Lally-Tollendal
(spr. -tollangdall), 1) Thomas Arthur, Graf von Lally, Baron von Tollendal, geb. 1702 zu Romans (Dauphiné) aus einer irischen, mit Jakob II. in Frankreich eingewanderten Familie, diente seit 1720 in einem irischen Regiment, das sein Vater Sir Gérard Lally-Tollendal befehligte, focht seit 1741 in Flandern, Schottland und den Niederlanden, zeichnete sich bei Fontenoy 1745 aus, wurde zum Brigadier und 1756 zum Generalleutnant und Gouverneur aller französisch-ostindischen Niederlassungen ernannt. Er eröffnete dort sofort nach seiner Ankunft den Kampf gegen die britischen Besitzungen, eroberte eine Menge Plätze und Städte und belagerte selbst Madras, mußte sich aber nach einer schweren Niederlage unter den Mauern von Vandarachi auf das bedrohte Ponditscherri zurückziehen, wo er, im März 1760 von einer weit überlegenen englischen Armee und einer Flotte von 14 Linienschiffen eingeschlossen, sich nach tapferer Verteidigung 16. März 1761 auf Gnade und Ungnade ergeben mußte, worauf er als Kriegsgefangener nach England gebracht ward. Auf die Kunde, daß man ihn in Frankreich der Feigheit und Verräterei beschuldige, erwirkte er sich seine Befreiung, begab sich 1764 nach Paris, ward hier in die Bastille geworfen und 6. Mai 1766 zum Tode durch das Schwert verurteilt, weil er die Interessen des
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Königs und der Indischen Kompanie verraten habe, und am Tag darauf enthauptet. Nach zehn Jahren bewirkte Lally-Tollendals Sohn, besonders von Voltaire unterstützt, die Revision des Prozesses. Die Unschuld des Verurteilten wurde so klar erwiesen, daß der König in einem Dekret vom 21. Mai 1778 das Urteil kassierte und die Ehre Lally-Tollendals wiederherstellte. Vgl. Hamont, La fin d'un empire français aux Indes sous Louis XV (Par. 1887).
2) Trophime Gérard, Marquis von, Sohn des vorigen, geb. 5. März 1751 zu Paris, that sich zunächst durch sein mannhaftes Eintreten für die Ehre seines Vaters hervor und gehörte in der Versammlung der Reichsstände 1789 zu denen, welche sich mit dem dritten Stand verbanden. Von den demokratischen Tendenzen der Nationalversammlung aber zurückgeschreckt, suchte er sich später dem Hof wieder zu nähern. Als Berichterstatter des Verfassungskomitees schlug er die Errichtung zweier Kammern vor und setzte auch seinen auf die Erhaltung der Aristokratie gegründeten Plan in der Schrift »Rapport sur le gouvernement qui convient à la France« (1789) auseinander. Schon nach den Ereignissen vom 5. und 6. Okt. zog er sich in die Schweiz zurück. Von hier aus veröffentlichte er 1790 unter dem Namen Quintus Capitolinus eine beißende, gegen die Abschaffung der Adelsvorrechte gerichtete Satire, kehrte aber 1792 zur Verteidigung des Königs nach Paris zurück. Nach dem Aufstand vom 10. Aug. verhaftet, entging er glücklich den Septembermetzeleien und flüchtete nach England. Beim Prozeß des Königs bot er sich dem Konvent als Verteidiger an, und als er ohne Antwort blieb, gab er seine Verteidigung in den Druck (»Plaidoyer pour Louis XVI«, 1795). Auch erschien von ihm »Défense des émigrés français, adressée au peuple français« (1794; neue Aufl., Par. 1825, 2 Bde.), welche Schrift in zwei Monaten zehn Auflagen erlebte. Nach der Revolution vom 18. Brumaire kehrte er ins Vaterland zurück und lebte in Bordeaux, einzig mit litterarischen Arbeiten beschäftigt. Ludwig XVIII. ernannte ihn nach der ersten Restauration zum Staatsrat und im August 1815 zum Pair. Der Monarchie eifrig ergeben, suchte Lally-Tollendal sie auf liberalem Weg zu erhalten und trat als Verteidiger der konstitutionellen Freiheiten auf. Er starb 11. März 1830. Von seinen Schriften ist noch sein »Essai sur la vie de Thomas Wentworth, comte de Strafford« (Lond. 1795; 2. Aufl., Par. 1814), über den er auch eine (nicht aufgeführte) Tragödie schrieb, zu nennen.