Kriegsrecht
(Kriegsvölkerrecht,
Jus belli,
Droit de
la guerre), die völkerrechtlichen
Grundsätze und
Formen der modernen
Kriegführung.
Gewisse Rechtsanschauungen hatten sich in dieser Hinsicht allerdings auch schon im
Altertum
Geltung verschafft, doch setzte das antike Kriegsrecht
der ungebundenen
Willkür zur Zeit des Unfriedens nur wenig
Schranken. Der Einfluß
des
Christentums und des Rittertums im
Mittelalter verschaffte humanern
Sitten und
Gebräuchen mehr und mehr Geltung.
In der neuern Zeit war es aber namentlich die Wissenschaft, welche durch Entwickelung und Ausbau des Völkerrechts die Härten des Kriegs zu mildern suchte. Namentlich in Ansehung der nicht zur aktiven Armee gehörigen Unterthanen und ihres Privateigentums brach sich eine humanere Anschauung Bahn. Im Landkrieg wenigstens wird jetzt das Privateigentum grundsätzlich und allgemein respektiert. Bahnbrechend waren in dieser Hinsicht die wissenschaftlichen Arbeiten, welche Hugo Grotius in der ersten Hälfte des 17. Jahrh. veröffentlichte. Es ist Thatsache, daß die Wissenschaft auf die humanere Gestaltung des Kriegsgebrauchs von dem erheblichsten Einfluß gewesen ist.
Auch für die Kriegsgesetze der zivilisierten Staaten und die Kriegsartikel derselben war die moderne Rechtsanschauung, welche jede Zerstörung im Krieg, die um ihrer selbst willen geschieht, für völkerrechtswidrig und das Motiv der Rache gegen den überwundenen Feind auch im Krieg für unsittlich hält, bestimmend. Auch Staatsverträge und internationale Abmachungen sind auf diesem Gebiet zu verzeichnen, wie z. B. die Vereinbarungen auf dem Pariser Kongreß 1856. Die Petersburger Konvention vom untersagt die Verwendung von Explosivgeschossen aus Handfeuerwaffen. [* 2]
Auch der
Brüsseler
Konferenz von 1874, namentlich aber der
Genfer Konvention (s. d.) ist zu gedenken, welche nunmehr alle
Staaten
Europas und einige außereuropäische umfaßt und die Neutralisation verwundeter und erkrankter
Soldaten sowie aller zu
ihrer
Pflege und
Heilung bestimmten
Personen und Anstalten bezweckt. Neuerdings hat das
Institut für
Völkerrecht (l'Institut
de droit international), ein
Verein von
Publizisten, Staatsmännern und Völkerrechtslehrern, eine förmliche Zusammenstellung
der
Lehren
[* 3] des modernen Kriegsrechts
(Landkrieg) in Form eines
Gesetzbuchs
(Manuel) unternommen; allerdings nur eine Privatarbeit,
aber von hoher wissenschaftlicher
Autorität und ebendeshalb auch für die völkerrechtliche
Praxis bedeutungsvoll.
Im einzelnen sind namentlich die kriegsrech
tlichen
Grundsätze über
Beute,
Kriegserklärung,
Kriegsgefangene,
Neutralität und
Postliminium von Wichtigkeit.
Dazu kommen für den Seekrieg die Normen und Gebräuche bezüglich der Blockade, des Durchsuchungsrechts, der Kaperei, der Konterbande und der Prise (s. die betreffenden Artikel).
Vgl. außer den Lehrbüchern des Völkerrechts: »Lois de la guerre sur terre. Manuel publié par l'Institut de droit international« (Brüssel [* 4] 1880);
Grotius, Recht des Kriegs und des Friedens (deutsch von Kirchmann, Berl. 1869);
Bluntschli,
Modernes Kriegsrecht
(2. Aufl.,
Nördling. 1874);
Gentile, Diritto di guerra (Livorno [* 5] 1877);
Twiß, Rights and duties of nations in time of war (3. Aufl., Lond. 1884);
Nys, Droit de la guerre et les précurseurs de Grotius (Brüssel 1883).
In einem andern
Sinn versteht man unter Kriegsrecht
die auf das Heerwesen überhaupt bezüglichen Gesetzesvorschriften (s.
Militärgesetzgebung), und endlich wird der
Ausdruck Kriegsrecht
auch gleichbedeutend mit
Kriegsgericht gebraucht (s.
Militärgerichtswesen).