Laut
,
im allgemeinen jeder bei bestimmter
Stellung der Organe des Mundes und
Kehlkopfes mit Hilfe des Respirations-(Atmungs-)stroms
erzeugte
Schall,
[* 2] sei es
Klang
(Ton) oder
Geräusch. Zur Erzeugung eines Laut
sind notwendig: der durch die
Atmungsorgane erzeugte
Luftstrom, eine schallbildende
Hemmung desselben im
Kehlkopfe oder dessen Ansatzrohr (d. h.
Rachen-, Mund-
und Nasenhöhle) durch Verschluß oder Verengung, endlich ein durch dieses Ansatzrohr gebildeter Resonanzraum, der dem
Schall
eine bestimmte Färbung giebt.
Spottiswoode - Sprache

* 3
Sprache.
Die
Stellungen, welche die Organe zu der erwähnten
Hemmung einnehmen, heißen
Artikulationen, der bestimmte Ort, wo die
Hemmung
stattfindet, die Artikulationsstelle des Laut
(in dem
Begriffe «Laut»
liegt demnach bereits das Artikuliertsein).
Die von den so erzeugbaren Laut
in der menschlichen
Sprache
[* 3] verwendeten heißen
Sprachlaute, die von diesen in einer bestimmten
Sprache vorkommenden bilden deren Laut
bestand. Die
Lehre
[* 4] von der Erzeugung, der besondern Art und dem Verhältnis der Laut
zueinander
heißt
Phonetik (vom griech. phonē, «Laut»
)
oder Laut
physiologie, auch
Sprachphysiologie; unter Laut
lehre oder Phonologie versteht man die
Darstellung
des Laut
bestandes einer einzelnen
Sprache oder Sprachengruppe und seiner geschichtlichen
Veränderungen.
Eine Hauptaufgabe der Laut
physiologie ist die systematische
Anordnung der
Sprachlaute. Die aus dem
Altertum überkommene
Einteilung
der Laut
in
Vokale und
Konsonanten und der letztern wieder mutae (tenues,
k, t, p, media, g, d,
b, und aspiratae,
kh, th, ph, grch. χ, ϑ, ϕ), liquidae (l, r,
m, n) und
Spiranten (s, ch, f u.s.w.) wird zwar in praktischen
Sprachlehren immer
noch beibehalten, ist aber wissenschaftlich ungenügend. Die Laut
physiologie teilt die Laut nach verschiedenen
Gesichtspunkten
ein. Die wichtigsten Einteilungsarten sind:
Mundhöhle, Nasenhöhlen

* 5
Kehlkopf. 1)
Tönende (stimmhafte) und tonlose (stimmlose) Laut.
Werden durch den Luftstrom die
Stimmbänder im
Kehlkopf
[* 5] in rhythmische Schwingungen
versetzt, so entsteht ein musikalischer
Klang, der Stimmton. Laut, die mit Stimmton hervorgebracht werden, z.B. a, n, w, nennt
man tönend. Erfährt der Luftstrom erst im Ansatzrohr eine
Hemmung, sei es durch Herstellung eines völligen
Verschlusses, wie
bei t, oder nur einer Verengerung, wie bei f, so entstehen tonlose Laut. Zu diesen gehören indes auch solche,
bei denen der Luftstrom so durch den
Kehlkopf und die Mund- oder Nasenhöhle durchgeht, daß weder dort noch hier eine Schallbildung
stattfindet; das sind die tonlosen
Vokale oder, wie sie gewöhnlich heißen, die
h-Laute (man kann z. B.
das h in
«Uhu» als ein tonloses
u, das in «Hirt» als ein tonloses i bezeichnen). – 2)
Sonorlaute und
Geräuschlaute.
Laute

* 7
Seite 60.1021.Das Ansatzrohr dient einerseits zur Modifikation der im Kehlkopf gebildeten Klänge, andererseits können in ihm durch Hemmung und Reibung [* 6] des Luftstroms «Geräusche» erzeugt werden, die von der Thätigkeit des Kehlkopfs unabhängig sind. So findet z. B. bei t und bei dem s von ist ein Geräusch an der Innenseite der obern Zahnreihe oder an den Alveolen statt. Stimmton und Ansatzrohrgeräusch können verbunden sein, z.B. beim sog. weichen s (frz. z in zéro). Diejenigen Laut nun, die mit Geräusch gebildet werden, seien sie tonlos oder tönend, heißen Geräuschlaute (sie zerfallen in Verschlußlaute oder explosivae, wie t, d, und Reibelaute oder Spiranten, wie s, frz. z, f, v); diejenigen dagegen, bei denen Stimmbildung im Kehlkopf stattfindet und das Ansatzrohr nur schallmodifizierend wirkt, heißen Sonorlaute (zu ihnen gehören die Vokale, die Nasale und die r- und l-Laute, wenn sie ohne Reibungsgeräusch hervorgebracht werden). – 3) Mundlaute, Nasenlaute und Mund-Nasenlaute. Bei den meisten Sprachlauten ist der Nasenraum durch das an die hintere Rachenwand angedrückte Gaumensegel (s. Gaumen) abgesperrt, z.B. bei a, t, f. Dieses sind die reinen Mundlaute. Hängt aber das Gaumensegel frei herunter, sodaß die Luft durch den Nasenraum ausströmen kann, so entstehen, wenn ¶
mehr
die Mundhöhle nach außen hin abgesperrt ist (z. B. durch Aufeinanderpressen der Lippen), die reinen Nasenlaute (nasales), m, n u. s. w. Entweicht hingegen die Luft durch Mund und Nase [* 8] zugleich, so haben wir Mund-Nasenlaute, zu denen namentlich die nasalierten Vokale gehören, wie in frz. enfant. - 4) Nach den Artikulationsstellen des Mundraums: a. Die Lippenlaute (Labiale): Verschluß oder Enge werden gebildet durch die beiden Lippen oder durch Unterlippe und Oberzähne (b, p, f u. a.). b. Die Zwischenzahnlaute (Interdentale): der vordere Zungensaum verstopft den Spalt zwischen den beiden Zahnreihen (z. B. engl. th). c. Zahnlaute (Dentale): Verschluß oder Enge gebildet durch die Zungenspitze und die Zähne [* 9] oder die Alveolen der Oberzähne (hierher gehören die mannigfachen Arten der t- und d- wie s-Laute), d. Die Cerebrallaute (auch Kakuminale oder Linguale genannt): die Zungenspitze wird auf- und zurückgebogen und artikuliert gegen die höchste Stelle der Gaumenwölbung;
diese Laut giebt es z. B. im Sanskrit, man bezeichnet sie in lat. Schrift durch die zur Bezeichnung der Dentale angewandten Buchstaben mit darunter gesetztem Punkt, t, th, d, dh, n. e. Die Gaumenlaute (Palatale): Verschluß oder Enge gebildet durch den mittlern Zungenrücken und den harten Gaumen (hierher z. B. im Deutschen das k, g vor e, i, das ch von ich), f. Die Kehllaute (Gutturale, auch Velare genannt): Verschluß oder Enge gebildet durch den hintern Zungenrücken und den weichen Gaumen (k, g vor a und andern sog. harten Vokalen, ch in ach u. a.). - 5) Dauer- und Momentanlaute.
Jene sind solche Laut, deren Erzeugung beliebig lange fortgesetzt werden kann (Vokale, Liquidä, Nasale und Spiranten). Bei diesen erfolgt die Lauterzeugung momentan, es sind die sog. Verschluß- oder Explosivlaute (s. oben): es wird an irgend einer Artikulationsstelle durch Aufeinanderpressen der betreffenden Mundteile ein fester Verschluß gebildet, der nach einem Augenblick völliger Lautlosigkeit gesprengt wird; von den beiden Namen Verschluß- und Explosivlaut bezeichnet also jeder nur eins von den verschiedenen Momenten, die bei der Bildung dieser Laut in Betracht kommen. - 6) Einfache und zusammengesetzte Laut. Da die Laut in der lebendigen Sprache gewöhnlich nicht vereinzelt auftreten, sondern in Verbindung mit andern, in Lautverbindungen, so hat die Lautphysiologie vor allem auch diese Lautverbindungen zu untersuchen.
In der Zeit, in der die Sprachorgane aus der festen Stellung für einen Laut in die feste Stellung für einen andern Laut übergeführt werden, dauert der Luftstrom fort, und bei diesem Übergang sind immer Übergangslaute vorhanden, z. B. werden zwischen a und i in der Verbindung ai (Kaiser) e-Laute als Übergangslaute gesprochen. Die Schrift, die ja die lebendige Rede im allgemeinen nur in mehr oder minder roher Umrißzeichnung wiedergiebt und kein durchaus getreues Abbild von ihr ist, läßt die Übergangslaute in der Regel unbezeichnet.
Der Begriff des zusammengesetzten Laut ist hiernach, d. h. wenn man die wirkliche Sprache, nicht ihre schriftliche Darstellung in Betracht zieht, schwer zu begrenzen. In der minder exakten Grammatik nennt man zusammengesetzte Laut solche, die einen stärkern Gegensatz zueinander bilden und oft vereinigt auftreten, auch in der Schrift gewöhnlich als ein Mehrfaches erscheinen. Namentlich gehören dahin die Diphthonge (Verbindung zweier Vokale innerhalb derselben Silbe, wie ai, au, ei) und die Aspiraten (Verbindung eines Verschlußlautes mit h, wie kh, gh). - 7) Sonanten (Selbstlauter) und Konsonanten (Mitlauter).
Trägerrecht - Tragisch

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Träger.Jede Silbe hat einen Laut, der der Träger [* 10] der Silbenbetonung ist, z. B. in hóff-núng die Vokale o und u. Solche Laut nennt man Sonanten. Die andern Elemente der Silbe sind gewissermaßen nur Beigaben zu dem den Kern der Silbe ausmachenden Sonanten und heißen darum Konsonanten. Jede Silbe muß einen Sonanten haben und kann nur einen haben. Dagegen kann sie mehrere Konsonanten (z. B. Genitiv strúmpfs) oder auch gar keinen (z. B. das ausrufende o!) enthalten. Ein großer Teil nun der Sprachlaute kann ebensowohl sonantisch als auch konsonantisch fungieren. Am bekanntesten ist diese Doppelgeltung der Vokale i und u, z. B. ist in «Asien» [* 11] das i bei dreisilbiger Aussprache des Wortes sonantisch, bei zweisilbiger (Asjen) konsonantisch; ebenso ist u in lateinisch aqua konsonantisch; immer konsonantisch sind i und u in den Diphthongen ai, au, ei, eu u. dgl. Ferner sind sonantische Nasale (n, m) und Liquidä (r, l) häufig. Auch im Deutschen, wo die Schrift allerdings diese Geltung der Laut nicht erkennen läßt: man spricht z. B. die Formen geritten, rechnet, handelt fast immer als gerittn, rechnt, handlt mit silbebildendem n und l (während in berittne und handle n und l konsonantisch stehen). Entsprechend sind in czechischem vlk (Wolf) und krt (Maulwurf) l und r Sonanten; s ist Sonant z. B. in unserer Interjektion «bst!».
Mas a Fuera - Maschine

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Maschine.In der Lautphysiologie leisteten bereits die alten Inder sehr Bedeutendes. Unter den europ. Völkern sind nennenswerte Beiträge zu dieser Wissenschaft erst seit dem 17. Jahrh. zu verzeichnen. Im Ausgang des 18. Jahrh. erschien das erste grundlegende Werk von W. von Kempelen, Mechanismus der menschlichen Sprache nach der Beschreibung seiner sprechenden Maschine [* 12] (Wien [* 13] 1791). In unserm Jahrhundert nahm die Phonetik einen bedeutenden Aufschwung, als die Wichtigkeit der lautphysiol.
Forschung für die Sprachwissenschaft klarer erkannt wurde und sich neben den Physiologen auch die Sprachforscher an diesen Studien beteiligten. Gute Handbücher lieferten Brücke, [* 14] Grundzüge der Physiologie und Systematik der Sprachlaute (2. Aufl., Wien 1876); Sievers, Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogerman. Sprachen (4. Aufl., Lpz. 1893);
ders., Phonetik (in Pauls «Grundriß der german. Philologie», Bd. 1, S. 266 fg.);
G. H. von Meyer, Unsere Sprachwerkzeuge und ihre Verwendung zur Bildung der Sprachlaute (Lpz. 1880);
Vietor, Elemente der Phonetik und Orthoepie des Deutschen, Englischen und Französischen (2. Aufl., Heilbronn [* 15] 1887);
Bremer, Deutsche [* 16] Phonetik (Lpz. 1893).
Vieles Einzelne in Techmers «Internationaler Zeitschrift für allgemeine Sprachwissenschaft» (Lpz. 1884 fg.) und in Vietors «Phonetischen Studien» (Marb. 1888 fg.). Neben den Deutschen haben sich die Engländer und die Schweden [* 17] um die Lautphysiologie verdient gemacht. Hervorzuheben sind: A. M. Bell, Visible speech (Lond. 1865);
A. I. Ellis, On early English pronounciation (4 Tle., ebd. 1869 - 75);
H. Sweet, Handbook of phonetics (Oxf. 1877) und History of English sounds (ebd. 1888);
I. Laut Lundell, Det svenska landsmålsalfabetet («Svenska Landsmålen», I); I. Storm, Engl. Philologie, Bd. 1. (2. Aufl., Lpz. 1892).