Lager
[* 2] (lat.
Campus), Unterbringung einer
Truppe außerhalb bewohnter
Orte, im
Gegensatz von
Garnisonen und
Kantonnements
(s. d.). Man unterscheidet
Biwaks (s. d.),
Hütten-,
Zelt- und Barackenlager.
Marschlager werden auf
Märschen für einen oder
höchstens einige
Tage, Standlager
auf längere Zeit bezogen. Eine Erweiterung der letztern sind die stehenden
oder Übungs-
(Exerzier-) Lager
der neuesten Zeit. Über verschanzte s.
Feste Stellungen. Die Zeltlager
bedingen durch Mitführung
der
Zelte eine ganz erhebliche
Vermehrung des
Trains, und die hierdurch herbeigeführte Beschränkung der Beweglichkeit und
Schlagfertigkeit der
Truppe veranlaßte die
Franzosen während der
Revolutionskriege, die
Zelte abzuschaffen
und das
Biwak an die
Stelle des Zeltlagers
treten zu lassen. In
Deutschland
[* 3] geschah dies erst später, aber auf die Dauer, wogegen
in
Frankreich wieder kleine
Zelte (tentes d'abri) angenommen und auch im
Krieg 1870 mitgeführt wurden.
Die
Engländer haben die Zeltlager
stets beibehalten.
Muß ein Lager
für mehrere
Tage bezogen werden, und
ist es nöthig, sich gegen Witterungseinflüsse einen
Schutz zu verschaffen, den das
Biwak nicht gewährt, so werden Hüttenlager
errichtet. Im
Frieden, wo die Herbeischaffung aller Lager
bedürfnisse für den Hüttenbau etc. möglich
ist und durch die Verpflegungsbeamten erfolgt, werden die
Hütten
[* 4] (s. d.) nach darüber bestehenden Vorschriften
erbaut. Bei den operierenden Feldtruppen dagegen reduziert sich die
Hütte meist auf einen Windschirm aus Holzstöcken und
Reisig oder
Stroh, oder auf ganz kleine, in gleicher
Weise hergerichtete
Hütten zum Unterkriechen für 2-4 Mann, wozu man sich
Material sucht. Je nachdem die
Zelt- oder Hüttenreihen senkrecht zur Lager
fronte
stehen oder ihr parallel
laufen, unterscheidet man
Gassen- und Linienlager.
Bei jenen werden zwei Zeltreihen immer von demselben Truppenteil belegt und stehen mit den Zeltöffnungen sich gegenüber;
der Zwischenraum von etwa 20 m bildet die Lager
gasse. Die
Rücken der
Zelte zweier benachbarter Lager
gassen haben nur einen
Abstand von 2-3 m, die
Brandgasse. Für die
Pferde
[* 5] wird eskadron- und batterieweise in
Verlängerung
[* 6] der
Zeltreihe nach der
Fronte zu mittels der
Pikett-
(Kampier-) pfähle, die durch eine
Stall-
(Kampier-) leine verbunden werden,
der
Stall aufgeschlagen.
Die
Pferde werden mit der Halfterkette an der Stallleine angebunden.
Übungslager haben den
Zweck, größere
Truppenabteilungen in der
Stärke
[* 7] von
Divisionen oder
Armeekorps auf längere Zeit zu gemeinschaftlichen taktischen Übungen
und zur Gewöhnung der
Truppen an das Feldleben zu vereinigen. Das erste derartige Lager
wurde von
Napoleon I. 1804 bei
Boulogne
für etwa 100,000 Mann errichtet. Das nächste ist das Lager
von
Châlons, welches zuerst 1857 bezogen wurde,
und für das
Napoleon III. sich besonders interessierte. Da die französische
Armee lange Zeit für die beste galt, so ahmten
alle
Staaten, mit Ausnahme
Preußens,
[* 8] diese Art der Truppenausbildung nach, wobei das Lager von
Châlons mit seinen Einrichtungen
im allgemeinen als
Muster diente.
Der Lagerplatz liegt 30 km nordöstlich von Châlons, nimmt einen Flächenraum von 11,000 Hektar ein und wurde für 6 Mill. Frank angekauft. Die dort lagernden Truppen bestehen in der Regel aus 30,000 Mann aller Waffen. [* 9] Eine Division liegt in Baracken, die andre in runden Zelten; die Pferde stehen im Freien. Eine besondere Lagerintendantur besorgt die Verwaltung und Verpflegung des Lagers. Was man sich von dem Lager versprach, hat es nicht erfüllt; es wirkte im Gegenteil das Lagerleben in nicht geringem Grad entsittlichend auf Offiziere und Mannschaften, ohne sie an das Feldleben zu gewöhnen, und die Übungen wurden schließlich, weil das Terrain bekannt war, schematisch und geistlos, so daß selbst von französischen Offizieren das Lager als ein Krebsschade der Armee bezeichnet ward.
Daß die Regierung trotzdem an dieser Einrichtung noch festhält und Lager ähnlicher Art bei St.-Maur, Satory, Sathonay, Lannemegan ^[richtig: Lannemezan], St.-Medard, Calais [* 10] etc. errichtete, scheint seinen Grund mehr in politischen als in militärischen Erwägungen zu haben. In großartigerer Weise finden, veranlaßt durch die Zersplitterung der Truppenteile auf viele Garnisonen, Zusammenziehungen von Truppenmassen in Übungslagern in Rußland statt. Das bedeutendste ist das bei Krassnoje Selo, 25 km südwestlich von Petersburg, [* 11] wo zuzeiten 5 Infanterie- und 2 Kavalleriedivisionen nebst entsprechender Artillerie, also etwa 70,000 Mann, sich im L. befinden.
Alle Fußtruppen lagern in viereckigen Zelten, die Kavallerie und reitende Artillerie kantonieren auf den umliegenden Ortschaften, weil das Klima [* 12] für das Lagern der Pferde im Freien nicht günstig ist. Die Lager bei Warschau, [* 13] Moskau, [* 14] Wilna, [* 15] Kowno, Grodno, Kiew, [* 16] Luzk, Bender, Tschugujew und Jelissawetgrad sind von ganz ähnlicher Einrichtung. Österreich [* 17] hat ein Übungslager bei Bruck a. d. Leitha errichtet, in welchem ein Teil der Mannschaften in Holzbaracken, der andre Teil in Zelten von so außerordentlicher Größe untergebracht ist, daß 35 Mann in einem Zelt liegen und jede Kompanie nur vier Zelte hat. Die Pferde stehen im Freien an hölzernen Barrieren befestigt. In England sind Übungslager nach französischem Muster bei ¶
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Aldershott und Curragh angelegt, in welchen die Truppen teils in Baracken, teils in Zelten liegen, die Pferde unter freiem Himmel [* 19] stehen. In Preußen, [* 20] wo man dem Prinzip der fortschreitenden Manöver treu blieb, fanden deshalb die vorgenannten Übungslager keine Nachahmung. Indessen machen ökonomische Gründe bei Zusammenziehung der Artillerie zu den jährlichen Schießübungen auch hier die Einrichtung von Barackenlagern (s. Baracken) auf den Schießplätzen notwendig. Diese Lager werden auch von andern Truppenteilen zu Schießübungszwecken benutzt, dienen aber niemals als Standquartier für Manövrierübungen mit gemischten Truppen, wie dies in andern Staaten der Fall ist.
Von der Gestalt der griechischen ist wenig bekannt; selten wurden sie verschanzt, geschah es, so wurden Holz [* 21] und Steine zur Herstellung der Befestigungen der Erde stets vorgezogen. Dagegen wurde der Lagerplatz in Bezug auf natürliche Verteidigungsfähigkeit mit Sorgfalt und großem Verständnis des Terrains gewählt. Das spartanische Lager war kreisrund. Bei den Römern hatten die Taktik wie die täglichen Märsche ein befestigtes Lager zur Basis. Sie unterschieden Winterlager (castra hiberna) u. Sommerlager (castra aestiva); letztere waren die beständigen Stützpunkte der Operationen und wurden am Abend jedes Marschtags neu errichtet.
Über Lage und Form des Lagers sowie die in ihm zu beobachtende Lagerordnung bestanden sehr genaue Vorschriften. Das Lager bildete nach Polybios (s. den Plan) ein Quadrat, die Fronte nach Osten, in derselben das Hauptthor (porta praetoria), durch welches eine Straße zum Feldherrnzelt (praetorium) und zum Thor in der Rückfronte (porta decumana) führte. Hinter dem Prätorium führte die via principalis parallel der Fronte quer durch das und Seitenthore (porta principalis dextra und sinistra).
Die Zelte, aus Leder, waren gewöhnlich für 10 Mann und ihren Dekanus berechnet. Die Verschanzung bestand aus einem Graben, dem eigentlichen Hindernis, und dem dahinterliegenden Wall, welcher nicht Schutz, sondern erhöhte Stellung gewähren sollte; auf seiner Krone standen die Kämpfer sowie Geschütze [* 22] (Katapulten) hinter einer Palissadenbrustwehr (torica). In den Winter- oder Standlagern wurden diese Brustwehren nicht nur widerstandsfähiger durch Erdvorlagen gemacht, sondern auch Türme, meist mit Geschützen armiert und durch Wachen besetzt, angelegt; statt der Zelte wurden Holz- oder Erdhütten gebaut. War es nötig, zur Sicherung der Herrschaft in dem besetzten Lande diesen Lagern größere Dauer zu geben, so wurden Brustwehr [* 23] und Türme, das Prätorium etc., statt aus Holz, aus Steinen aufgeführt, und es entstanden so die festen Lager, welche die Anfänge vieler jetzt blühender Städte am Rhein bilden. - Die Marschlager der Germanen waren Wagenburgen, aus den Karren [* 24] des Trosses hergestellt, die Rad an Rad nebeneinander mit aufgehobener Deichsel in einem oder zwei konzentrischen Ringen aufgestellt wurden; sie dienten als Schutzwall, der jedoch bei Standlagern durch Palissadierungen, auch Verschanzungen, verstärkt wurde. Ähnlich waren die Lager zur Zeit der Kreuzzüge, rund oder viereckig, innerhalb in regelmäßigen Quartieren die Zelte der Ritter und Hütten der Knappen und Dienstmannen. - Einen eigentümlichen Charakter erhielt das Lagerwesen durch die Hussiten (Anfang des 15. Jahrh.), die mit ihren ganzen Familien auf Wagen ins Feld zogen.
Auf der Verwendung dieses großen Wagentrosses mit verhältnismäßig zahlreichen Geschützen als Wagenburg (Tabor, daher Taboriten) beruhte die von Ziska ausgebildete Kampfweise der Hussiten. Die Wagen fuhren in vier Reihen hintereinander; die über die innern Reihen übergreifenden Flügel der äußern (ersten und vierten) Reihe wurden, um das Lager oder den Tabor zu bilden, zusammengezogen. Diese Kampfweise wurde auch von den Deutschen im 15. Jahrh. angenommen, nur wurden von diesen besondere Heerwagen, mit 20-25 Streitern besetzte Streitwagen, [* 25] oder mit dem zunehmenden Gebrauch der Feuerwaffen die vielgestalteten Büchsenwagen verwendet; diese Heerwagen bildeten die äußere, die Troßwagen die innere Reihe der Wagenburg, außerhalb der letztern wurde meist noch Graben und Wall, mit Thoren,
[* 2] ^[Abb.: Plan eines römischen Lagers] ¶
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durch spanische Reiter gesperrt, angelegt. Innerhalb der Wagen wurde das Lager nach bestimmter Ordnung abgesteckt. Die Lager der Landsknechte [* 27] waren ähnlich den römischen eingerichtet; innerhalb derselben waren die Nationen, wie Reiter und Fußvolk voneinander getrennt; letzteres zunächst dem Feinde, dahinter der Feldherr. Die Geschütze standen am Lärmplatz, die Troßwagen mit Fuhrleuten in besondern Quartieren oder außerhalb des Lagers. Die Wagenburgen hielten sich noch bis Mitte des 17. Jahrh. Der Lineartaktik (18. Jahrh.) waren die Zeltlager in Verbindung mit der Magazinverpflegung eigentümlich.
Man unterschied Linien- und Gassenlager. Bei ersterm standen die Zelte in so viel Reihen, als der Truppenteil Glieder [* 28] hat, parallel zur Fronte, bei letzterm die Zelte einer Kompanie oder Eskadron in zwei Reihen, zwischen sich die breite Kompaniegasse, bei der Kavallerie Stallgasse, senkrecht zur Fronte, zwischen den Zeltreihen zweier nebeneinander lagernder Kompanien die schmale Brandgasse. Der durch die Mitführung der Zelte bedingte große Troß machte die Bewegungen des Heeres sehr beschwerlich und entsprach nicht der Taktik und schnellen Operation der großen französischen Heere nach den Revolutionskriegen; die Zelte wurden abgeschafft und das Biwakieren oder Kantonieren Gebrauch.
Vgl. Jahns, Geschichte des Kriegswesens (Leipz. 1880).