Krieg
,
der Zustand gewaltsamen
Kampfes zwischen
Staaten, Völkern oder
Parteien eines
Staats zur Behauptung streitiger
Rechte oder Ansprüche. Dem Privatkrieg
zwischen Einzelnen,
Familien oder
Stämmen
(Fehde,
Faustrecht) ist in den zivilisierten
Staaten durch
Gesetze und Rechtsprechung vorgebeugt; der Krieg
zwischen
Staaten oder Völkern, so alt wie diese selbst, hat seine
natürliche
Berechtigung in dem Fehlen eines mit hinreichender
Exekutivgewalt ausgestatteten
Gerichts zur endgültigen
Entscheidung
ihrer Streitigkeiten, und daher ist, so sehr es auch vom Standpunkt der
Humanität zu wünschen wäre, nicht abzusehen, daß
der Krieg
jemals aufhören wird.
Die
Notwendigkeit des
Kriegs liegt in der
Natur der menschlichen
Gesellschaft, und alle
Versuche, ihn zu beseitigen,
wie das Verbot des
Kriegsdienstes durch einzelne
Kirchenväter und später von seiten verschiedener
Sekten, wie der
Raskolniken,
Quäker und
Mennoniten, die Bestrebungen der sogen. Friedensapostel, wie Elihu
Burritt,
Cobden etc., müssen dem gegenüber erfolglos
bleiben. Für die
Entwickelung der ganzen Menschheit wirkt übrigens auch der Krieg
oft verbessernd, indem
er
Tugenden und
Kräfte weckt und erhält, die sonst unthätig schlummern, und dadurch das
Geschick der
Völker in neue
Bahnen
lenkt.
In der
Weltgeschichte sehen wir alle bedeutenden Wendepunkte im
Leben der
Völker durch große Kriege
bezeichnet.
Gewisse
Grundsätze
für die Krieg
führung zwischen
Staaten sind daher durch das sogen.
Völkerrecht allgemein angenommen und
gelten auch für den
Bürgerkrieg, den Krieg
zwischen den
Parteien
Eines
Staats. Man unterscheidet
Volks- und die früher häufigen
Kabinettskriege
, je nachdem ein Krieg für die
Interessen eines ganzen
Volkes oder der persönlichen
Interessen eines
Fürsten wegen
geführt wird.
Letztere sind heutzutage fast undenkbar. Nach ihrer Veranlassung nennt man die Kriege
Eroberungs-,
Religions-,
Erbfolge-,
Handels-, Unabhängigkeitskriege
etc. Nach der Art der Krieg
führung unterscheidet man
Angriffs-
(Offensiv-) und
Verteidigungs-
(Defensiv-) Kriege
, bei welch letztern der einen Verteidigungskrieg Führende sehr wohl in den einzelnen
Schlachten
[* 2] etc. der
Angreifer sein kann und umgekehrt.
Positions- oder Stellungskrieg
nennt man die Art der Kriegführung,
welche vorzugsweise durch die Behauptung von starken
Stellungen die
Entscheidung hinzuhalten bestrebt ist,
statt entscheidende
Schlachten zu suchen.
Unter großem Krieg
versteht man das Verwenden der möglichst versammelten Hauptstreitkräfte zur unmittelbaren Erreichung
des Krieg
szwecks, der Vernichtung des Gegners; unter kleinem Krieg
(Detachements- und
Parteigänger- oder
Partisanenkrieg) das Auftreten kleiner Truppenabteilungen (fliegender
Korps etc.), welche, getrennt vom Hauptheer, in
Flanke
und
Rücken des Feindes, auch in den
Pausen der großen kriegerischen Thätigkeit dem Feinde durch Wegnahme von
Transporten,
Kolonnen etc. möglichsten Abbruch thun sollen.
Guerillakrieg nennt man den kleinen (Volks-) Krieg, welchen ein Volk (nach Vorbild der Spanier) führt, um einzeln oder in Banden dem eingedrungenen Feind unaufhörlich Schaden zuzufügen. Nach dem Ort, wo der Krieg geführt wird, dem Kriegsschauplatz oder Kriegstheater, und den Objekten, um deren Besitz es sich dabei handelt, ist der Krieg entweder Land- oder Seekrieg, Gebirgskrieg, Küstenkrieg, Festungskrieg oder offener Feldkrieg. Der allgemeine Kriegszweck ist stets: eine derartige Vernichtung des Feindes, daß er keinen Widerstand mehr leisten kann, durch den Sieg über seine Streitkräfte und durch Eroberung des Landes.
Die Art und Weise, wie der Krieg zu führen ist, richtet sich nach der politischen Lage, dem Verhältnis der beiderseitigen Kräfte, der Beschaffenheit des Kriegsschauplatzes, der Jahreszeit etc. Der Kriegsplan stellt dieselbe fest, er wird entworfen vom Kriegsherrn unter Beirat der obersten Staats- und Militärbehörden (Kriegsminister, Chef des Generalstabs) oder von dem designierten Feldherrn selbst. Der Plan verfügt im weitesten Umfang über die Kriegsmittel des Staats, also die organisierte Kriegsmacht, d. h. das Kriegsheer und die Kriegsmarine mit ihren Streitmitteln, sowie auch die sonstigen Hilfsquellen des Staats an Geld, Arbeitskräften, Pferden, Produkten, welche für den Krieg verwandt werden können.
Die Kriegführung selbst ist dann Sache des Feldherrn. Derselbe muß zugleich Staatsmann sein, denn die diplomatische Thätigkeit geht mit der kriegerischen Hand [* 3] in Hand und muß an die Erfolge der letztern stets anknüpfen oder auf sie wieder einwirken; die größten Erfolge werden daher da errungen, wo der erste Feldherr zugleich erster Staatsmann ist (Friedrich II., Napoleon I.). Für den Feldherrn und die höhern Führer ist die Kriegführung eine Kunst zu nennen (die Kriegskunst [s. d.] oder Feldherrnkunst), zu deren Ausübung sie unter anderm das Studium der Kriegswissenschaften (s. d.) befähigen muß; für die einzelnen Glieder [* 4] des Heers wird, je ferner sie dem Feldherrn stehen, die Aufgabe der Kriegführung immer mehr handwerksmäßig (Kriegshandwerk).
Vgl. v. d. Goltz, Das Volk in Waffen [* 5] (3. Aufl., Berl. 1884).