Heupferde (Locustidae), eine Familie der eigentlichen Geradflügler
[* 2] (s. d.),
haben borstenförmige, den Körper an Länge übertreffende Fühler, zu Springbeinen entwickelte Hinterbeine und viergliedrige
Füße. Flügeldecken und Flügel sind fast immer vorhanden. An der rechten Flügeldecke findet sich beim Männchen eine
von einem starken
Ring umgebene, dünnhäutige
Stelle, die als Zirporgan dient; eine feingekerbte
Leiste der linken Flügeldecke
wird gegen den
Ring gestrichen.
In den Schienen der Vorderbeine liegt das Gehörorgan in Form einer häutigen
Blase, über die eine feine
Haut
[* 3] straff ausgespannt
ist. Die Laubheuschrecken leben auf Sträuchern und
Bäumen, auch im Grase und nähren sich meist von andern
Insekten,
[* 4] die sie geschickt
mit den Vorderbeinen fangen; manche fressen nebenbei Pflanzenteile, wenige ausschließlich. Die Weibchen
bringen mit ihrer langen Legeröhre die
Eier
[* 5] haufenweise in der Erde unter. Die ansehnlichste einheimische
Art ist das grüne
Heupferd (s. d.). Hierher gehört auch die dunkle
Scaphura Vigorsi Kirb. (s.
Tafel:
Insekten I,
[* 1]
Fig. 4) aus
Brasilien.
[* 6]
Die Flügeldecken sind fast durchweg schmäler, aber ebenso lang wie die Hinterflügel. Mit den Schenkeln der meist verlängerten
Hinterbeine geigen die Männchen an den Flügeldecken und erzeugen dadurch schrillende, wenig anhaltende Töne. Der Hinterleib
ist kegelförmig und die Legescheide des Weibchens ganz kurz, nicht hervorragend. Am Hinterleib der Akridier liegt beiderseits
dicht hinter dem Metathorax eine von einem hornigen Ring umgebene und mit einer zarten Membran überspannte Grube,
welche als Gehörorgan gedeutet wird. Alle Heuschrecken sind äußerst gefräßig, leben nur von Vegetabilien und können den Saaten verderblich
werden. Im Herbst legt das Weibchen in Klümpchen vereinigte Eier an Grashalme oder flach unter die Erde. Die flügellosen Larven
kriechen im Frühjahr aus, wachsen unter mehrmaligen Häutungen bis Juli oder August heran und sterben
nach der Begattung und dem Ablegen der Eier. Die Wanderheuschrecke (OedipodamigratoriaL., s. Tafel »Geradflügler«),
lang, variiert in der Färbung, ist oben graugrün bis braun- oder grasgrün, unten fleischrötlich bis rot oder gelb, an der
Innenseite der Hinterschenkel blau mit zwei dunkeln Querbinden; die bräunlichen Flügeldecken sind dunkel gefleckt, die
Flügel innen gelblichgrün, sonst glashell. Das Weibchen legt etwa 150 Eier in 2-3 Klümpchen meist 4 cm
tief in die Erde; die anfangs gelblichweißen Larven häuten sich bis zur vollständigen Entwickelung fünfmal. Die Wanderheuschrecke
pflanzt sich alljährlich in Südeuropa, in der Tatarei, in Syrien und in Kleinasien fort, und diese Länder sind als ihre Heimat
anzusehen.
Schon bei Plinius ist von Gesetzen die Rede, nach welchen die Bewohner von Kyrene jährlich dreimal gegen die Wanderheuschrecken
zu Feld ziehen mußten. Solche Gesetze sind auch in Frankreich und Preußen
[* 18] erlassen worden. Man hat die
die Eier bergenden Erdklümpchen zu sammeln, zur Zerstörung der LarvenGräben zu ziehen, Falllöcher in deren Sohle anzubringen,
die Brut hineinzutreiben und zu töten. Beim Hereinbrechen von Schwärmen bleibt nichts übrig, als die Feldfrüchte, deren Erntezeit
nahe ist, so schnell wie möglich einzubringen, um wenigstens etwas zu retten.
Mit dem Auftreten der Heuschrecken erscheint oft der Rosenstar, dessen bevorzugte Nahrung die Heuschrecken bilden. Die osteuropäische Wanderheuschrecke
ist von manchen als besondere Art (O. cinerascensFab., s. Tafel »Geradflügler«) unterschieden worden. Auch in Südamerika
[* 19] und besonders in Afrika
[* 20] treten gleich gefährliche Arten auf. Es ist beobachtet worden, daß die Eier der
südafrikanischen Art mehrere Jahre in der Erde liegen können, ohne die Entwickelungsfähigkeit zu verlieren, wenn es an
Feuchtigkeit fehlt, während bei normal eintretendem Regen die Jungen schon nach einigen Monaten ausschlüpfen. In Südafrika
[* 21] essen die Eingebornen schwach geröstete auch füttert man damit die Pferde.
[* 22] In Deutschland leben noch
mehrere Arten mit blauen oder roten, schwarz gesäumten Hinterflügeln.
Die kleinen auf Wiesen und Grasplätzen lebenden Heuschrecken gehören zur GattungGomphocerusBurm., und von diesen soll G. pratorumFisch.
bisweilen auf Wiesen, Gersten- und Haferfeldern Schaden anrichten. Die italienische Heuschrecke (CaloptenusitalicusBurm.),
am Körper und auf den Flügeldecken schmutzig gelb, braun gesprenkelt, am Innenrand der Hinterflügel und an der Innenseite
der Hinterschenkel rosenrot, zeigt sich besonders in Wäldern und wird vorzugsweise den Bäumen und der Weinblüte nachteilig.
Sie findet sich in Italien,
[* 23] Rußland, auch in Österreich
[* 24] und Deutschland.
Die Dornschrecke (Tetrix subulataL., s. Tafel »Geradflügler«),
mit sehr kleinem Kopf,
stark vorspringenden Augen, nach hinten
sehr stark verlängertem Prothorax, schuppenförmigen Flügeldecken, ohne Zirpvermögen, 11 mm lang, graubraun, mit hellgelber
Längsbinde auf Kopf und Thorax, ist überall nicht selten.
die Fühler sind sehr lang, dünn, borstenförmig, die Oberlippe ist kreisrund,
an der Unterlippe sind die kleinen innern Laden hinter die äußern zurückgedrängt;
der Prothorax pflegt sich nach hinten
über die äußerste Wurzel
[* 25] der Flügeldecken auszubreiten;
diese liegen dem Körper meist vertikal an
und decken sich nur mit dem kleinen Hinterfeld.
In dem Hinterfeld der rechten untern Flügeldecke liegt bei dem Männchen
eine rundliche, glashelle, von einem hornigen Ring eingefaßte Membran, in dem der linken Flügeldecke dagegen eine kräftige,
gekerbte Querader, mit welcher der Ring gewetzt werden kann. Hierdurch entsteht das Zirpen, welches durch
die Schwingung
[* 26] der Membran verstärkt wird. Die Hinterbeine sind verlängert, die Tarsen viergliederig. Die Legescheide ist
meist groß, säbelförmig. Das Gehörorgan liegt an der Basis der Vorderschienen und besteht aus paarigen Spaltöffnungen,
welche durch eine innen ausgespannte Membran verschlossen sind (s. Figur).
Die Entwickelung gleicht im wesentlichen der der Feldheuschrecken. Die meist grünen Laubheuschrecken sind über die ganze Erde
verbreitet und leben vielleicht vorwiegend von animalischerKost. Der Warzenbeißer (großes, braunes Heupferdchen, DecticusverrucivorusL.), 3 cm lang, bräunlichgrün, besonders auf den Flügeldecken braun gefleckt, unterseits heller, mehr gelblich,
legt etwa 100 Eier zu je 6-8 in die Erde, findet sich in Nord- und Mitteleuropa häufig auf Wiesen und Kleefeldern,
beißt so stark, daß die Haut mit Blut unterläuft, und läßt dabei einen braunen Saft ausfließen.
Das große, grüne Heupferd (LocustaviridissimaL.), 2,5 cm lang, hell grasgrün, mit langen, gleich breiten,
den Hinterleib um das Doppelte an Länge überragenden Flügeldecken, deren Hinterfeld gebräunt ist, am Scheitel und Thorax mit
rostroter Längsbinde, auf letzterm zugleich mit zwei hellgelben Flecken, findet sich überall in Europa
[* 27] in Getreidefeldern,
nach der Ernte
[* 28] auf Bäumen und Gesträuch, wird wegen seines Gesanges von Kindern in kleinen Drahthäuschen
gehalten.
Die Grabheuschrecken (GryllodeaBurm.) haben einen walzigen Körper, einen freien, dicken Kopf, elliptische Augen, oft keine Nebenaugen,
borstenförmige Fühler, eine fast kreisrunde Oberlippe, zurücktretende innere Laden der Unterlippe, fast horizontal liegende
Flügeldecken, beim Männchen zuweilen mit einem Stimmorgan, dicht gefaltete, die Flügeldecken peitschenförmig überragende
Hinterflügel, oft Grabbeine, dreigliederige Tarsen und zwei lange, gegliederte Raife an der Spitze des
Hinterleibes. Das Stimmorgan besteht aus einer gekerbten Querader der rechten Flügeldecke, welche gegen eine Ader der linken
Flügeldecke gestrichen wird. Sie legen Höhlungen und Gänge unter der Erdoberfläche an, die ihnen als Zufluchtsort, zum
beständigen Aufenthalt und zum Ablegen der Eier dienen. Die
Nahrung ist vorwiegend animalisch. Hierher gehören die Maulwurfsgrille (s. d.) und die Feldgrille (GrylluscampestrisL., s.
Tafel »Geradflügler«). Diese ist 2 cm lang, glänzend schwarz, mit braunen, an der Basis gelben Vorderflügeln, kürzern Hinterflügeln,
an der Unterseite blutroten Hinterschenkeln und beim Weibchen auch blutroten Hinterschienen. Sie lebt einsam auf sandigen
Feldern in Gängen und Höhlungen, und das Männchen lockt an der Mündung seines Baues das Weibchen durch Zirpen herbei.
Letzteres legt gegen 300 Eier. Die Larven kriechen schon im Herbst aus und überwintern, um sich im Frühjahr weiter zu entwickeln.
Die Nahrung besteht aus Wurzeln. Die Hausgrille (Heimchen,
[* 30] G.domesticusL.), 2 cm lang, lederbraun, mit gelbem
Kopf und brauner Querbinde auf demselben, zwei dreieckigen braunen Flecken auf dem Halsschild, lichtgelben Beinen, lebt gesellig
in Häusern an warmen Stellen und zirpt oft die ganze Nacht hindurch. Sie ist sehr gewandt und schnell, legt ihre Eier in Schutt,
Kehricht oder lockeres Erdreich und überwintert als Larve. Zusammengesperrt fressen die Hausgrillen wie
auch die Feldgrillen einander auf.