Landfriede
Landfriedensbruch - La

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(Constitutio pacis,
Pax instituta, jurata), eine
Institution zur Beseitigung der
Fehden und
Sicherung des öffentlichen
Friedens im deutschen
Mittelalter. Auch der öffentliche
Friede selbst wurde Landfriede
(Pax publica) genannt, indem die Staatsidee seit
der
Entwickelung der
Monarchie im fränkischen
Reich zuerst in der Gestalt eines
Königsfriedens, d. h. in der
Form eines vom König über den ganzen
Staat ausgehenden Rechtsschutzes, hervortrat. Einschränkungen des Fehdeunwesens wurden
nun zuerst dadurch bewirkt, daß man die
Fehde (s. d.) zwar
¶
mehr
nicht für unstatthaft erklärte, jedoch gewisse Formen vorschrieb, welche bei einer solchen beobachtet werden mußten, namentlich
die förmliche Ankündigung der Fehde. Dazu kam das Institut des sogen. Gottesfriedens (s. d.). Ein weiterer Schritt geschah
dadurch, daß man für bestimmte Zeit und für gewisse Landesteile einen Landfrieden
zu stande brachte. Zuerst im 11. Jahrh.
begannen die Könige und Fürsten Deutschlands
[* 3] sich und alles Volk eidlich zu verpflichten, für eine bestimmte Zeit (2, 4, 5 Jahre
und mehr) allen Fehden und Gewaltthätigkeiten zu entsagen, Mörder und Räuber zu verfolgen, nicht bloß selbst jede Störung
des Friedens zu meiden, sondern auch bei andern nach Kräften zu hindern.
Zwar waren Gewaltthätigkeiten und Verbrechen schon durch Gesetz allgemein verpönt; indes weil die herkömmlichen Rechtsinstitutionen
gegen das überhandnehmende Raub- und Fehdewesen nicht ausreichten, suchte man Abhilfe in den beschwornen Friedenseinigungen.
In der Regel wurde nach einer solchen Vereinbarung ein Friedebrief erlassen, in welchem die Fälle der Friedensstörung
sowie die Bestrafung der Friedensbrecher genau bestimmt waren. Diese Landfriede
nskonstitutionen nahmen allmählich den Charakter
von Reichsgesetzen an. Wirkliche Reichsfriedenskonstitutionen ohne Zeitbeschränkung wurden zuerst von den Kaisern Friedrich
I., Friedrich II. und Heinrich VII. erlassen; doch fanden es auch diese für nötig, ihre Friedensgebote von Fürsten und Volk
beschwören und diesen Schwur von Zeit zu Zeit wiederholen zu lassen. So hat sich auch Rudolf von Habsburg
begnügt, das Gesetz vom Jahr 1235 in einzelnen Teilen des Reichs immer wieder von neuem für einige Jahre beschwören zu lassen.
Böhmen, Mähren und Öst

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Böhmen.
Beim Verfall der Reichsgewalt und der Mangelhaftigkeit des Reichsgerichtswesens mußten seit dem 13. Jahrh.
die Territorialgewalten auf die Aufrechthaltung von Recht und Ordnung bedacht sein. So haben Ottokar von
Böhmen
[* 4] und die Herzöge von Bayern
[* 5] landesherrliche Friedensordnungen erlassen. Die kleinern Fürsten, Städte und Herren suchten
dies durch Landfriede
nsbündnisse zu erreichen, indem sie sich gegenseitig verpflichteten, ihre Streitigkeiten nicht mit
den Waffen,
[* 6] sondern auf dem Weg Rechtens vor erwählten Schiedsrichtern zum Austrag zu bringen. In dieser
Richtung war besonders der rheinische Städtebund thätig.
König Wenzel versuchte 1383, 1389 und 1398 vergeblich, diesen Separatbündnissen ein Ende zu machen und eine allgemeine Einigung,
die in mehrere Landfriede
nskreise zerfallen sollte, zu stande zu bringen. Mit Mühe brachte Siegmund 1431 während
des Hussitenkriegs einen allgemeinen Landfrieden
auf ein Jahr zu stande. Die sogen. Reformation Friedrichs III. von 1442 sowie
die Landfrieden
von 1467, 1471, 1474, 1486 waren verunglückte Versuche. Erst Maximilian I. proklamierte zu Worms
[* 7] durch
eine Einigung aller Reichsstände den Ewigen Landfrieden
, der jede Fehde für immer verbot; das Reichskammergericht
wurde eingesetzt, das Reich in Landfriede
nskreise eingeteilt, an deren Spitze ein Kreishauptmann stand, zur Beschaffung der
Geldmittel für das Gericht und die bewaffnete Exekution seiner Urteile der Gemeine Pfennig (s. d.) eingeführt.
Diese Reformen gerieten allerdings bald wieder in Verfall, und der Landfriede
mußte in den Reichstagsabschieden
immer von neuem geboten werden. Auch der Augsburger Religionsfriede von 1555 war zugleich ein Landfriede.
Daneben erhielt sich freilich
1488-1530 die Separatlandfriede
nseinigung des Schwäbischen Bundes. Während die ältern Landfrieden
eine Menge
andrer Verbrechen
und Vergehen verboten und mit Verfolgung bedrohten, dagegen unter Beobachtung gewisser beschränkender Formen eine Fehde erlaubten,
erklärte der Landfriede
von 1495 jede eigenmächtige Anwendung von Waffengewalt, auch eine früher erlaubte Fehde, für Landfriedensbruch
und belegte sie mit einer Strafe von 2000 Mark lötigen Goldes; die andern Verbrechen und Vergehen blieben der Kriminalgerichtsordnung
vorbehalten.
Der Landfriede
von 1548 erklärte auch jede »Konspiration oder Bündnuß
wider den andern« für einen Landfriedensbruch, doch hat man dies später wieder fallen lassen. Einer
der letzten energisch unterdrückten Landfriedensbrüche, gewöhnlich der letzte Bruch des Landfriedens
genannt, sind die Grumbachschen
Händel (s. Grumbach).
Vgl. Böhlau, Novae constitutiones domini Alberti, d. i. der Landfriede vom Jahr 1235 (Weim. 1858);
Busson, Zur Geschichte des großen Landfriedensbundes deutscher Städte (Innsbr. 1874);
Eggert, Studien zur Geschichte des Landfriedens (Götting. 1876);
Göcke, Anfänge des Landfriedens (Düsseld. 1875);
Nitzsch, Heinrich IV. und der Gottes- und Landfriede (in »Forschungen zur deutschen Geschichte«, Bd. 21);
Herzberg-Fränkel, Die ältesten Land- und Gottesfrieden (das., Bd. 22);
Lehmann, Der Königsfriede der Nordgermanen (Bresl. 1886).