Titel
Lanjuinais
(spr. langschüinäh), 1) Jean Denis, Graf, franz. Staatsmann, geb. zu Rennes, wurde 1771 Advokat daselbst, 1775 Professor des Kirchenrechts an der dortigen Universität und erhielt, nachdem er 1789 als Deputierter des dritten Standes Mitglied der Nationalversammlung geworden war, 1790 den neuerrichteten Lehrstuhl des konstitutionellen Rechts daselbst. An den Beratungen der Nationalversammlung über die Verfassung, namentlich über das Verhältnis zwischen Staat und Kirche, nahm er als liberaler Jansenist hervorragenden Anteil und stellte den verhängnisvollen Antrag, daß kein Deputierter Minister sein dürfe.
Als Mitglied des Konvents kämpfte er mit den Girondisten gegen die Anarchie und den Jakobinismus. Am unterstützte er Louvet in der Anklage gegen Robespierre. Im Prozeß Ludwigs XVI. stimmte er für des Königs Verbannung. Im Juni 1793 als Girondist geächtet, entfloh er nach Rennes, wo er 18 Monate versteckt blieb, bis er nach dem Sturz der Schreckensherrschaft, wieder in den Konvent berufen wurde. 1795 wurde er von 73 Departements in den Rat der Alten gewählt.
Nach dem 18.
Brumaire trat er in den
Gesetzgebenden
Körper und in den
Senat, wo er als
Haupt der
schwachen
Opposition die autokratischen Bestrebungen
Bonapartes bekämpfte. Dessen ungeachtet erhob ihn
Napoleon I. 1803 zum
Grafen. Am stimmte Lanjuinais
im
Senat für die Absetzung des
Kaisers und die Errichtung einer provisorischen
Regierung. Während
der ersten
Restauration erhielt er von
Ludwig XVIII. die Pairswürde und blieb ein Verfechter der konstitutionellen
Rechte gegen die
Reaktion und den klerikalen
Fanatismus. Er starb Seit 1808 war Lanjuinais
Mitglied des
Instituts. Er hatte
umfassende Kenntnisse auch auf dem Gebiet der
Philologie, besonders der orientalischen
Sprachen. Unter seinen publizistischen
Schriften haben eine bleibende Bedeutung: »Appréciation du projet relatif aux trois concordats« (Par.
1817);
»Constitutions de la nation française« (das. 1819, 2 Bde.) und »De l'organisation municipale en France« (das. 1821).
Seine
»Œuvres complètes« erschienen
Paris
[* 3] 1832 in 4
Bänden. - Lanjuinais'
ältester
Sohn,
Paul
Eugène,
Graf von Lanjuinais
, geb. zu
Rennes, folgte dem
Vater 1827 in der Pairskammer und starb
dessen Sohn
Paul
Henri,
Graf von Lanjuinais
, geb. ist als Deputierter des
Morbihan einer der eifrigsten Monarchisten und
Gegner der
Republik in der französischen
Kammer.
2) Victor Ambroise de, franz. Staatsmann, jüngerer Sohn des vorigen, geb. ward Advokat, 1830 Substitut des königlichen Staatsprokurators zu Paris und war 1837-38 Mitglied der Deputiertenkammer, wo er zur gemäßigten Opposition gehörte. 1845 übernahm er mit Tocqueville und Corelle den »Commerce«. 1848 im Departement Unterloire zum Repräsentanten in der Konstituante gewählt, wie er auch später für das Seinedepartement Mitglied der Legislative ward, gehörte er der gemäßigten Rechten an, war vom 2. Juni bis Handels- und Ackerbauminister, stimmte im Juli 1851 gegen die Verfassungsrevision, 17. Nov. für den Quästorenantrag, protestierte 2. Dez. mit etwa 50 Mitgliedern der Majorität gegen den Staatsstreich und wurde nach demselben auf kurze Zeit verhaftet. 1863 trat er als Deputierter seines alten Departements in den Gesetzgebenden Körper, in dem er zur Opposition gehörte, und starb in Paris. Er schrieb außer nationalökonomischen Aufsätzen die Biographien seines Vaters (1832) und seines ältern Bruders (1848).