Lamennais
(spr. lamm'nä),
Hugues Félicité
Robert de, franz. Theolog und Schriftsteller, geb. zu
St.-Malo in der
Bretagne als Sohn eines Schiffsreeders, war erst
Lehrer der
Mathematik und empfing 1816 zu
Rennes die
Priesterweihe.
Nachdem er 1808 mit seinen
»Reflexions sur l'état de l'église en
France« die schriftstellerische Laufbahn betreten und später
die
Wiedereinsetzung der
Bourbonen gefeiert hatte, veröffentlichte er in seinem »Essai
sur l'indifférence en matière de religion« (Par. 1817-25, 4 Bde.;
neueste Ausg. 1885) ein
Programm des modernen demokratisch-papistischen
Katholizismus, welches ihn mit Einem
Schlag zu einer
schriftstellerischen
Größe erhob. In
Rom,
[* 3] wohin er sich 1824 begab, wurde er von
Leo XII. mit Auszeichnungen empfangen; im
Vaterland aber zog ihm die weitere Ausführung seiner hierarchischen
Ideen in dem Werk
»De la religion considérée dans ses
rapports avec l'ordre civil et politique« (Par. 1825-26) eine
Verurteilung zu. 1830 gründete er mit
Montalembert und
Lacordaire
die
Zeitschrift »L'Avenir«, in welcher er unter der
Devise: »Gott und
Freiheit« förmliche Trennung der
Kirche vom
Staat sowie
Religionsfreiheit für alle Bekenntnisse forderte. In
Rom, wohin er sich zur Verantwortung begeben, wurden 1832 seine
Doktrinen von
Gregor XVI. in einer
Encyklika verdammt. Lamennais
gab nun
¶
mehr
zwar sein Journal auf, seine heroische Natur drängte ihn aber bald weiter auf der beschrittenen Bahn eines Propheten und Revolutionärs.
Seine »Paroles d'un croyant« (Par. 1833, neue Ausg. mit andern
kleinern Schriften Lamennais'
1871) proklamierten im Namen der Religion die Souveränität des Volkes. Das Buch, das während
weniger Jahre über 100 Auflagen erlebte und in alle europäischen Sprachen übersetzt wurde (deutsch von
Börne, Hamb. 1834), ward alsbald vom päpstlichen Bann getroffen. Lamennais
antwortete in seinen »Affaires de Rome« (Par. 1836-37, 2 Bde.),
worin er vollends mit Staat und Kirche brach.
Seitdem vom Klerus verketzert und von der weltlichen Macht verfolgt, von der Demokratie aber als Apostel
gefeiert, wirkte Lamennais
für seine Grundsätze durch politische Flugblätter, größere Schriften und gelegentliche Konflikte mit
der Preßpolizei. Nach der Februarrevolution wurde Lamennais
in die Nationalversammlung gewählt, zog sich aber nach dem Staatsstreich
gänzlich zurück und starb in Paris.
[* 5] Seine »Œuvres complètes« erschienen in 10 Bänden (2.
Aufl., Par. 1844-47); »Œuvres posthumes« wurden von Forgues herausgegeben (1855-58, 5 Bde.).
Andre posthume Werke veröffentlichten Blaize (»Correspondance, mélanges
religieux et philosophiques«, Par. 1866, 2 Bde.)
und Forgues (»Correspondance inédite entre Lamennais
et le baron de Nitrolles«,
das. 1886).
Vgl. Blaize, Essai biographique sur M. F. de Lamennais
(Par. 1858).