Lagerscheine
(Lagerpapiere, Auslieferungsscheine, Entrepotscheine, engl. Warrants), Urkunden, auf welchen der Aussteller bekennt, eine lagernde Ware erhalten zu haben, und dieselbe an den zum Empfang Berechtigten gegen Rückgabe der Urkunde auszuliefern verspricht. Solche Scheine werden vorzugsweise von Personen ausgestellt, welche sich berufsmäßig mit der Aufbewahrung von Waren befassen, wie Spediteuren und Lagerhausverwaltungen. Sie kamen bereits 1602 in Holland unter dem Namen Ontvangceduller vor.
Eine größere Ausdehnung [* 2] aber fand ihre Anwendung in England, Frankreich, Belgien, [* 3] Italien, [* 4] Nordamerika, [* 5] dann auch in Spanien [* 6] und Brasilien, [* 7] als das System der Zollniederlagen sich mehr entwickelte. Einrichtung und Verwendung der Scheine nebst den daran geknüpften Rechten und Pflichten ist in den verschiedenen Ländern eine sehr ungleiche. In England, Frankreich und Belgien können zwei Scheine ausgegeben werden. Der eine (Warrant, Lagerpfandschein) dient zur Erleichterung der Verpfändung.
Der Inhaber desselben hat ein Pfandrecht an der lagernden Ware, welche ohne seine Einwilligung von der Verwaltung nicht ausgefolgt wird. Da die Belastung durch Vormerkung auf dem Warrant (Belgien), bez. durch Eintragung im Lagerhausregister (Frankreich, Italien) kontrolliert wird, so werden beweglichen Gegenständen die Vorteile und die Sicherheit des Immobiliarkredits verschafft. In der Regel ist der Warrant an Order ausgestellt, so kann dann das Pfandrecht durch Indossierung (in Deutschland [* 8] nach Art. 302 des Handelsgesetzbuchs unter der Bedingung, daß der Schein [Auslieferungsschein] von zur Aufbewahrung von Waren staatlich ermächtigten Anstalten ausgestellt wurde) auf dritte Personen übertragen werden.
Der zweite
Schein, der Lagereigentumsschein (in
England:
weight-note, in
Frankreich: recépissé, in
Belgien:
cédule), dient zur Eigentumsübertragung. Der
Inhaber ist
Eigentümer der
Ware, erhält dieselbe jedoch nur, wenn die auf ihr
haftende
Schuld getilgt ist. In
Frankreich und
Belgien, in welchen
Ländern 1848 der
Gebrauch der Lagerscheine
gesetzlich geregelt wurde,
dient der eine
Schein ausschließlich zur Eigentumsübertragung, der andre ausschließlich zur Verpfändung.
In
England kann der
Warrant, wenn er allein ausgegeben wird, zur
Veräußerung und zur Verpfändung benutzt werden. Dagegen
dient die
weight-note, wenn eine solche ausgestellt wird, ausschließlich zur
Veräußerung und der
Warrant alsdann zur Verpfändung.
In
Deutschland,
Österreich
[* 9]
¶
mehr
und England ist der Lagerschein
neben seiner Eigenschaft als Warenumsatzpapier eine Pfandbestellungsurkunde, in Frankreich,
Belgien, Italien und Ungarn
[* 11] gewinnt er dadurch, daß der Verpflichtete persönlich haftet, sobald das erste Indossament erfolgt
ist, die Bedeutung eines Wechsels. Die Lagerscheine
gestatten nicht allein eine vorteilhafte Verwendung zu Kreditzwecken, sondern auch
leichten Verkauf, überhaupt freie Verfügung über die Ware ohne Nachteil für den Gläubiger. In Deutschland
haben sie noch keine größere Ausdehnung gefunden.
Große Banken befassen sich nicht gern mit der Beleihung von Warrants, weil das Pfandrecht an der Ware, insbesondere im Fall eines Konkurses, nicht genügend sichergestellt ist. Eine spezielle gesetzliche Regelung ist bis jetzt nur erfolgt in Hamburg [* 12] (1876) und in Bremen [* 13] (1877). In Elsaß-Lothringen [* 14] gelten mit einigen Änderungen die frühern französischen Bestimmungen.
Vgl. Ebermann, Lagerhäuser und Warrants (Wien [* 15] 1876);
Bayerdörffer, Das Lagerhaus- und Warrant
system (Jena
[* 16] 1878);