Landgut
,
ein mehr oder minder ausgedehnter, zum Betrieb einer
Landwirtschaft
(Ackerbau,
Viehzucht)
[* 2] vereinigter Grundbesitz mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden. Auf einem Landgut
werden oft auch landwirtschaftliche
Nebengewerbe betrieben
(Branntweinbrennerei, Bierbrauerei,
[* 3] Stärkefabrikation, Ziegelei, Kalkbrennerei, Gipsbrennerei, Runkelrübenzuckerfabrikation
etc.); aber für den
Begriff ist wesentlich, daß diese
Gewerbe nur Nebengewerbe sind und der eigentliche Landwirtschaftsbetrieb
der Hauptzweck des
Gutes ist.
Die Unterschiede von Allodial-, Lehns-, Ritter-, Frei-, Schulzen-, Fron-, Haus- und Bauerngütern etc. haben in der neuern Zeit mehr und mehr ihre eigentliche und ursprüngliche Bedeutung verloren, seitdem die neuern Ablösungsgesetze die grundherrlichen Lasten beseitigt und die mannigfachen mehr oder minder beschränkten Besitz- und Nutzungsrechte, besonders an Bauerngütern, in freies Eigentum verwandelt haben und anderseits die mit dem Besitz mancher Güter verbundenen Vorrechte aufgehoben worden sind. In größerer Ausdehnung [* 4] haben sich fast nur noch das Kirchen- und Schulpatronat und in einzelnen Staaten das Vorrecht einer ausgedehntern Beteiligung, sei es bei der Volksvertretung selbst, sei es bei der Wahl dazu, als Zubehör der Rittergüter (s. d.) oder größerer Landgüter überhaupt erhalten.
Die alte Streitfrage, ob große oder kleine
Güter vorteilhafter seien, läßt sich nicht für alle
Fälle gleich beantworten.
Zunächst sind die
Begriffe »groß« und »klein«
durchaus bedingte. Als »groß« könnte dasjenige Landgut
bezeichnet
werden, bei welchem die
Arbeiten der Leitung eine oder mehrere
Kräfte vollständig beschäftigen, und
dessen
Reinertrag dem
Besitzer ein genügendes oder reichliches
Einkommen bietet. Halbgüter
(Kuh-, Soldengüter) heißen solche
Güter, welche zum vollen Unterhalt des Besitzers und der
Seinen nicht mehr zureichen, während die kleinsten Besitzungen Tagelöhnerstellen,
Häuslerstellen etc. genannt werden (vgl.
Bauerngut, S. 469). Die verschiedenen zur Vergleichung anwendbaren
Maßstäbe, wie
Größe der
Fläche, Zahl der Arbeitskräfte,
Höhe des
Reinertrags, führen zu ungleichen Ergebnissen.
Der
Vergleich kann aber immer nur örtlich und zeitlich mit Berücksichtigung aller für denselben wichtigen Umstände, wie
Intensität der
Wirtschaft, Volksdichtigkeit, Verkehrsentwickelung,
Höhe der
Preise und
Kosten, Bodenbeschaffenheit etc., angestellt
werden. Unter gegebenen Verhältnissen wird für bestimmte
Zwecke das große Landgut
leistungsfähiger sein
als eine größere Anzahl kleiner, welche zusammen den gleichen
Umfang haben. Insbesondere wird das große am Platz sein bei
dünner
Bevölkerung,
[* 5] wenn menschliche
Arbeit möglichst durch
Maschinen zu ersetzen ist, wenn es sich um Erzeugung von landwirtschaftlichen
Früchten handelt, welche im großen jederzeit
Absatz finden, etc. Dagegen ist der kleine Grundbesitz vorteilhafter,
wenn verhältnismäßig viel sorgliche und pflegende
Arbeit aufzuwenden ist, welche nur in unvollkommener
Weise oder gar nicht
durch mechanische Leistungen ersetzt werden kann.
Technik und Erzeugnisse der
Landwirtschaft sind heute so mannigfaltig, daß
in jedem Kulturland große, kleine und mittlere Landgüter
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mehr
nebeneinander bestehen können und jede Klasse derselben Aufgaben findet, denen sie vorzugsweise gewachsen ist. S. auch Grundeigentum, S. 863.