Kriegsgericht,
s. Militärgerichtswesen und Belagerungszustand.
5 Wörter, 64 Zeichen
s. Militärgerichtswesen und Belagerungszustand.
Die Handhabung der Rechtspflege bei den Truppen ist schon von alters her den Truppenbefehlshabern unterstellt, weil ebenso wie bei der Disziplinarbestrafung leichterer Vergehen die besondern Verhältnisse des Soldatenstandes, namentlich die Erhaltung des unbedingten Gehorsams und der Mannszucht, eine rasche Ahndung und eine Beurteilung der Vergehen nach militärischen Gesichtspunkten fordern. Die besondere Militärgerichtsbarkeit (Militärjustiz) beschränkt sich aber heutzutage regelmäßig auf Strafsachen (s. Militärverbrechen). In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten haben die Militärpersonen (s. Militär) ihren Gerichtsstand bei dem Zivilgericht des Garnisonorts, ebenso in Ansehung bloßer Übertretungen. Eine einheitliche Normierung des Militärstrafverfahrens (Militärstrafprozeß) für das Deutsche Reich durch Reichsgesetz ist nach dem Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874 (§ 39) in Aussicht genommen. Inzwischen ist dasselbe, mit Ausnahme von Bayern und Württemberg, nach preußischem Recht (Militärstrafgerichtsordnung vom 3. April 1845) geordnet, und zwar ressortieren hiernach vor die Militärgerichte nicht bloß die eigentlichen Militärverbrechen (s. d.), sondern auch alle Verbrechen und Vergehen der Militärpersonen von nicht militärischem Charakter, deren Überweisung an die Zivilgerichte neuerdings freilich vielfach verlangt wird, ebenso wie man die Öffentlichkeit des Verfahrens vor den Militärgerichten als erforderlich bezeichnet hat. Gerichtsherren sind diejenigen Truppenbefehlshaber, welche die höchste Disziplinarstrafbefugnis haben, zunächst die Regiments- oder selbständigen Bataillonskommandeure, über ihnen die Befehlshaber der Divisionen, der Armeekorps und die Gouverneure und Kommandanten der Festungen oder größern offenen Orte. Die Gerichtsbarkeit ist eine höhere und eine niedere. Den Gerichtsherren mit höherer Gerichtsbarkeit steht ein Auditeur (Korps-, Divisions-, Gouvernements-, Garnisonsauditeur), denen mit niederer ein
untersuchungführender Offizier zur Seite. Vor die niedere Gerichtsbarkeit gehören alle Vergehen, welche keine strengere Freiheitsstrafe fordern als das höchste zulässige Maß des Arrestes, vor erstere alle Verbrechen und Vergehen, für welche im Gesetz mindestens Gefängnisstrafe angedroht ist. Der Gerichtsherr spricht nicht selbst Recht; er befiehlt nur die gerichtliche Untersuchung durch ein Untersuchungsgericht (Auditeur, bei den Bataillons- und Regimentsgerichten ein untersuchungführender Offizier und einer oder zwei Offiziere als Beisitzer), befiehlt die Abhaltung der Spruchgerichte, prüft und bestätigt die Urteile und ordnet deren Vollstreckung an. Die Militärgerichte sind nämlich keine ständigen Gerichte, sie werden vielmehr für jeden einzelnen Fall besonders zusammengesetzt. Für jedes militärstrafgerichtliche Verfahren ist ein Untersuchungsgericht und ein Spruchgericht niederzusetzen. Den Untersuchungsgerichten liegt die Führung der Untersuchung, den Spruchgerichten die Fällung des Urteils ob. Spruchgerichte sind für die niedere Gerichtsbarkeit Standgerichte, für die höhere Kriegsgerichte. Beide setzen sich zusammen aus einer Anzahl von Personen des Soldatenstandes verschiedener Rangklassen, deren Rang sich nach demjenigen des Angeschuldigten bestimmt, und einem Auditeur, bei Standgerichten statt dessen auch einem untersuchungführenden Offizier als Referenten. Die Einleitung, des gerichtlichen Verfahrens erfolgt auf Grund eines Thatberichts (species facti) des unmittelbaren Vorgesetzten, Kompaniechefs etc. und einer vorläufigen Untersuchung, welche die Thatsachen so weit feststellt, um entscheiden zu können, ob der Fall überhaupt gerichtlich zu ahnden, und ob er vor die höhere oder niedere Gerichtsbarkeit gehört. Die Bataillons- und Regimentsgerichte haben nur niedere Gerichtsbarkeit, die Divisionsgerichte die höhere über die ganze Division, die niedere nur, wo kein Regimentsgericht Platz greift, z. B. wo Angehörige verschiedener Truppen beteiligt sind; die Korpsgerichte höhere und niedere über alle Truppen im Korpsbereich, die unter keinem Divisionsgericht stehen (Artillerie, Pioniere, Jäger, Schulen etc.). Die Garnisongerichte sind zuständig mit höherer und niederer Gerichtsbarkeit für alle Vergehen im Garnisondienst und gegen Ruhe und Ordnung, zugleich für alle Mannschaften, deren mit Gerichtsbarkeit versehene Vorgesetzte nicht am Ort sind, und für das eigentliche Festungspersonal. Die Bestätigung der Richtersprüche erfolgt bei Strafen bis zu einem Jahr Gefängnis durch den Gerichtsherrn, bis zu zwei Jahren durch den kommandierenden General, bis zu fünf Jahren durch den Kriegsminister, darüber und gegen Offiziere stets durch den Kontingentsherrn; dabei werden die Urteile durch die Auditeure, resp. das Generalauditoriat begutachtet. Durch die Bestätigung wird das Urteil rechtskräftig, Berufung findet nicht statt. Alle Gerichtsakten werden durch die Korpsauditeure und das Generalauditoriat einer nachträglichen Prüfung unterzogen. Das Begnadigungsrecht steht den Kontingentsherren, also den Königen von Preußen und Sachsen, zu; doch sind den sonstigen Landesherren in den Militärkonventionen gewisse Zugeständnisse in dieser Hinsicht gemacht.
In Bayern sind die Bestimmungen der Militärstrafgerichtsordnung vom 29. April 1869, revidiert durch Gesetz vom 28. April 1872, maßgebend. Bei leichtern Vergehen urteilen Militäruntergerichte, zusammengesetzt aus dem Kommandanten, einem Offizier und dem Auditor. Schwerere Fälle gehören vor die Militärbezirksgerichte, welche bei den höhern Kommandostellen bestehen und aus dem Kommandanten als Vorstand, einem Auditor als Direktor und einer Anzahl von Offizieren und Auditoren als Richtern sich zusammensetzen. Zu diesen treten in Verbrechens- und Vergehenssachen, mit Ausnahme der Ungehorsamsfälle, Geschworne hinzu, deren Charge sich nach derjenigen des Angeklagten richtet. Im Bereich der mobilen Armee treten an die Stelle der Militärbezirksgerichte Feldgerichte. Über Beschwerden, Nichtigkeitsbeschwerden, Wiederaufnahme des Verfahrens und Bestätigung der Todesurteile beschließt das Militärobergericht, bestehend aus einem General als Präsidenten, dem Generalauditor als Direktor und einer Anzahl von Auditoren als Richtern. Standgerichte zur Aburteilung gewisser Vergehen werden nach Verkündigung des Standrechts niedergesetzt. In Württemberg ist für das Militärgerichtswesen das Militärstrafgesetz vom 20. Juli 1818 maßgebend. Die niedere Gerichtsbarkeit über Vergehen der Unteroffiziere und Soldaten, welche mit geringern Strafen bedroht sind, wird durch kriegsrechtliche Kommissionen, die höhere durch »Kriegsrechte« ausgeübt. Auch diese Gerichte sind nicht ständig, sondern werden nach der Charge des Angeschuldigten aus Militärpersonen verschiedener Rangklassen für den einzelnen Fall gebildet. Die Oberinstanz für die Kriegsrechte ist ein aus Offizieren und Rechtsgelehrten zusammengesetztes Revisionsgericht. Das Bestätigungsrecht hat der König. Vgl. Litteratur bei Militärgesetzgebung.