Lassen
(Liten, Lassi, Lazzi, Lati, Leti, Lidi, Liti), im Mittelalter Bezeichnung der eignen, hörigen, zins- und dienstpflichtigen Leute (s. Leibeigenschaft).
Lassen
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Lassen
(Liten, Lassi, Lazzi, Lati, Leti, Lidi, Liti), im Mittelalter Bezeichnung der eignen, hörigen, zins- und dienstpflichtigen Leute (s. Leibeigenschaft).
Lassen,
1)
Christian, Begründer der ind. Altertumswissenschaft, geb. zu
Bergen
[* 2] in
Norwegen,
[* 3] studierte zu
Christiania,
[* 4] dann zu
Heidelberg
[* 5] und
Bonn,
[* 6] wo er durch A. W. v.
Schlegel den
indischen
Studien zugeführt wurde und durch dessen Vermittelung ein Reisestipendium zu einem zweijährigen Aufenthalt in
Paris
[* 7] und
London
[* 8] erhielt. Hier fand Lassen
Gelegenheit, aus der indischen Litteratur Sammlungen anzulegen, die er
allmählich dem
Publikum bekannt gemacht hat. Im
Verein mit
Burnouf widmete er sich der Erforschung der noch ganz unbekannten
Pâlisprache der südlichen Buddhisten und veröffentlichte 1826 mit ihm seinen »Essai
sur le
Pâli«.
Nach
Bonn zurückgekehrt, habilitierte
er sich daselbst 1827, wurde 1830 zum außerordentlichen, 1840 zum ordentlichen
Professor
der altindischen Litteratur ernannt und entwickelte jahrzehntelang die anregendste Lehrthätigkeit, bis
zunehmende Augenschwäche und schließlich völlige Erblindung ihn am
Dozieren verhinderte. Er starb in
Bonn. Im
Verein mit A. W. v.
Schlegel gab Lassen
die Fabelsammlung
»Hitopadesa«
(Bonn 1829-31, 2 Bde.) heraus, deren 2. Teil fast ganz von
ihm herrührt und vorzugsweise kritischen
Inhalts ist.
Durch
Th.
Colebrookes
Arbeiten angeregt, unternahm Lassen
das schwierige
Studium der bedeutendern Werke der indischen
Philosophie
und veröffentlichte in dem »Gymnosophista«
(Bonn 1832) ein kurzes indisches
Lehrgedicht über die sogen. Sankhyaphilosophie.
Später lieferte er eine
Ausgabe und lateinische Übersetzung des berühmten, von
Rückert ins Deutsche
[* 9] übersetzten Gedichts »Gîtagovinda« von
Dschayadewa
(Bonn 1837) und eine neue
Ausgabe von
Schlegels
»Edition du
Bhagavad-Gîtâ«
(das. 1846). In einer »Anthologia sanscrita«
(Bonn 1838; neu bearbeitet von
Gildemeister, 2. Aufl., das. 1868) half Lassen
einem
Bedürfnis des ersten akademischen
Unterrichts
ab. Seine »Institutiones linguae pracriticae«
(Bonn 1837) behandeln die in den indischen
Dramen gebrauchten
Töchtersprachen des
Sanskrit. In seinen beiden Abhandlungen, die als Beiträge zur
Erklärung der
Eugubinischen Tafeln in dem
»Rheinischen
Museum« erschienen, trug er wenigstens einiges zur Aufhellung dieser altitalischen Sprachdenkmäler bei.
Glücklicher noch war er in seinen Versuchen zur Erklärung der sogen. Keilinschriften (»Die altpersischen Keilinschriften zu Persepolis«, Bonn 1836),
an die er schätzbare Untersuchungen über die alte Geographie Persiens knüpfte. Ein Werk emsigen Bienenfleißes ist die Abhandlung »Zur Geschichte der griechischen und indoskythischen Könige in Baktrien, Kabul und Indien« (Bonn 1838). Sein Hauptwerk aber, worin er auf dem Gebiet der indischen Forschungen bahnbrechend wurde und unerreicht blieb, ist die »Indische Altertumskunde« (Bonn 1844-61, 4 Bde.; Bd. 1 u. 2 in vermehrter Auflage, 1867 u. 1874),
die sich als den Inbegriff alles bis dahin erreichten antiquarischen
Wissens
über
Indien darstellt. Seine frühern Einzeluntersuchungen:
»De Pentapotamia indica«
(Bonn 1827) u. a., sind als Vorarbeiten
zu seiner
Altertumskunde zu betrachten. Außerdem hat Lassen
zu der
»Indischen
Bibliothek« A. W. v.
Schlegels,
dem
»Rheinischen
Museum« und der
»Zeitschrift für die
Kunde des
Morgenlandes« viele Beiträge geliefert.
2) Eduard, Komponist, geb. zu Kopenhagen, [* 10] erhielt seine musikalische Ausbildung auf dem Konservatorium zu Brüssel, [* 11] wohin seine Familie zuvor übergesiedelt war, und gewann 1851 den ersten Kompositionspreis (prix de Rome). Von seiner Studienreise zurückgekehrt, versuchte er vergebens, seine inzwischen entstandene Oper »König Edgard« in Brüssel zur Aufführung zu bringen; dagegen ging dieselbe 1857 in Weimar, [* 12] auf Liszts Antrieb, in Szene und fand solchen Beifall, daß ein Jahr später als Hofkapellmeister daselbst angestellt wurde, welches Amt er noch gegenwärtig innehat. Von seinen Kompositionen, die von bedeutendem Talent und hohem künstlerischen Ernst zeugen, sind noch hervorzuheben: die Opern »Frauenlob« (1860) und »Le [* 13] captif« (1868),
zwei Symphonien, Charakterbilder für Orchester zu Hebbels »Nibelungen«, Chöre mit Orchester zu Sophokles' »König Ödipus«, die zuerst 1876 in Weimar zur Aufführung gekommene Musik ¶
zu Goethes »Faust«, mehrere Ouvertüren und eine große Zahl höchst wertvoller ein- und mehrstimmiger Lieder.