Titel
Kreis
[* 1] (lat.
Circulus, daher auch veraltet Circul, jetzt meist
Zirkel), in der
Geometrie eine ebene, geschlossene,
krumme Linie,
deren
Punkte alle gleich weit von einem festen
Punkte, dem
Mittelpunkt
(Zentrum), entfernt sind. Diese
Entfernung
heißt der
Halbmesser
(Radius) des Kreises
, das
Doppelte derselben der
Durchmesser
(Diameter). Die wichtigsten
Eigenschaften des
Kreises
sind folgende:
1) Eine gerade Linie schneidet den in höchstens zwei Punkten und heißt dann eine Sekante, während man das zwischen den beiden Schnittpunkten liegende begrenzte Stück eine Sehne (chorda) nennt. Eine durch den Mittelpunkt gehende Sehne ist ein Durchmesser.
2) Fällt man vom
Mittelpunkt des Kreises
eine
Senkrechte auf die
Sehne, so wird dieselbe halbiert. Zwischen dem
Radius r, der
Sehne
s und ihrem senkrechten
Abstand d vom
Mittelpunkt besteht daher nach dem
Pythagoreischen
Lehrsatz die
Gleichung r² = ¼s² + d².
3) Errichtet man im Halbierungspunkt einer
Sehne ein
Perpendikel, so geht dieses durch den
Mittelpunkt des Kreises.
4) Man kann daher den
Mittelpunkt eines Kreises
finden, sobald drei
Punkte desselben bekannt sind; ist der Kreis
selbst oder ein
Stück desselben gegeben, so kann man die drei
Punkte beliebig wählen. Man verbindet dann geradlinig den
ersten und zweiten sowie den ersten und dritten
Punkt, halbiert die Verbindungslinien und errichtet in den Halbierungspunkten
Senkrechte, deren Schnittpunkt der
Mittelpunkt ist.
5)
Fallen
[* 2] die beiden Schnittpunkte des Kreises
mit einer
Geraden in einen einzigen
Punkt zusammen, so sagt
man, die
Gerade berühre oder tangiere den in diesem
Punkt; sie ist eine
Tangente und der
Punkt der Berührungspunkt. Die Kreis
tangente
steht senkrecht auf dem
Halbmesser, der durch den Berührungspunkt geht.
6) Im
Gegensatz zu der umschlossenen
Fläche, der Kreis
fläche, bezeichnet man die Kreis
linie auch mit
dem
Namen
Umfang oder
Peripherie; ein beliebiges
Stück des
Umfanges heißt ein
Bogen
[* 3] (arcus). Die beiden Radien, welche nach den
Endpunkten des
Bogens gehen, bilden den
Zentriwinkel, der über diesem
Bogen steht. Da der ganze
Umfang in 360 gleiche Teile
geteilt wird, die man
Grade nennt, und jeder solche
Grad in 60
Minuten, jede
Minute in 60
Sekunden zerfällt,
so hat jeder
Bogen ebensoviel
Grade etc. wie sein
Zentriwinkel. Darauf beruht in der
Praxis die Messung der
Winkel
[* 4] mit
Hilfe eines
geteilten Kreises.
7) Verbindet man die Endpunkte eines Bogens A und B [* 1] (Fig. 1) durch gerade Linien mit irgend einem Punkt P auf dem übrigen Teil der Peripherie, so erhält man
[* 1]
^[Abb.: Fig. 1. Kreis
mit Radien und
Sehnen]
¶
mehr
einen Peripheriewinkel. Derselbe ist halb so groß als der Zentriwinkel AOB, der auf demselben Bogen steht. Mithin sind alle Peripheriewinkel über demselben Bogen einander gleich, und jeder Peripheriewinkel über dem Halbkreis ist ein rechter Winkel.
8) Ein Vieleck heißt einem Kreis
eingeschrieben, wenn seine Ecken auf dem Kreis
umfang liegen, dagegen dem
Kreis
umschrieben, wenn die Seiten den Kreis berühren. Ein reguläres Vieleck läßt sich stets sowohl als ein eingeschriebenes
wie auch als ein umschriebenes betrachten. Beschreibt man in und um einen Kreis zwei reguläre Vielecke
[* 6] von gleicher Seitenzahl,
so ist die Fläche des eingeschriebenen kleiner, die des umschriebenen größer als die Kreisfläche;
da aber der Unterschied beider Flächen um so kleiner wird und sich mehr und mehr der Null nähert, je größer die Anzahl
der Seiten ist, so kann man mit Hilfe solcher Vielecke die Kreisfläche beliebig genau berechnen.
Wenn r den Radius bedeutet, so ist diese Fläche r²π, wobei π (pi) den Wert 3,1415927 hat. Archimedes wußte, daß diese Zahl zwischen 3 1/7 und 3 10/71 liegt; Ludolf van Ceulen (s. d.) berechnete von 1586 an erst 20, dann aber 35 Dezimalstellen, nämlich π = 3,14159 26535 89793 23846 26433 83279 50288. Von ihm heißt sie die Ludolfsche Zahl, sonst nennt man sie auch die Kreisumfangszahl. Mit den Hilfsmitteln der höhern Analysis hat man sie neuerdings noch genauer berechnet; Dase (s. d.) fand 200, der Astronom Th. Clausen (s. d.) 250, endlich Professor Richter in Elbing [* 7] 500 Dezimalen (s. Grunerts »Archiv der Mathematik und Physik«, XXV, S. 472). 9) Da man den als ein reguläres Vieleck von unendlich vielen Seiten auffassen kann, und da die Fläche eines regulären Vielecks gleich dem halben Umfang desselben, multizipliert mit dem Radius des eingeschriebenen Kreises, ist, so ist der Kreisumfang = 2rπ.
10) Ist von den drei Größen: Halbmesser = r, Kreisumfang = u, Kreisfläche = k eine die gegebene, so findet man die beiden andern mittels der Formeln
u = 2rπ | k = r²π |
r = u/(2π) | k = u²/(4π) |
r = xx k ↗ n | u = 2 xx kπ |
^[img]
11) Die Größe eines Bogens von w Grad ist = rπ(w/180).
12) Der Teil der Kreisfläche, welcher von zwei Halbmessern und einem Bogen begrenzt wird, heißt ein Sektor oder Kreisausschnitt; wenn w die Größe des Zentriwinkels in Graden bedeutet, so ist die Fläche des Sektors = r²π(w/360).
13) Die Fläche zwischen einer Sehne und ihrem Bogen heißt ein Segment oder Kreisabschnitt; sie ist = r²(πw/360 - ½ sin w). 14) Eine geometrische Konstruktion zur genauen Darstellung der Länge des Kreisumfanges in Gestalt einer geraden Linie (Rektifikation des Kreises) ist nicht bekannt; für die Praxis ist folgende von dem polnischen Jesuiten Kochanski 1685 angegebene ausreichend, welche 3,1415333 statt π gibt: Man setze den Zirkel im Endpunkt A [* 5] (Fig. 2) des Durchmessers AB ein und schlage einen durch den Mittelpunkt O gehenden Bogen, der den in C schneidet;
sodann schlage man um C einen durch A gehenden Bogen, der den ersten Bogen in D schneidet, und ziehe die Gerade OD.
Man lege nun in A die Tangente (senkrecht zu AB) an den Kreis, welche die Gerade OD in E trifft, trage EF gleich dem dreifachen Halbmesser des Kreises ab und ziehe zuletzt die Gerade FB, welche nahezu gleich dem halben Umfang ist.
15) Um die Länge eines Bogens AD [* 5] (Fig. 3) geradlinig darzustellen, lege man an A die Tangente AT und ziehe den Durchmesser AB, den man um das Stück BC gleich dem Halbmesser verlängert; zieht man zuletzt noch die Gerade CD, welche die Tangente in E schneidet, so ist AE sehr nahe gleich dem Bogen AD, solange derselbe 45° nicht überschreitet.
[* 5] ^[Abb.: Fig. 2. Rektifikation des Kreises.
Fig. 3. Bogenrektifikation.]