Lappland
(Sameland),
Landschaft im nördlichsten Teil
Europas, grenzt gegen N. an das
Eismeer, gegen
S. an das schwedische
Norrland und an das mittlere
Finnland, gegen O. an das
Weiße Meer und gegen
W. an das norwegische
Amt
Tromsö
und zerfällt in das norwegische, russische und schwedische Lappland.
Das norwegische Lappland, 47,287 qkm (858,8
QM.) groß, nimmt den nördlichsten Teil ein (s.
Finnmarken); das russische umfaßt den nordöstlichen und zwar einen Teil
des
Gouvernements
Archangel
(Halbinsel
Kola und Gebiet am
Kem) und einen
Strich im finnischen
Gouvernement
Uleåborg
(Propstei
Kemi am Bottnischen
Meerbusen), zusammen etwa 130,000 qkm (2361 QM.), und das schwedische den südlichen
Teil, 115,778 qkm (2102,7 QM.).
Letzteres ist gegenwärtig in folgende 5 Lappmarken eingeteilt: Asele- oder
Angermanlands-,
Umeå- oder Lycksele-,
Piteå-,
Luleå- und
Torneå-Lappmark. Ein Teil von
Torneå-Lappmark und ganz
Kemi-Lappmark
wurde von
Schweden
[* 2] im
Frieden von
Frederikshamn
nebst
Finnland, wozu es gegenwärtig gehört, an Rußland abgetreten.
ist ein unwirtliches Land, teils bergig, teils eben und mit Wäldern und
Sümpfen bedeckt, nach O. sich allmählich verflachend.
Im
Gebirge, der Fortsetzung der sogen. Kjölen, entspringen zahlreiche
Flüsse,
[* 3] die in den Bottnischen
Meerbusen münden, so
Luleå,
Piteå,
Skellefteå und
Umeå.
Auch finden sich zahlreiche
Seen, zum Teil von beträchtlichem
Umfang, z. B. der Enare in
Finnland von 1421 qkm (25,8 QM.) Flächeninhalt.
Der
Winter ist lang und streng, der
Sommer kurz. Der längste
Tag dauert in den südlichen Gegenden 24
Stunden,
in den nördlichsten aber drei
Monate; ebenso lang ist dann die längste
Nacht im
Winter. Im
Sommer ist infolge der sehr kurzen
Nächte die
Hitze sehr groß, und es plagen dann zahllose Mückenschwärme
Menschen und Vieh. Der
Boden eignet
sich nur in den südlichsten Gegenden des schwedischen Lappland
zum Anbau.
Pferde,
[* 4]
Rindvieh und
Schafe
[* 5] finden sich fast ausschließlich
bei den
Kolonisten und nur vereinzelt bei den norwegischen
Lappen, die wie die übrigen in Rußland und
Schweden ursprünglich
nur
Renntiere züchteten. Von wilden
Tieren gibt es
Wölfe,
Bären,
Luchse,
Füchse,
Marder,
[* 6]
Hermeline,
Fischottern,
Hasen etc. Zugvögel und wildes Geflügel sowie
Fische
[* 7] sind in
Menge vorhanden. Von
Mineralien
[* 8] findet man
Eisen.
[* 9]
Die Ureinwohner sind Lappen, zu denen etwa 10,000 Kolonisten kommen. Die Lappen, welche sich selbst Same oder Samelad nennen und jenen Namen für schimpflich halten, gehören zum finnisch-ugrischen Volksstamm; doch sind sie hinsichtlich ihrer Körpergestalt von den Finnen sehr verschieden. Sie sind beträchtlich kleiner als die übrigen Bewohner Skandinaviens und Europas überhaupt; ihre durchschnittliche Größe ist kaum 1,6 m. Bei den Lappen an den Küsten, welche nur von der Fischerei [* 10] oder als Lotsen leben, soll sich (nach Bastian) durch das beständige Sitzen in äußerst engen Kähnen eine eigentümliche, von Generation zu Generation zunehmende Schwächung und Verkürzung der Beine, dagegen kräftige Muskulatur und Größe der Arme herausbilden.
Ihr Gesicht [* 11] ist breit mit spitzem Kinn, großem Mund, vorstehenden Backenknochen, breiter Nase [* 12] und eng geschlitzten, doch horizontal gestellten Augen. Ihr Haar [* 13] ist dunkelbraun und schlicht, ihre Gesichtsfarbe gelblich. Von Haus aus gutmütigen und sanften Charakters, sind sie infolge des auf ihnen lastenden Druckes träge, feig und mißtrauisch geworden und zeigen sich von dieser ungünstigen Seite besonders der herrschenden Rasse gegenüber. Ihre geistige Begabung ist nicht groß, doch können wenigstens in Norwegen viele von ihnen lesen und schreiben.
Als Heiden brachten die Lappen ihren Göttern auf Bergspitzen, Seeinseln und in Höhlen Opfer dar, die meist in Renntieren bestanden; Priester hatten sie nicht, wohl aber Zauberer und Wahrsager, die einen großen Einfluß ausübten. Gegenwärtig bekennen sie sich sämtlich zum Christentum, und zwar gehören die skandinavischen und finnischen Lappen zur evangelischen, die russischen, d. h. die Bewohner der Halbinsel Kola, zur griechisch-katholischen Kirche. Erstere besitzen auch eine bescheidene religiöse Litteratur, bei allen aber spielt der Aberglaube noch eine bedeutende Rolle. Sprachlich gehören die Lappen zu der finnisch-ugrischen Gruppe des Ural-altaischen Sprachstammes (s. d.). Grammatiken der lappischen Sprache [* 14] verfaßten Possart in deutscher (Stuttg. 1840), Stockfleth (Christ. 1850) und Friis (das. 1856) in norwegischer Sprache, ¶
mehr
Wörterbücher Stockfleth (»Norsk-lappisk Ordbog«, das. 1850) und Friis (»Lexicon lapponicum«, das. 1885-87, mit Formenlehre; letztere auch besonders erschienen). Proben lappischer Volkspoesie gab neuerdings Donner unter dem Titel: »Lieder der Lappen« (Helsingf. 1876) heraus (vgl. auch Dulk und Hartung, Fahrten durch Norwegen, Stuttg. 1877). Die Lappen gerben Häute, verfertigen Zwirn aus den Sehnen der Renntiere, weben Decken, stricken Handschuhe, verfertigen hölzerne Gerätschaften, Kähne, Schlitten und die nötigen Kleidungsstücke.
Die Tracht der beiden Geschlechter ist wenig verschieden; sie besteht in einem Pelz, Beinkleidern, Schuhen und ist je nach der Jahreszeit von Renntierfell, Filz oder grobem Tuch. Die russischen Lappen dagegen tragen eine mit Ohrlappen versehene Kopfbedeckung. Nach ihrer Lebensweise teilt man die Lappen in Renntier- oder Berglappen und Fischer- oder Küstenlappen, welch letztere die größere Zahl ausmachen und im ganzen viel höher stehen als die erstern. Die Berglappen führen ein Nomadenleben, indem sie mit ihren Renntierherden umherziehen.
Diese sind der einzige Reichtum des Lappen; von ihnen entnimmt er alles, was er zu seiner Nahrung und Kleidung bedarf. Doch ist zum Unterhalt einer Familie eine nicht geringe Zahl dieser Tiere erforderlich; wer nicht mehr als 100 Renntiere besitzt, ist gezwungen, sich mit seiner Herde an einen größern Besitzer anzuschließen, und tritt dadurch zu diesem in das Verhältnis der Dienstpflichtigkeit. Zur Selbständigkeit und Wohlhabenheit gehört eine Renntierherde von 300 bis 500 Stück.
Da aber das Gebiet, welches den Lappen früher zu ungehindertem Durchziehen offen stand, durch das Vordringen der ackerbautreibenden Bevölkerung [* 16] nach N. bedeutend geschmälert ward und noch wird, so sahen sich viele der ärmern Lappen genötigt, das nomadische Leben aufzugeben und mit Annahme fester Wohnsitze einen andern Nahrungszweig zu suchen. Als solcher bot sich bei der niedrigen Kulturstufe des Volkes zunächst nur die Fischerei in den Seen und Flüssen und an den Meeresküsten sowie als Nebengewerbe die Jagd dar, welch letzterer auch die Renntierlappen obliegen.
Mit Beginn der warmen Jahreszeit ziehen die letztern nach den Hochplateaus, von wo sie im Herbst mit ihren beladenen Renntieren in das niedrige waldreiche Land zurückkehren. An einem zum Winteraufenthalt geeigneten Ort wird die Hütte (Gamme) errichtet. Diese ist von festerer Bauart als das leichte Sommerzelt, außen mit Rasen bedeckt, innen mit Renntierfellen bekleidet und wird oft ganz eingeschneit. Die wenigen von Lappen bewohnten Dörfer bestehen aus Erd- und Holzhütten, die zerstreut um die hölzerne Kirche herumliegen.
Die Gesamtheit der Lappen mag gegenwärtig kaum 25,000 übersteigen. S. die »Völker- und Sprachenkarte [* 17] von Europa«. [* 18]
Vgl. Helms, und die Lappländer (Leipz. 1868);
Aubel, Reise nach Lappland
(das. 1874);
Friis, Lappisk Mythologi, Eventyr og Folkesagn (Christ. 1871);
Derselbe, En Sommer i Finmarken (das. 1871);
Nemiromitch-Dantschenko, und die Lappländer (Petersb. 1876);
Ecker, und die Lappländer (Freiburg [* 19] 1878);
Poestion, Lappländische Märchen, Volkssagen etc. (Wien [* 20] 1885);
Friis, Laila. Schilderungen
aus Lappland
(deutsch, Leipz. 1886).
Über die Bekehrungsgeschichte der Lappen vgl. H. Hammond, Den nordiske Missions Historie (Kopenh. 1787); J. Wahl ^[John Vahl],
Lapperne og den lapske Mission (das. 1865); D. Thrap, Thomas v. Westen (Christ. 1882). Eine ethnographische Karte des norwegischen
Lappland
lieferte Friis.