem stumpfen Eisen gereinigt, gespült und in rote oder weiße Schwellbeize gebracht.
Die so weit vorbereiteten Häute (Blößen) unterwirft man nun dem eigentlichen Gerbprozeß, wobei die Häute sehr viel (auf Trockengewicht berechnet etwa ⅓) Gerbstoff aufnehmen. Im allgemeinen braucht man zu 1 Ztr. Sohlleder 4,5-5, zu Schmalleder 3,6, zu Kalbleder 3,4 Ztr. Eichenrinde und zu Sohlleder 8 Ztr. Fichtenrinde. Man schichtet die Blößen in hölzernen oder gemauerten Gruben mit gemahlener Lohe, füllt alle leer bleibenden Ecken mit alter Lohe, bedeckt auch die oberste Haut mit solcher, pumpt die Grube voll Wasser und verschließt sie. Nach 8-10 Wochen packt
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man die Häute mit frischer Lohe in die zweite Grube, in welcher sie 3-4 Monate bleiben, dann abermals mit frischer, aber weniger Lohe in die dritte und nach weitern 4-5 Monaten in eine vierte, starke Wildhäute selbst noch in eine fünfte Grube, so daß derartige Leder erst nach zwei Jahren und länger gar werden. Sie zeigen dann beim Durchschneiden mit einem scharfen Messer eine gleichförmige, von fleischigen oder hornartigen Streifen freie Fläche. Sohlleder, welches mit Weißbeize geschwellt und mit Knoppern oder Valonen gegerbt wurde, heißt Pfundleder. Zur Darstellung von Brandsohlleder (Halbsohlleder, Terzen) bringt man die durch Kalken enthaarten und gereinigten Blößen in immer stärkere Lohbrühen (Farben), welche neben Essig- und Milchsäure reichlich Gerbsäure enthalten, und behandelt die Häute dann in den Gruben wie das übrige Sohlleder.
Bei der Schnellgerberei werden die meist durch Kälken enthaarten Häute gereinigt, dann entweder gar nicht oder mit verdünnter Schwefelsäure geschwellt und zuerst in schwächere, dann in konzentrierte Lohbrühe gebracht. In 3-4 Monaten sind die Häute völlig durchgegerbt. Diese englisch-amerikanische Methode liefert billigere, aber auch losere, schwammigere Ware als das alte Verfahren. Man benutzt bei der Schnellgerberei Vorrichtungen, um die Häute in der Brühe oder zugleich die Häute und die Brühe in Bewegung zu setzen; man preßt die eingetauchten Häute wiederholt zwischen Walzen, damit sie immer von neuem frische Gerbbrühe aufnehmen, oder man bringt die Häute in verschlossene Behälter, macht diese luftleer und läßt die Lohbrühe eintreten. Nach mehreren Stunden wird die Brühe abgelassen, der Apparat wieder luftleer gemacht, mit stärkerer Brühe gefüllt etc. Auch unter erhöhtem Druck wird die Schnellgerberei ausgeführt, und zur Unterstützung des Prozesses wurden Chemikalien, wie Säuren, Soda, Borax, Ammoniaksalze, Kupfer- und Chromsalze, empfohlen.
Das gare Sohlleder wird mit dem Stoßeisen bearbeitet, getrocknet, komprimiert und geglättet. Man benutzt dazu Hammer- und Walzwerke oder eine an einem federnden Pendel hängende, stoßweise wirkende Walze. 100 kg rohe Haut liefern 45-50 kg Sohlleder; da dieses aber nach dem Gewicht verkauft wird, so wird es nicht selten mit Chlorbaryum, schwefelsaurer Magnesia, Stärkezucker etc. beschwert. Zur Darstellung von Oberleder werden die eingeweichten, mit Streckeisen und Kurbelwalke bearbeiteten Häute mit Kalk enthaart, gewaschen, auf der Fleischseite gereinigt, auf der Narbenseite geglättet, in eine Mistbeize oder direkt in die Kurbelwalke gebracht und auf beiden Seiten mit dem Streicheisen behandelt.
Die so weit vorbereiteten Blößen bringt man in mehrere Farben mit successive steigendem Gerbstoffgehalt und gerbt sie dann in der Grube. Stärkere Kuhhäute werden vor dem Gerben gespalten, wobei man eine Haut mit Narben und einen Fleischteil (Spalte) erhält, der zu untergeordneten Zwecken benutzbar ist. Das gare Leder wird gewaschen, auf der Fleischseite mit dem Stoßeisen ausgestoßen, auf der Narbenseite geglättet, getrocknet oder gepreßt, auf der Narbenseite mit Fischthran leicht eingerieben, nach 24 Stunden auf der Fleischseite mit einer Mischung aus Talg und Thran oder anderm Fett bestrichen, zusammengerollt, gewalkt, getrocknet, in warmes Wasser eingeweicht, auf der Fleischseite nachgeschmiert und getrocknet.
Zur weitern Appretur reinigt man das auf der Fleischseite mit dem Falz- oder Dolliermesser von Knoten, Fasern etc. (Dollieren), verdünnt alle zu starken Stellen mit dem Schlichtmond, erzeugt mit dem gekerbten Krispelholz Milde und Weichheit und gibt damit auch der Narbe ein gefälligeres Aussehen. Schließlich bearbeitet man das Leder mit dem Pantoffelholz, welches auf der untern Seite mit glattem Korkholz belegt ist, bestreicht auch wohl die Fleischseite mit einer Schmiere aus Seifenlösung und Talg, trocknet und glänzt sie durch Behandeln mit geschliffenem Glas.
Nach dieser Methode erhält man das braune Oberleder (Schmal-, Fahlleder), welches aus Kalbfellen, Kipsen und Kuhhäuten dargestellt wird. Die Fabrikation des schwarzen Oberleders, des schwarz gewichsten Kalbleders und des Roßoberleders weicht dagegen in manchen Punkten ab. Ersteres wird mit Blauholzabkochung und etwas Soda grundiert, dann mit Eisensalzlösung bestrichen, nach dem Schwärzen auf der Narbenseite mit Fischthran eingerieben etc. Die Wichsfelle werden nach der ersten Appretur gefettet, auf der Narbenseite zuerst mit einer Mischung aus Ruß und Fett geschwärzt und schließlich mit einer Mischung aus Leim und Fett behandelt. In neuerer Zeit hat die Gerberei durch Einführung von Maschinen für die Appretur des Leders die wesentlichsten Fortschritte gemacht.
Man benutzt Lederspaltmaschinen, um stärkere Ledersorten in zwei dünnere Blätter zu teilen, zur Bearbeitung der Narbenseite Lederausstoßmaschinen und Lederglättmaschinen, zur Bearbeitung der Treibriemen Lederhobelmaschinen etc. Wird das feuchte Leder gefettet und dann der Luft ausgesetzt, so verschwindet das Fett für die Wahrnehmung vollständig, wie bei der Sämischgerberei (s. unten); derartig eingefettetes ist gewissermaßen zweimal gegerbt, es ist lohgar und zugleich sämischgar.
Leder, welche nicht der Feuchtigkeit ausgesetzt werden, tränkt man auch mit Glycerin, welches niemals trocknet und das Leder stets geschmeidig erhält. Die Farbe des Leders hängt vom Gerbmaterial und von dem Gerbverfahren ab. Alte Lohe gibt dunkles, Ellernrinde schmutzigbraunes, Weidenrinde, Sumach, Fichtenrinde, Knoppern, Dividivi geben helleres Leder. Dunkle Leder kann man durch Behandlung mit sehr verdünnter Salz- oder Schwefelsäure oder mit saurer Milch etwas heller machen, doch nicht ohne Beeinträchtigung ihrer Güte.
Das Lackleder (Glanzleder) wird aus lohgarem Kalb-, Ziegen- und Kuhleder hergestellt, indem man dasselbe entsprechend vorbereitet, wenn es recht geschmeidig werden soll, häufig spaltet und dann mit einem Grund aus Kienruß und Umbra versieht, der an der Luft, dann im Lackierofen getrocknet und mit Bimsstein abgeschliffen wird. Nachdem diese Operationen einigemal wiederholt sind, streicht man das Leder mit einem eigentümlichen Lackfirnis (Blaulack, mit Berliner Blau bereitet), der eine schwarze Farbe enthält. In stark geheizten Räumen wird dieser Lack dünnflüssig, breitet sich auf dem horizontal liegenden Leder gleichmäßig aus und trocknet unter Erzeugung einer spiegelblanken Oberfläche. Kalbfelle, welche auf der Fleischseite lackiert werden, sind nun fertig, während auf der Narbenseite lackierte Kuhleder zuletzt auf einer erwärmten Steintafel aufgekraust werden. Farbige Lackleder werden mit farbigen, aber dünnflüssigen Lacken bei minder hoher Temperatur hergestellt. Seitdem es gelungen ist, einen sehr biegsamen, geschmeidigen, nicht brechenden Lack zu bereiten, hat das Lackleder viel ausgedehntere Verwendung gefunden.
[Weißgerberei.]
Die Alaun- oder Weißgerberei verarbeitet Häute von der schwersten Büffelhaut bis zum
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leichtesten Schaffell und liefert ein Leder, dessen Fasern zwar zunächst schwach aneinander haften, aber durch einfache mechanische Bearbeitung voneinander gelöst werden können, worauf dann das Leder den höchsten Grad von Weichheit und Geschmeidigkeit zeigt. Niemals aber ist das Gerbmaterial in dem weißgaren Leder so fest gebunden wie in dem lohgaren; es läßt sich mit Wasser ausziehen, und das ist dann wieder in Haut verwandelt. Beim Kochen mit Wasser wird es in Leim verwandelt, während das lohgare Leder viel widerstandsfähiger ist.
Das weißgare Leder hatte früher größere Bedeutung als jetzt, es ist vielfach durch lohgares und in manchen Fällen auch durch sämischgares Leder verdrängt worden; das Glaceeleder und in neuerer Zeit das Kidleder sowie die Chevreaux für Fußbekleidung sind gegenwärtig die wichtigsten Artikel der Weißgerberei. Bei der gemeinen Weißgerberei werden Schaf- und Ziegenfelle verarbeitet und, sofern erstere noch mit Wolle versehen sind, durch ein eigentümliches Verfahren (Anschwöden) enthaart, um die Wolle (Gerberwolle, Raufwolle) zu schonen.
Man bestreicht sie auf der Fleischseite mit einem Brei aus Kalk, Asche und Wasser, legt sie so zusammen, daß die Wolle mit dem Kalk nicht in Berührung kommt, bringt sie in einen Behälter und packt sie um, sobald Erwärmung eintritt. Nach hinreichender Lockerung der Wolle wird dieselbe ausgerauft und der Kalk durch Waschen und mechanische Arbeit entfernt. Nachdem die Häute dann eine weiße Schwellbeize passiert haben, bringt man sie in die Gerberbrühe. Letztere besteht aus 0,75 kg Alaun (auch schwefelsaure oder essigsaure Thonerde), 0,30 kg Kochsalz und 22,5 Lit. Wasser, und man zieht die Felle ein- oder zweimal hindurch, um sie dann aufeinander zu legen und nach 2-3 Tagen auszuringen und zu trocknen.
Sie zeigen sich dann ziemlich steif, werden aber durch das »Stollen«, wobei man sie der Breite nach über eine stumpfe, bogenförmige Schneide hinwegzieht, sehr steif. Diese Ware dient als Weißleder besonders zu Schuhfutter. Die ungarische Weißgerberei wird auf Büffel-, Rinds- und Roßhäute angewandt und liefert besonders Riemen- und Sattlerleder. Man weicht dieselben ein, enthaart sie dann sofort mit einem scharfen Putzmesser und bringt sie ohne weiteres in die Alaunbrühe, in welcher sie durchgetreten werden und im Sommer 8 Tage, im Winter 1-2 Monate liegen bleiben.
Nach dem Trocknen wird dies Leder gereckt, in der Wärme auf beiden Seiten mit Talg getränkt, über Kohlenfeuer hin- und hergezogen und dann aufgehängt. Auch hier verbindet sich das Fett mit der Faser, und das Leder wird gewissermaßen zweimal gegerbt. Dasselbe zeichnet sich durch große Stärke und Zähigkeit aus. Zu Glaceeleder verarbeitet man Zickel- und Lämmerfelle, welche angeschwödet oder auf gewöhnliche Weise mit Kalk, bisweilen unter Zusatz von Auripigment, Gaskalk oder Schwefelnatrium, behandelt, enthaart, gewaschen und wiederholt abwechselnd im Wasser mit hölzernen Stampfen behandelt und auf der Narben- und Fleischseite bearbeitet werden.
Dann bringt man sie in eine Kleienbeize, reinigt sie nach 24 Stunden und schreitet nun zur Gerbung. Hierzu dient ein Brei (Nahrung) aus 85 kg Mehl, 700 Eidottern, 10,5 kg Alaun, 2,6 kg Kochsalz und der erforderlichen Menge Wasser (auf 1000 Felle oder 300 kg). Die Felle werden in dem Brei bei 35° getreten und bleiben schließlich 24 Stunden darin liegen. Aus dem Alaun tritt, wie bei der gewöhnlichen Weißgerberei, schwefelsaure Thonerde in die Haut ein und verbindet sich mit der Faser; auch das Kochsalz wirkt stark gerbend, das Weizenmehl liefert vielleicht eine Verbindung von Kleber mit Thonerde, welche in die Haut eingeht, und das Eigelb wirkt durch seinen Gehalt an Fett, welches das Leder geschmeidig macht und durch Emulsionen fetter Öle ersetzt werden zu können scheint.
Das gare Leder wird langsam getrocknet, durch Wasser gezogen, auf Haufen gebracht, nach gleichmäßigem Durchfeuchten auf der Kurbelwalke bearbeitet und dann in der Länge und Breite über eine stumpfe, halbrunde Klinge gezogen (gestollt). Schließlich läßt man die Felle abermals etwas trocknen, bearbeitet sie auf der Kurbelwalke und egalisiert sie in der Dicke auf einer dem Stolleisen ähnlichen, aber scharfen Klinge. In der Regel wird nun das Glaceeleder gefärbt und zwar entweder durch Eintauchen in die Farbebrühe oder durch Auftragen der letztern mit einer Bürste (Fixfärberei).
Früher färbte man nur mit Pflanzenfarben, jetzt fast ausschließlich mit Anilinfarben. Die gefärbten Felle werden schnell getrocknet und dann durch Treten und Stollen zugerichtet. Das Kidleder wird aus Kalb- und Ziegenfellen hergestellt und für Beschuhungszwecke verwendet. Die Kidgerberei weicht von der Glaceegerberei nur in einigen Punkten ab, die Bearbeitung in der Nahrung erfolgt hier mit einer durch Dampfkraft bewegten Walke. In der Regel werden die Felle mit Blauholz und chromsaurem Kali schwarz gefärbt und erhalten zarten, milden Glanz, indem man sie mit einer Emulsion aus Seifenlösung, Wachs und Talg bestreicht, dann wie Wäsche bügelt und auf der Narbenseite mit Fett einreibt. Die Glanz-Chevreaux aus Zickelfellen werden nach dem Färben getrocknet und auf der Glanzmaschine geglänzt.
[Mineralgerberei.]
Der Weißgerberei schließt sich die Mineralgerberei an, welche speziell die Lohgerberei ersetzen soll, bereits sehr beachtenswerte Resultate erzielt hat und in der Zukunft noch bedeutungsvoller werden dürfte. Die in üblicher Weise gereinigten Blößen werden bei der Mineralgerberei in eine kalte Lösung von basisch schwefelsaurem Eisenoxyd gehängt und, nachdem sie in 2-4 Tagen die Gare erreicht haben, mit Fetten in gelöster Form und mit Eisenseife im Walkfaß behandelt.
Das so erhaltene Leder, welches in 8-14 Tagen hergestellt werden kann, ist wohlfeil, sehr dauerhaft und wird durch Wasser nicht verändert. Ein ähnliches Fabrikat wird erhalten, indem man geschwellte Blößen in eine viertelprozentige Lösung von Chromsäure oder in eine halbprozentige Lösung eines Chromoxydsalzes, beide mit Alaun und Kochsalz versetzt, bringt und nach einiger Zeit in immer stärkere Lösungen überträgt. Nach 4-14 Tagen knetet man das Leder in einer 4-8prozentigen Lösung von Chlorbaryum, Bleizucker oder Seife, wäscht, trocknet oberflächlich, wirkt gut aus und bringt es 36 Stunden in eine Lösung von Stearin, Paraffin, Wachs, Harz etc. in Benzin. Ober- und Riemenleder wird dann mit Talg, Thran oder Dégras geschmiert und an einen warmen Ort gehängt oder gewalkt. Das chromgare ist viel wasserdichter als lohgares, und seine Gare kann ihm durch Wasser nicht entzogen werden.
Das in England als Crown leather bekannt gewordene Leder wurde zuerst von Klemm nach einem ihm 1849 in Württemberg patentierten Verfahren hergestellt und ist jetzt in England, Deutschland, der Schweiz, in Nordamerika (als Eurekaleder) sehr verbreitet. Nach dem ursprünglichen Verfahren werden die enthaarten trocknen Häute auf der Fleischseite mit einer Mischung aus Mehl, Rindshirn,
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Butter, Milch, Klauenfett und Salz bestrichen, in rotierenden Trommeln unter Zuströmen warmer Luft bearbeitet, an die Luft gehängt, von neuem mit dem Gemisch behandelt und hiermit so lange fortgefahren, bis sie gar sind. Das ist besonders biegsam, leicht, fest und dauerhaft. Nach einem zwischen dem Weiß- und Sämischgerben stehenden Verfahren erhielt Klemm das Fettleder, welches, aus starken Häuten bereitet, zu Maschinenriemen, schwerem Schuhwerk, Tornistern etc. verwendbar ist, während Hirsch-, Reh-, Ziegen-, Schaf- und Gemsfelle die schönsten Handschuhleder liefern. Es wird durch anhaltende Behandlung mit siedendem Wasser wenig oder kaum verändert. Zur Darstellung werden die Häute durch Anschwöden enthaart, ausgewaschen und ausgestrichen, in Kleienbeize behandelt, in frischem Wasser abgeschwenkt und auf der Fleischseite ausgestrichen. Zum Gerben benutzt man eine salzhaltige warme Alaunbrühe, in welcher die Häute 24 Stunden verbleiben; dann wäscht man sie mit lauem Wasser, bearbeitet sie in einem Brei aus Mehl, Hirn und Kammfett und läßt sie trocknen.
[Sämischgerberei.]
In der Sämisch- oder Ölgerberei werden Hirsch-, Reh-, Gems-, Elen-, Schaf-, Ziegen-, Kalbfelle, auch Ochsenhäute verarbeitet, und man verwandelt dieselben in Leder, indem man sie mit Fett oder Thran (welches jetzt meist mit einigen Prozenten Karbolsäure versetzt wird) imprägniert und der Luft aussetzt. Das Fett verschwindet dabei für die Wahrnehmung vollständig; es läßt sich aus dem Leder nicht mehr durch Waschen entfernen, und beim Kochen mit Wasser verwandelt sich das Leder äußerst schwer in Leim.
Das sämischgare ist ungemein weich, von fast wolliger Beschaffenheit, besonders wenn, wie bei dicken Ledern üblich, die minder dehnbare und geschmeidige Narbe abgestoßen wurde. Es ist nicht wasserdicht, verliert aber durch Wasser nicht seine Gerbung und kann ohne Schaden gewaschen werden (Waschleder). Die Felle werden geweicht, gestreckt, stark gekalkt und enthaart, wobei man von den stärkern zugleich die Narbe abstößt, dann wiederholt mit Kalk behandelt und auf der Fleisch- und Narbenseite bearbeitet.
Hierauf wässert man die Häute in lauwarmem Wasser, bringt sie in angewärmte, stark saure Kleienbeize und spült und preßt oder ringt sie aus. Behufs der Gerbung werden die Felle wiederholt mit Thran eingerieben, gewalkt und dazwischen der Luft ausgesetzt, bis sie nur noch wenig Fett aufzunehmen vermögen. Schon während des Aushängens an die Luft verändert sich ein Teil des Fettes und verbindet sich mit der Haut; die Umwandlung und Bindung des größern Restes erreicht man durch Aufschichten der Felle in der Wärmekammer, wobei eine Art Gärung eintritt und das Fett energischer Oxydation unterliegt (Färben in der Braut).
Das ölgare ist nun gelb und besitzt einen eigentümlichen, nicht mehr thranigen Geruch. Es enthält aber immer noch etwas ungebundenes Fett und wird deshalb zunächst mit lauwarmer Pottaschelösung behandelt (s. Dégras), dann ausgerungen, getrocknet und gestollt, um ihm die größte Geschmeidigkeit zu geben. Man kann das sämischgare auch bleichen, indem man es an der Sonne mit Wasser, Seifenlösung oder der zum Auswaschen benutzten Pottaschelösung benetzt.
Gefärbt wird das sämischgare Leder durch Eintauchen, worauf man es in eine Lösung von Eigelb, Alaun und Wasser bringt, spült, trocknet und glättet. Zum Gelbfärben mischt man Ocker, Kreide und Schüttgelb mit Wasser und wenig Kleister zu einem Brei, trägt diesen mit einer Bürste auf, läßt trocknen, stollt und schüttelt das nicht haftende Pulver aus. Weiß färbt man in ähnlicher Weise mit Kreide. Für andre Farben beizt man mit Alaun und trägt dann die Farbebrühe mit einer Bürste auf. Rauh- oder Rauchleder ist sämischgares Leder, dessen Narbe nicht abgestoßen worden, und dessen Fleischseite geschwärzt ist; es ist wegen seiner Milde und Weichheit zu Damenstiefeln sehr beliebt. Transparentleder ist mit verdünntem, alaunhaltigem Glycerin imprägnierte und getrocknete Haut. Es ist sehr weich und eignet sich vorzüglich zu Bindriemen; gegen Wasser verhält es sich nicht viel anders als Haut.
Geschichtliches und Statistisches.
Die Gerberei ist unzweifelhaft einer der ältesten Industriezweige. Die ausgedehnte Benutzung der Tierhäute mußte notwendig zum Aufsuchen einer Behandlungsweise führen, durch welche sie vor Fäulnis geschützt werden konnten, und vielleicht wurde zuerst eine Art sämischgares Leder erzeugt. Lange vor Beginn unsrer Zeitrechnung waren lederne Gefäße und Kleidungsstücke bei Ägyptern und Juden gebräuchlich, und von diesen erhielten auch die Römer das Leder. Die Enthaarung erzielte man bei den Römern durch Urin und Maulbeerblätter, auch mit Hilfe der Frucht der Zaunrübe.
Als Gerbmaterialien waren Kiefer-, Erlen- und Granatbaumrinde, Galläpfel, Sumach, Eicheln, bei den Ägyptern die Schoten einer Akazie gebräuchlich; doch benutzte man auch Alaun mit Salz. Bis in die neueste Zeit hinein hat sich die Gerberei ganz empirisch entwickelt, die Fortschritte der Naturwissenschaft gingen spurlos an ihr vorüber; sie stützt sich ganz auf praktische Erfahrung, und damit hängt es zusammen, daß wir so wenig von der Geschichte der Gerberei wissen. Im Mittelalter, wo schon bei allen zivilisierten Völkern Leder dargestellt wurde, scheint die Gerberei einen vorwiegend landschaftlichen Charakter angenommen zu haben, und noch jetzt tritt derselbe hier mehr als in andern Industriezweigen hervor.
Das Gerben mit Galläpfeln bildete sich als die Methode des Orients, das Gerben mit Eichenlohe als die des Occidents, das Gerben mit Alaun als die der Sarazenen heran. Der Orient übertraf in seinen Produkten lange Zeit den Westen; 1749 wurde die erste europäische Saffianfabrik im Elsaß errichtet, aber erst seit 1797 datiert mit der Gründung der Gerberei in Choisy bei Paris der Aufschwung der französischen Saffiangerberei. In Deutschland (Württemberg) fand diese Fabrikation bald nach 1800 Eingang.
Die englischen Lohgerbereien erzeugten im 18. Jahrh. bereits vorzügliches Leder. In Deutschland erlangten die Gerbereien in Malmedy und Mainz großen Ruf. Die Berliner Lohgerberei gewann seit 1734 durch französische Einwanderer bedeutende Ausdehnung und Vervollkommnung. Die zuerst in Frankreich mit Erfolg betriebene Lacklederfabrikation pflanzte sich bald nach Deutschland fort, ebenso das Weißgerben von Ziegen-, Lamm- und Schaffellen, welches anfänglich ein besonderer Industriezweig der Stadt Annonay und ihrer Umgegend war. 1769 hatte Macbridge das Gerben mit Lohbrühe vorgeschlagen; eine irrationelle Darstellungsweise der Brühe war aber der Ausbreitung dieser Methode lange hinderlich, und erst zu Ende des Jahrhunderts fand sie allgemeine Anwendung. Später wetteiferten Engländer und Amerikaner in der Ausbildung der Schnellgerberei. Während dann die Arbeiten von Knapp, Lietzmann, Rollet, Reimer einen gewissen Einblick in das Wesen der Gerberei verschafften, war man in der Praxis vor allem bemüht, durch Einführung von Maschinen die Zurichtung des Leders zu vervollkommnen. Schon vor 1800 hatte
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man in der Schweiz durch Wasser getriebene Hämmer zum Verdichten des Sohlleders benutzt; später ging man zu Vertikalhämmern über und ließ in der Folge den Stempel nicht mehr schlagend, sondern drückend wirken. Auch die Konstruktion der Lederspaltmaschinen datiert aus dem vorigen Jahrhundert. Knapp beschäftigte sich seit Anfang der 50er Jahre mit der Benutzung von mineralischen Substanzen zur Darstellung von und nahm 1861 ein Patent auf sein Verfahren. Größere praktische Bedeutung gewann die Mineralgerberei aber erst in neuester Zeit, namentlich auch durch die Bemühungen von Heinzerling, welcher zuerst chromgares Leder darstellte.
In den letzten Jahren ist ein sicherer Weg zur Hebung der Gerberei angebahnt worden, zunächst in Österreich durch Gründung einer Versuchsstation für Lederfabrikation, auf welcher wissenschaftliche Untersuchungen ausgeführt werden, und die zugleich einen Zentralpunkt bilden soll für die Aussendung von Wanderlehrern etc. Gegenwärtig bildet die Lederfabrikation im Deutschen Reich einen der umfänglichsten und wichtigsten Industriezweige. Schwere Sohlleder von vorzüglicher Qualität werden meist nach dem alten Verfahren in den Rhein-, Mosel- und Eifelgegenden, in Hannover, Berlin, Straßburg, Nürnberg und Passau dargestellt, in Norddeutschland mehr aus importierten Wildhäuten, in Süddeutschland aus einheimischen Häuten. In lackiertem und Kidkalbleder nimmt Deutschland die erste Stelle ein; beide Lederarten werden hauptsächlich in München, Mainz und Worms, erstere auch in Offenbach dargestellt.
Gegenwärtig werden in Deutschland wohl 2,25 Mill. Kalbfelle auf Kalbkid verarbeitet, und mehr als zwei Drittel dieser Produktion werden exportiert. Im ganzen dürften an 5,5 Mill. Kalbfelle verarbeitet werden, davon in Worms 2,3 Mill., in Mainz 450,000, in München 600,000, in Dresden 800,000 Stück. Mit gefärbtem Leder, besonders den feinern und feinsten Sorten, versieht Deutschland alle Kulturstaaten. Die Hauptsitze dieser Industrie sind Mainz, Frankfurt a. M., Berlin, Homburg, Bonames, Mülhausen, Straßburg, Lahr, Köln, Kirn, Kalw, Königsberg i. Pr. Es werden über 7 Mill. Ziegen- und Schaffelle jährlich verarbeitet, wovon auf Mainz allein 916,000 Stück kommen.
Eine Spezialität der deutschen Lederindustrie ist das Roßleder, welches namentlich in der Provinz Hannover, in Harburg, dann in Hamburg, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Berlin, Merseburg, Perleberg und Plauen dargestellt wird. Vorzügliches leistet Großbritannien in der Gerberei; namentlich ist sein Sattlerleder, Schweins- und Sohlleder berühmt, und auch die Bereitung der farbigen Leder wird mit außerordentlichem Luxus betrieben. Die Hauptproduktionsorte sind vor allen London, dann Birmingham, Bristol, Leeds, Stowmarket (Suffolkshire).
Frankreich übertrifft alle andern Staaten in der Handschuhlederfabrikation (Annonay, Chambéry, Paris) und ist auch für das feinere Oberleder tonangebend. Von Lackleder liefert es nächst Deutschland die größten Quantitäten. In Österreich ist die Gerberei sehr entwickelt, und manche Fabrikate stellen sich den besten ausländischen an die Seite; aber die Produktion deckt, namentlich in feinern Sorten, nicht den einheimischen Bedarf. Rußland hat viele Gerbereien in den Gouvernements Warschau, Saratow, Wolhynien, Perm, Nishnij Nowgorod und Witebsk; berühmt ist sein Juftenleder (s. d.), welches besonders in den Gouvernements Twer und Kostroma dargestellt wird. Außerdem liefert Rußland vortreffliches feines Kalbleder. Eine hoch entwickelte Lederindustrie haben endlich auch Dänemark (Kopenhagen) und Belgien (Brüssel, Lüttich, Stavelot, Gent, Iseghem und Tournai). Nordamerika fertigt vortreffliche und ist durch den großen Export von billigem Hemlockleder auch für die deutsche Lederindustrie wichtig geworden.
Vgl. Günther, Fabrikation des lohgaren Leders (Weim. 1867);
Derselbe, Lehrbuch der Glaceehandschuhleder- und der Kalbkidlederfabrikation (Leipz. 1874);
Lietzmann, Die Herstellung der Leder (2. Aufl., Berl. 1875);
Hausner, Textil-, Kautschuk- und Lederindustrie (Wien 1876);
Heinzerling, Grundzüge der Lederbereitung (Braunschw. 1882);
Beller, Handbuch der Glaceelederfärberei (2. Aufl., Weim. 1880);
Höhnel, Die Gerberrinden (Berl. 1880);
Wiener, Die Lederfärberei und die Fabrikation des Lackleders (Wien 1881).
Zeitschriften: »Deutsche Gerberzeitung« (Berl., seit 1858),
»Gerberzeitung« (das., seit 1858),
»Der Gerber« (Wien, seit 1875);
»Der Gerber« (Hamb., seit 1886);
»Der süddeutsche Gerber« (Waldsee in Württemberg, seit 1875).