Krinoideen
(Crinoidea, Haarsterne, Liliensterne), Klasse der Echinodermen (s. d.), kugelige, becher- oder kelchförmige Seetiere, meist mit einem gegliederten Stiel, welcher an feste Gegenstände angeheftet ist. Die gewöhnlich fünfeckigen Stielglieder (fossil unter dem Namen Entrochiten bekannt; s. Enkriniten) sind untereinander durch Bandmasse verbunden und von einem die Ernährung vermittelnden Zentralkanal durchbohrt. In gewissen Absätzen tragen sie gegliederte Rankenanhänge (cirri).
Der becherförmige Leib (Kelch) ist auf der dem Stiel zugewandten Rückenseite mit regelmäßig gruppierten Kalktafeln bedeckt, während die obere Fläche mit der Mundöffnung und dem After eine derbe Haut [* 3] hat. Am Rande des Kelchs entspringen meist bewegliche, einfache oder verästelte Arme, deren festes Gerüst aus bogenförmigen Kalkstücken besteht. Fast überall tragen die Arme an ihren Hauptstämmen oder deren Zweigen Seitenanhänge (pinnulae). Vom Munde, der in der Regel im Mittelpunkt des Kelchs liegt, erstrecken sich nach den Armen hin rinnenartige Furchen (Ambulakralfurchen), welche mit einer weichen Haut überzogen sind und die Ambulakralfüßchen tragen; letztere (vgl. Echinodermen) dienen als Tentakeln.
Das Wassergefäßsystem selbst ist, gleich dem
Nerven- und dem Blutgefäßsystem, im allgemeinen dem der
Seesterne
[* 4] ähnlich
gebaut. Der
Darm
[* 5] verläuft gewunden, so daß der
After in die
Nähe des
Mundes zu liegen kommt. Die
Geschlechtsorgane erstrecken
sich durch die ganzen
Arme und deren Verzweigungen hindurch, enthalten jedoch nur in den letztern
Eier,
[* 6] resp.
Samen.
[* 7] Die
Entwickelung verläuft zum Teil mit starker
Metamorphose. Diejenigen
Gattungen nämlich, welche im erwachsenen
Zustand sich schwimmend fortbewegen, sind gleich den übrigen in der
Jugend festgewachsen und lösen sich zu verschiedenen
Perioden von dem Stiel ab. - Die Krinoideen
stellen ein offenbar im Aussterben begriffenes
Geschlecht dar.
In den ältesten Zeiten der Erdgeschichte sind sie durch zahlreichere Gattungen vertreten als zur Sekundärzeit; der lebenden Formen aber sind nur noch ganz wenige. Völlig ausgestorben ist die Gruppe der Blastoideen [* 8] (Blastoidea), nahezu die der Cystoideen (Cystoidea). Erstere haben die Gestalt von Blütenknospen, sind armlos und sitzen mittels eines Stiels fest. Sie beginnen im obern Silur mit der Gattung Pentremites (s. die Tafeln »Devonische Formation« und »Steinkohlenformation I«) und erreichen ihre größte Mannigfaltigkeit im Devon [* 9] und Kohlengebirge, über welches sie nicht hinausreichen.
Die
Cystoideen oder
Seeäpfel sind entweder direkt mit ihrem kugelförmigen
Kelch oder mittels eines kurzen
Stiels aufgewachsen und besitzen keine oder nur schwache
Arme. Sie erreichen im
Silur ihr
Maximum, finden sich in der Steinkohlenperiode
vereinzelt und besitzen in der Gegenwart noch einen allerdings stark abgeänderten Vertreter (Hyponome Sarsii), der in der
Torresstraße vorkommt. Die dritte
Gruppe der Krinoideen
, die
Armlilien (Brachiata), zeichnet sich durch den
Besitz
von mächtigen
Armen aus.
Sie zerfallen in die Tafellilien (Tesselata), mit vollständiger Täfelung des Kelchs, welche vom Silur bis zur Kreide [* 10] reichen und die Gattungen Hypanthocrinus (s. Tafel »Silurische Formation«), [* 11]
Cupressocrinus, Haplocrinus (s. Tafel »Devonische Formation«),
Platycrinus, Rhodocrinus (s. Tafel »Steinkohlenformation I«) [* 12] u. a. umfassen, und in die Gliederlilien (Articulata),
mit minder vollständiger Gliederung des Kelchs. Diese beginnen mit Encrinus (s. Tafel »Triasformation [* 13] I«),
Pentacrinus in der Trias, erreichen ihre höchste Entwickelung im Jura (Pentacrinus, Apiocrinus, s. Tafel »Juraformation [* 14] I«) und nehmen dann ab, sind aber noch jetzt in mehreren Arten vertreten. So lebt der Medusenstern (Pentacrinus caput Medusae Mill., s. Tafel »Echinodermen«) in den Tiefen der westindischen Meere und ist nur selten gefangen worden. Rhizocrinus lofotensis Sars lebt in bedeutender Tiefe in den hochnordischen Meeren und zwar mittels der Ranken seines Stiels befestigt.
Aus der Familie der Komatuliden oder Haarsterne (Antedon) kennt man Arten aus allen Meeren. Sie leben in der Tiefe, kriechen mit Hilfe ihrer rankenförmigen Arme umher und nehmen mit dem Schlamm die Nahrung zu sich. Sie sind nur in der Jugend festgewachsen, und von ihrem Stiel bleibt später nur das oberste Glied [* 15] als Knopf am Kelch übrig. Der ausgewachsene Haarstern erscheint also als ein durch das Freiwerden höher entwickelter Pentacrinus. Hierher gehört der mittelländische Haarstern (Comatula mediterranea Lam., s. Tafel »Echinodermen«).
Vgl. Miller, Natural history of the Crinoidea (Bristol 1821);
Sars, Mémoires pour servir à la connaissance des crinoides vivants (Christ. 1868);
Johannes Müller, Über den Bau von Pentacrinus (Berl. 1841);
Ludwig, Morphologische Studien an Echinodermen (Leipz. 1877);
L. v. Buch, Über Cystideen (Berl. 1845);
Römer, [* 16] Monographie der Blastoideen (das. 1851).