Titel
Kreislauf
[* 2] des
Blutes (Circulatio sanguinis), die von William Harvey (s. d.) 1619 entdeckte
ununterbrochene
Bewegung des
Blutes durch den Körper, welche insofern als ein Kreislauf
bezeichnet werden kann, als das
Blut
aus dem
Herzen nach allen
Teilen des
Körpers hinfließt und von diesen wieder nach jenem zurückkehrt.
(S.
Herz.) Aus der linken Herzkammer strömt das
Blut zunächst in die große
Schlagader (arteria aorta), und zwar in den
Teil
derselben, welcher der aufsteigende (aorta ascendens) genannt wird, ungefähr 28
mm im Dnrchmesser hat und unmittelbar am
Herzen einige Zweige zur
Ernährung der Herzsubstanz selbst abgiebt.
Nicht weit über ihrem
Austritt aus dem
Herzen bildet die
Aorta (s. d.) einen nach links gekrümmten
Bogen
[* 3] (arcus aortae), dessen
Konvexität nach oben gekehrt ist und rechts die «ungenannte»
Arterie
[* 4]
(arteria anonyma, besser a. brachio-cephalica), die sich
sehr bald wieder in die rechte Kopfschlagader (carotis dextra) und die rechte Schlüsselbeinader (arteria
subclavia dextra) spaltet, sowie weiter links die linke Kopfschlagader (carotis communis sinistra) und die linke Schlüsselbeinader
(arteria subclavia sinistra) abgiebt.
Nachdem so die
Aorta das
Blut, welches für den
Kopf und die obern Extremitäten bestimmt ist, abgegeben hat, geht sie in ihren
absteigenden
Teil (aorta des
cendens) über, welcher längs der Wirbelsäule mit verhältnismäßig kürzerm
und sich nach
Abgabe vieler Arterienäste immer mehr verengendem Durchmesser erst als Brustaorta (aorta thoracica) und dann
unterhalb des
Zwerchfells als Bauchaorta (aorta abdominalis)
bis in das
Becken hinabsteigt, wo er sich endlich in zwei Hauptäste,
die beiden gemeinschaftlichen Hüftarterien (arteriae iliacae communes), spaltet, welche das
Blut zu den
untern Extremitäten führen. Die
Arterien (s. d.) teilen sich nach und nach in immer kleinere Zweige, bis
sie, alle unter der
Haut
[* 5] liegenden
Teile des
Körpers durchdringend, in die
Haargefäße (s. d.) übergehen, in denen die eigentliche
Ernährung des Körpers, die Verwandlung eines durch die Haargefäßwände hindurchgeschwitzten
Teils des
Blutes in die
Masse des Organs, welches er berührt, stattfindet.
Aus den Haargefäßen geht das Blut wieder in die durch Zusammentreten mehrerer Zweige immer umfangreicher werdenden Venen (s. d.) über, deren Hauptstämme meist an der Seite der Arterien verlaufen, und sammelt sich zuletzt fast vollständig in der obern und der untern Hohlader (vena cava superior et inferior), von denen die obere aus dem Kopfe, die untere aus dem Körper kommt, welche beide nebst den Herzvenen (venae cardiacae) in die rechte Vorkammer des Herzens einmünden. (S. Tafel: Die Blutgefäße des Menschen, [* 1] Fig. 2, und Tafel: Das Herz des Menschen, [* 1] Fig. 2.) Das
^[Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.] ¶
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aus den Bauchorganen (Darm,
[* 7] Milz) abfließende Blut sammelt sich in der Pfortader (vena portae), und diese löst sich in der
Leber nochmals in ein Haargefäßsystem auf, ehe sich dieses Blut in die untere Hohlvene ergießt. Aus der rechten Vorkammer
tritt nun das Blut in die rechte Herzkammer, von da durch die Lungenarterien in die Lungen, aus diesen,
nachdem es mit der daselbst befindlichen atmosphärischen Luft in Berührung gekommen und dadurch wieder in vollkommenes
arterielles, d. h. sauerstoffhaltiges Blut verwandelt worden ist, durch die Lungenvenen in die linke Vorkammer und von da endlich
wieder in die linke Herzkammer, um aufs neue den Kreislauf
zu beginnen.
Zur bessern Veranschaulichung des Blutumlaufs diene die nebenstehende schematische [* 2] Figur, in der durch Pfeile die Richtung des Blutlaufs angegeben ist; a bezeichnet die rechte Vorkammer, b die rechte Kammer des Herzens, c die Lungenpulsader, d das Haargefäßsystem der Lungen, e die Lungenblutader, f die linke Vorkammer, g die linke Herzkammer, h die Aorta, i die Schlagadern und k die Blutadern der obern Körperhälfte, l den Bogen und m den absteigenden Teil der Aorta, n die Bauchaorta, o das Haargefäßnetz des Darmkanals, p die Pfortader mit den Haargefäßen q derselben in der Leber, r die Leberblutadern, s die untere Hohlader, t das Haargefäßsystem der untern Extremitäten.
[* 2] ^[Abb.]
Man unterscheidet gewöhnlich den großen oder Körperkreislauf
und kleinen oder Lungenkreislauf. Ersterer, welcher drei Viertel
der gesamten Blutmasse faßt und in der obigen
[* 2]
Figur durch die Pfeile in der Richtung g h l m s i k a angedeutet ist, bezeichnet
den zuerst beschriebenen Lauf des Blutes aus der linken Herzkammer durch alle Teile des Körpers in das Herz zurück, letzterer
(mit ungefähr einem Viertel der gesamten Blutmenge) den Lauf aus der rechten Vorkammer durch die rechte Herzkammer, die Lungen
und die linke Vorkammer bis in die linke Herzkammer (b c d e f der obigen
[* 2]
Figur). Der eben geschilderte
kreislauf
des Blutes
ist ununterbrochen, sodaß das ganze Gefäßsystem immer mit Blut gefüllt und kein leerer Raum darin zu finden ist.
Die Bewegung dieses zusammenhängenden Blutstroms geschieht durch Zusammenziehen des Herzens und der Arterien, indem gleichzeitig
durch die Klappen im Herzen und in den Venen rückgängige Bewegungen des Blutes verhindert werden.
Die Kräfte, welche den Blutkreislauf [* 8] veranlassen und unterhalten, sind folgende:
1) Die Herzbewegung, welche eine beständige Ungleichheit der Spannung in den verschiedenen Teilen des Gefäßsystems verursacht und dadurch eine kontinuierliche Blutbewegung hervorbringt. Indem das Herz durch seine abwechselnden Kontraktionen das in ihm enthaltene Blut periodisch in die großen Gefäßstämme hineinpreßt, veranlaßt es in den Arterien eine rhythmische (pulsatorische), in den Haargefäßen und Venen eine kontinuierliche Strömung des Blutes (s. Herz).
2) Die Verengerung der Arterien, deren Wandungen sich, wenn sie nach der Kontraktion des Herzens durch das eingepreßte Blut übermäßig ausgedehnt wurden, vermöge ihrer Elasticität und ihrer durch Muskeln- und Nervenfasern bedingten Kontraktilität wieder zusammenziehen und dadurch das eingepreßte Blut nach vorwärts, nach den Haargefäßen hindrängen (s. Puls).
3) Die Aspiration des Brustkastens, welche dadurch zu stande kommt, daß bei jeder Einatmung infolge der Erweiterung des Brustkastens ein negativer Druck innerhalb der Brusthöhle entsteht, wodurch das Venenblut eingesaugt und kräftig nach dem Herzen getrieben wird.
4) Muskelkontraktionen üben einen vorübergehenden Druck auf die benachbarten Venen und pressen das Venenblut in der Richtung gegen das Herz hin, da ihm der Weg in entgegengesetzter Richtung durch die sich schließenden Klappen der Vene verlegt wird.
Die Zeit, binnen welcher der Kreislauf
sich einmal vollendet, also ein Blutteilchen an dieselbe Stelle zurückgekehrt ist,
von welcher es ausging, ist bei verschiedenen Tieren ungleich und zunächst von der Größe des Tieres abhängig. Beim Pferde
[* 9] z. B. vollendet er sich in 25-30 Sekunden, beim Hunde
[* 10] von mittlerer Größe in 15, beim Menschen in etwa 23 Sekunden;
durch 26-28 Pulsschläge wird das Blut einmal durch den ganzen Körper getrieben. Die Geschwindigkeit des Blutes ist an den
Stellen größer, wo das Stromgebiet enge ist (in den großen Arterien und Venen), geringer da, wo es sehr in die Breite
[* 11] geht;
in den Haargefäßen am geringsten. In diesen letztern rückt das Blut in der Sekunde nur um ½ mm fort,
in der Carotis dagegen um 300 mm in der Sekunde. Aus der kurzen Zeit, welche zur Vollendung eines Kreislaufs
erforderlich ist,
erklärt sich einerseits die fast augenblickliche Wirkung mancher direkt in das Blut eingespritzten Gifte,
z. B. der Blausäure, der Strychninlösung u. a., andererseits die Schnelligkeit, mit welcher bei
Verletzung der dem Herzen nahe gelegenen Blutgefäße der Tod durch Verblutung erfolgt.
Im Fötus ist der kreislauf
des Blutesein
wesentlich anderer als beim Geborenen (s. Embryo, Bd. 6, S. 72 a).
Kollateral- oder Seitenkreislauf
nennt man den nach Unterbindung oder Verstopfung einer größern Schlagader
sich entwickelnden kreislauf
des Blutes
Wird z. B. die Hauptschlagader eines
Gliedes wegen einer heftigen Blutung unterbunden, so wird das Blut nun mit größerer Kraft
[* 12] und in größerer Menge oberhalb
des durch die Unterbindung gebildeten Gerinnsels (Thrombus) in die Seitenäste des verstopften Gefäßes
eingetrieben und gelangt nun vermöge der zahlreichen miteinander kommunizierenden Verzweigungen (s.
Anastomose) auf Seitenwegen zu dem Teile, der eigentlich von dem verschlossenen Gefäß
[* 13] versorgt werden sollte. Die Kenntnis
der Kollateralgefäße ist deshalb für den Chirurgen wichtig. -
Vgl. Fick, Der V. kreislauf
des Blutes
(Berl. 1872);
Basch, Allgemeine Physiologie
und Pathologie des B. kreislauf
des Blutes
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