Kreideform
ation
[* 2] (Quadersandsteinformation,
Quadergebirge, Grünsandformation, procäne
Formation, den Bezeichnungen
der
Etagen der
Tertiärformation
[* 3] nachgebildet), die jüngste der
Formationen in der mesozoischen
Gruppe, überlagert von den
Gesteinen der Tertiärbildungen und (unter der Voraussetzung, daß nicht die
Wealdenformation [s. d.] als besondere Zwischenformation
aufgefaßt wird) von den
Gesteinen der
Juraformation
[* 4] unterteuft. Das der Kreideform
ation den
Namen gebende
Gestein,
Kreide
(s. d.), auch weiße
Kreide, Schreibkreide genannt, ist nicht überall entwickelt, sondern wird häufig durch
Sandsteine, welche
neben deutlicher
Schichtung noch eine quaderförmige
Absonderung erkennen lassen (daher
Quadersandsteine), durch gewöhnliche
Kalke, mergelige
Kalke und
Mergel (Plänerkalk und
-Mergel) oder durch
Sande ersetzt.
Alle diese
Gesteine
[* 5] nehmen mitunter
Glaukonit auf und werden dadurch glaukonitisch oder, wie man sie gewöhnlich, aber fälschlich
benennt: chloritische
Kreide,
Kalke,
Sande (Grünsand,
Greensand) und
Sandsteine. Die
Quadersandsteine verwittern (eine
Folge der
ungleichförmigen Verteilung eines bald festern, bald weichern
Bindemittels) oft zu grotesken Bergformen
(Sächsisch-Böhmische
Schweiz,
[* 6]
Adersbacher
Thal
[* 7] im
Riesengebirge). Untergeordneter treten
Schieferthone und
Thone auf, und besondere,
nur an bestimmten Lokalitäten und in bestimmten
Etagen der Kreideform
ation entwickelte Kalksteinvarietäten sind der
Kreidetuff, ein lockeres,
fast nur aus organischen
Fragmenten bestehendes
Gestein,
¶
Flabellina rugosa. (Art. Rhizopoden.)
Ptychodus latissimus. (Art. Selachier.)
Bulimina obliqua. (Art. Rhizopoden.)
Lituola nautiloidea. Textularia striata. Textularia aviculata. (Art. Rhizopoden.)
Baculites anceps. (Art. Tintenschnecken.) [* 9]
Chrysalinida gradata. (Art. Rhizopoden.)
Rhynchoteuthis Astieriana. (Art. Tintenschnecken.)
Exogyra columba. (Art. Muscheln.) [* 10]
Ancyloceras Matheronianum. (Art. Tintenschnecken.)
Dentalina sulcata. (Art. Rhizopoden.)
Inoceramus sulcatus. (Art. Muscheln.)
Schuppe eines cycloiden Fisches.
Schuppe eines ktenoiden Fisches.
Siphonia pyriformis. (Art. Schwämme.) [* 11]
Baculites anceps (Art. Tintenschnecken.)
Chrysalinida gradata. (Art. Rhizopoden.)
Toxoceras bituberculatum. (Art. Tintenschnecken.)
Otodus appendiculatus. (Art. Selachier.)
Hippurites Toucasianus. (Art. Muscheln.)
Kopf von Mosasaurus Hofmanni. (Art. Reptilien.)
Discoidea subuculus. (Art. Echinoideen.)
Cyathina Bowerbanki. (Art. Korallen.) [* 12]
Trigonia caudata (Art. Muscheln.)
Crioceras Duvalii (Art. Tintenschnecken.)
Cyclolites ellipticus (Art. Korallen.)
Chelonia Benstedi (Art. Schildkröten.) [* 13]
Caprina Aguilloni. (Art. Muscheln.)
Zum Artikel »Kreideformation«. ¶
mehr
und die Korallenkreide, wie der Name besagt, ein Korallenkalk. Der weißen Kreide sind häufig Feuersteinknollen, mitunter in
bizarren Formen, eingelagert, die, grob lagenweise verteilt, der an sich ungeschichteten Kreide eine Art Schichtung erteilen.
An floristischen Resten ist die Kreideform
ation, sowie man nicht die Wealdenformation ihr zuzählt, sehr arm; die betreffenden
Einschlüsse sind an wenig Lokalitäten (Aachen,
[* 15] Haldem, einzelne Punkte des Harzes, Schlesiens und Mährens, Niederschöna i.
S.) geknüpft und nur in den Schieferthonen etwas häufiger, hier freilich gelegentlich sogar zu kleinen Kohlenflözen angehäuft.
Charakteristisch für die Flora der Kreideform
ation ist das Auftreten der angiospermen Dikotyledonen (Credneria, Eiche, Weide,
[* 16] Ahorn etc.).
Viel mannigfaltiger sind die Tierreste. Schwämme und Korallen (s. Siphonia, Cyclolites und Cyathina auf der Tafel »Kreideform
ation«)
treten in einzelnen Etagen in zahlreichen Exemplaren auf, übertroffen freilich an Formenreichtum durch die Rhizopoden, welche
nicht nur an der Zusammensetzung der Kreide selbst einen hervorragenden Anteil nehmen, sondern auch häufig in den
übrigen Gesteinen der Formation gefunden werden; sind doch namentlich die oben als Beimengungen der Gesteine erwähnten Glaukonitkörner
oft nichts andres als Steinkerne solcher Rhizopoden.
Eine Mehrzahl der zierlichen Gestalten ist, stark vergrößert, auf unsrer Tafel dargestellt: Flabellina, Chrysalinida, Bulimina,
Lituola, Textularia und Dentalina. Von Echinodermen sind Seeigel besonders formenreich entwickelt; als Beispiel
führt unsre Tafel eine Discoidea-Art auf. Unter den Mollusken
[* 17] finden die Brachiopoden
[* 18] und Konchiferen (s. Exogyra, Inoceramus
und Trigonia auf der Tafel) zahlreiche Vertreter; als besonders charakteristische Formen aber sind aus der letztern Ordnung
die der eigentümlichen, auf die Kreideform
ation ausschließlich beschränkten Familie der Hippuriten (Rudisten, Kaprotinen) zu
erwähnen, von denen die Tafel Hippurites und Caprina zur Darstellung bringt.
Wie im Silur und Devon,
[* 19] zeigen die Cephalopoden eine große Mannigfaltigkeit der Aufwickelungsformen (Baculites, Toxoceras, Crioceras
und Ancyloceras der Tafel); aber im Gegensatz zu den paläozoischen Repräsentanten des Typus mit den einfachen Suturlinien
besitzen alle hierher gehörigen Genera mit einziger Ausnahme des auch in der Kreideformation
vertretenen Genus Nautilus
die komplizierten Suturlinien der Ammoniten
[* 20] (eingezeichnet in die Abbildung des Baculites auf der Tafel).
Hierher zählt auch Rhynchoteuthis, mit welchem Namen die Schnäbel von Nautilus- oder Sepia-Arten bezeichnet werden. Endlich
gehen von den zu den Cephalopoden gehörenden Sippen die Belemniten
[* 21] zahlreich in die Kreideformation
über, in der obern
Abteilung repräsentiert durch das Genus Belemnitella, welches an dem Schlitz am obern und dem knopfartigen Ansatz am untern
Ende der Scheide leicht erkennbar ist. Von Wirbeltierresten bringt unsre Tafel die breiten Pflasterzähne von Ptychodus (vorzügliches
Leitfossil für die Kreideformation
), die spitzen Haifischzähne von Otodus, die Schuppen eines cykloiden Fisches mit
glattem Hinterrand und diejenigen eines ktenoiden mit gezähneltem Hinterrand (welche sich zuerst in der in Übereinstimmung
mit der großen Mehrzahl der heutigen Fische
[* 22] neben denen mit rhombischen Schuppen einstellen), ferner den Kopf eines Sauriers
(Mosasaurus) und eine Schildkröte (Chelonia) zur Darstellung. Gerechtes Aufsehen erregten neuerdings die
von Marsh aus der Kreideformation
von Kansas beschriebenen Odontornithen (Hesperornis, Ichthyornis etc.): Vögel,
[* 23] welche im
Übergang zu den
Reptilien eine vollständige Bezahnung, die Zähne
[* 24] in eine Rinne oder in einzelne Alveolen eingelassen, besitzen.
Bei der Gliederung der Kreideformation
bedient man sich fast ganz allgemein einer wesentlich von d'Orbigny
herrührenden Einteilung in fünf Etagen, zu deren unterster, dem Neocom (Neocomien nach Neocomum, Neuchâtel, genannt) oder
Hils (nach dem gleichnamigen Höhenzug in Braunschweig),
[* 25] neben den Hilsthonen die Sandsteine des Teutoburger Waldes, der Schratten-
und Spatangenkalk der Alpen,
[* 26] das Urgonien (nach Orgon, Departement Bouches du Rhône) in Frankreich und der
Lower Greensand der Engländer zu zählen sind.
Zum Gault (englischer Provinzialismus für einen fetten Thon) gehören die Schichten von der Aube (Albien) und von Apt (Aptien) in
Frankreich, die Flammenmergel Norddeutschlands und der Speetonclay Englands. Diese zwei Etagen werden gewöhnlich als untere Kreideformation
der
dreietagigen obern Kreideformation
entgegengestellt, die sich ihrerseits gliedert in Cenoman (Cenomanien, nach Cenomanum,
Le Mans,
[* 27] genannt), Turon (Touronien, nach Tours)
[* 28] und Senon (Sénonien, nach Sens, Departement Yonne).
Der untersten dieser drei Etagen, dem Cenoman, gehören unter anderm die Grünsande aus der Essener Gegend, die sogen. Tourtiabildungen in Frankreich und Belgien, [* 29] der untere Pläner und der untere Quadersandstein Sachsens, Böhmens und Schlesiens, die oben erwähnten pflanzenführenden Schichten von Niederschöna, der Upper Green-Sand der englischen Geologen an, der mittlern Etage, dem Turon, die mittlern und obern Plänermergel und der mittlere Quadersandstein Sachsens, in England die untere Kreide ohne Feuersteineinlagerungen und von der alpinen Facies die Seewenschichten und Gosaubildungen mit dem Hauptlager der Hippuriten.
Zum Senon endlich stellt man den sächsischen obern Quadersandstein samt den darunterliegenden Bakulitenschichten, die Feuersteine
führende Kreide Englands und Rügens, die Faxekreide Dänemarks (Danien), die Haldemer Schichten und die Kreidetuffe von Maastricht.
[* 30] Nur zum Teil sind gewisse Flyschbildungen sowie der Wiener Sandstein (Karpathensandstein) der obersten
Kreideformation
zuzuzählen, zum andern Teil sind sie vielmehr Äquivalente des Eocäns, der untersten Etage der Tertiärformation.
Abgesehen von der oben schon angedeuteten Faciesbildung, welche auf einem Unterschied in den die Schichten der Kreideformation
zusammensetzenden
Gesteinen (ob wesentlich aus Kreide oder aus Sandsteinen bestehend) beruht, spielt sich noch eine Faciesverschiedenheit
in der Ausbildung der Kreideformation
ab, welche auf klimatischen Differenzen, in der Kreideformation
zuerst unter allen Formationen nachweisbar, beruht:
eine südliche und nördliche Faciesbildung. Die erstere ist durch das massenhafte Auftreten der Rudisten (Hippuriten) charakterisiert,
während die nördliche Facies neben vorwaltenden Ammoniten und Belemniten diese eigentümlichen Konchiferenformen nur ganz
sporadisch enthält. Die Kreidegebiete Englands, Nordfrankreichs, Deutschlands
[* 31] (Rügen, Westfalen,
[* 32] Harz, Sachsen,
[* 33] Regensburg)
[* 34] und
Südschwedens gehören der nördlichen Facies an, Portugal,
[* 35] Spanien, Südfrankreich und die Alpen der südlichen, mit welcher
auch die außereuropäischen Gebiete (Kleinasien, Ostindien,
[* 36] Nordafrika, Texas und andre Gegenden Nord- sowie Südamerikas) die
größten Analogien zeigen. - Nur für weniges vulkanisches Material läßt sich die Gleichzeitigkeit der
Bildung mit der Ablagerung der Schichten der Kreideformation nachweisen: für Pikrite und Teschenite in Mähren,
[* 37] für dioritische, syenitische
und
¶
mehr
porphyrische Gesteine im Banat. - Unter den technisch nutzbaren Mineralien sind in erster Linie die Quadersandsteine als wichtigstes, namentlich an den sächsischen Elbufern massenhaft gewonnenes Baumaterial, die Schreibkreide zu bekannter Verwendung, die Kalke und Mergel als Rohstoff zur Mörtel- und Zementfabrikation anzuführen. Einige alpine Kreidekalke bilden schöne Marmorvarietäten, Phosphorite stellen sich mitunter (so namentlich bei Folkestone in Südengland) in bauwürdiger Menge ein, ebenso Eisenerze (Peine, Salzgitter, Banat).
Gangförmig eingelagerte Erze sind selten (Bleiglanz und Blende bei Stadthagen in Westfalen, Kupfer- und Eisenerze im Banat), häufiger dagegen Gänge von Asphalt (Westfalen, Banat) und Strontianit (Westfalen). Endlich werden kleine Kohlenflöze bei Quedlinburg [* 39] und bei Ottendorf in Schlesien [* 40] einem bescheidenen Abbau unterworfen, deren Wichtigkeit freilich nicht entfernt vergleichbar ist mit der der Wealdenformation (s. d.) angehörigen Deisterkohle.