Kriegsleis
tungen,
diejenigen Leistungen, welche für die mobile Truppenmacht eines Landes von dessen Angehörigen beansprucht werden. Da nämlich durch die Mobilmachung der Barvorrat des Staats ungemein in Anspruch genommen, und da durch eine solche zudem eine bedeutende Steigerung der Preise hervorgerufen wird, und weil überdies der Ankauf der nötigen Verpflegungsmittel oft mit großen Weitläufigkeiten und Schwierigkeiten verknüpft sein würde, so hat man, namentlich in Preußen, [* 2] schon seit längerer Zeit das System der Naturalleistungen und Naturallieferungen eingeführt.
Jetzt ist dasselbe für das
Deutsche Reich
[* 3] durch das
Gesetz vom über die Kriegsleis
tungen und die zugehörige Ausführungsverordnung
vom geregelt. Dazu gehört noch die
Verordnung vom welche die Form der
Marschrouten
für die Kriegsverhältnisse festsetzt. Hiernach sollen die Kriegsleis
tungen nur insoweit in Anspruch genommen werden,
als für die Beschaffung der Bedürfnisse nicht anderweitig, insbesondere nicht durch freien Ankauf,
Barzahlung und Entnahme
aus den
Magazinen, gesorgt werden kann.
Auch wird für die Kriegsleis
tungen regelmäßig eine
Entschädigung aus Reichsmitteln gewährt; nur
Naturalquartier
und
Stallung sind unentgeltlich zu beschaffen, wofern es sich nicht um die zur
Besatzung des
Ortes gehörigen Truppenteile oder
um
Ersatztruppen in ihren Standquartieren handelt. Für diese wird, ebenso wie für die
Naturalverpflegung der
Truppen, nach
den für den Friedenszustand geltenden
Sätzen
Entschädigung gewährt (s.
Einquartierung). Die Verpflichtung
zu Kriegsleis
tungen liegt zunächst den
Gemeinden ob, welche sich dann wiederum an die einzelnen Leistungspflichtigen halten, zu welch letztern
aber die
Ausländer, welche sich in dem Gemeindebezirk aufhalten, nicht zu rechnen sind.
Gegenstand und
Umfang der Kriegsleis
tungen wird auf
Requisition der Militärbehörden durch die zuständigen Zivilbehörden
bestimmt, und zwar gehören außer
Naturalquartier und
Naturalverpflegung noch die Überlassung von Transportmitteln und Gespannen
für militärische
Zwecke,
Stellung von
Mannschaften als Gespannführer, Wegweiser und
Boten sowie zum Weg-,
Eisenbahn- und Brückenbau
u. dgl., ferner die
Überweisung der für den Kriegsbedarf erforderlichen
Grundstücke, Gebäude und Materialien, sodann die
Gewährung von Feuerungsmaterial und Lagerstroh für
Lager
[* 4] und
Biwaks und überhaupt der sonstigen
Dienste
[* 5] und Gegenstände, deren Leistung und Lieferung das militärische
Interesse erforderlich macht, insbesondere von
Bewaffnungs-
und Ausrüstungsgegenständen, von Arznei- und Verbandmitteln, soweit solche in dem Gemeindebezirk vorhanden, hierher. Für
gewisse K, nämlich für die Lieferung des
Bedarfs an lebendem Vieh, Brotmaterial,
Hafer,
[* 6]
Heu und
Stroh,
kann durch Beschluß des
Bundesrats an
Stelle der Gemeindelieferungen die Verpflichtung größerer Lieferungsverbände zur
Füllung der Kriegsmagazine angeordnet werden. Solche Kriegsleis
tungen werden
Landlieferungen genannt. Die Lieferungsverbände sind thunlichst
im Anschluß an die bestehenden
Kreise
[* 7]
oder an die sonstige Bezirkseinteilung zu
¶
mehr
bilden. Nur ausnahmsweise werden dagegen einzelne Personen ohne Vermittelung der Gemeinden oder Lieferungsverbände direkt
zu Kriegsleis
tungen herangezogen, nämlich die Besitzer von Schiffen und Fahrzeugen, welche dieselben auf Erfordern der Militärverwaltung
zu Kriegszwecken gegen Vergütung zur Verfügung stellen müssen, und ebenso die Pferdebesitzer zur Beschaffung und Erhaltung
des kriegsmäßigen Pferdebedarfs. Zu dem letztern Zweck findet ein sogen. Pferdeaushebungsverfahren statt,
welches den Charakter der Zwangsenteignung hat (s. Pferdeaushebung).
Bei der strategischen Bedeutung der Eisenbahnen sind endlich den Verwaltungen dieser besondere Verpflichtungen auferlegt; sie sind nämlich nicht nur verpflichtet, die für die Beförderung von Mannschaften und Pferden erforderlichen Ausrüstungsgegenstände der Eisenbahnwagen vorrätig zu halten, sondern haben auch gegen Vergütung die nötigen Militärtransporte zu besorgen und ihr Personal und Material zu militärischen Zwecken verfügbar zu stellen, wie sie überhaupt gehalten sind, in Ansehung des gesamten Bahnbetriebs den Anordnungen der Militärbehörden Folge zu leisten.
Alle andern Vermögenseinbußen, welche nicht durch derartige Anordnungen der Zivil- und Militärbehörden,
sondern außerdem durch die militärischen Maßregeln der eignen oder der feindlichen Truppen hervorgerufen werden, fallen
nicht unter den Begriff der Kriegsleistungen
, sondern unter den der Kriegsschäden, deren etwanige Entschädigung nach dem Kriegsleistungsgesetz
auf Grund eines jedesmaligen Spezialgesetzes des Reichs erfolgen soll. S. Kriegsschade.
Vgl. außer den Lehrbüchern des Reichs- und Staatsrechts: Seydel, Das Kriegswesen des Deutschen Reichs, in Hirths »Annalen«, S. 1050 ff. (Leipz. 1874);
Thiel, Das Reichsgesetz
über die Kriegsleistungen
(Rostock
[* 9] 1877).