Titel
Krebstiere
[* 2]
(Krustentiere, Krustaceen,
Crustacea, hierzu Tafel »Krebstiere«
),
Klasse der
Gliederfüßler
(Arthropoden) und als solche charakterisiert durch Umhüllung des
Körpers mit
Chitin, die
Gliederung des Leibes in
Kopf und zahlreiche
ihm folgende
Ringe, den
Besitz meist vieler gegliederter Beinpaare, von allen übrigen
Gliederfüßlern aber unterschieden durch
das Vorhandensein von
Kiemen und zwei Fühlerpaaren. Die
Größe der Krebstiere
schwankt von mikroskopischen
Dimensionen
bis zu einer
Ausdehnung
[* 3] von mehreren
Metern. Die zarte
Haut
[* 4] scheidet allgemein nach außen eine
Schicht hornartigen
Chitins (s. d.)
aus; während diese aber bei den kleinern
Formen dünn und nachgiebig bleibt, erlangt sie bei den größern
Arten oft eine
Dicke von mehreren
Millimetern und wird durch
Ablagerung von
Kalksalzen in ihr
hart und brüchig (daher die
Bezeichnung
Krustentiere).
Der
Kopf verschmilzt meist mit einem oder mehreren folgenden Leibesringen zu dem sogen.
Cephalothorax
(Kopfbruststück) und
besteht selbst wieder aus mehreren innig miteinander verbundenen
Ringen
(Segmenten). Weiter nach hinten folgen dann die freien
(nicht verschmolzenen)
Ringe der
Brust
(Thorax) und des
Hinterleibes
(Abdomen); diese beiden Teile sind jedoch
nicht immer scharf zu trennen und verschmelzen bei vielen
Schmarotzern oft zu einer einzigen
Masse. Überhaupt kann der Leib
seine Ringelung oder
Gliederung und zugleich die
Beine mitunter ganz einbüßen, so daß
man in solchen
Fällen die
Tiere (meist
sind es
Schmarotzer) nicht für Krebstiere
, sondern für
Würmer
[* 5] oder
Weichtiere gehalten hat, bis es gelang, die
zugehörigen, noch nicht rückgebildeten Jugendstadien aufzufinden.
Die Gliedmaßen sind ursprünglich sämtlich breite, blattförmige Schwimmbeine gewesen, haben jedoch zum Teil Bau und Funktion wesentlich verändert. Zu jedem Körperring gehört nur Ein Paar. Die ersten beiden am Kopf angebrachten Paare sind zu Fühlern (Antennen) [* 6] geworden und dienen nur selten noch zum Rudern, Gehen oder Ankrallen; gewöhnlich sind sie lang und bestehen aus vielen Gliedern. Die darauf folgenden Paare haben sich zu Mundwerkzeugen (Kaufüßen) umgewandelt; man unterscheidet die Oberkiefer (Mandibeln), 1-2 Paar Unterkiefer (Maxillen) und auch noch bis zu 3 Paaren Kieferfüße.
Letztere, also das 6.-8. Gliedmaßenpaar, dienen aber bei den niedern
Krebsen meist ganz allgemein, bei den höhern wenigstens
in der frühen
Jugend noch zum
Schwimmen oder
Gehen und werden erst in dem
Maß, wie der
Körper wächst, in den
Dienst des
Kauens
gezogen. Bei manchen
Schmarotzern helfen sie das
Tier an seinen Wirt anheften; vielfach sind dann auch
die
Kiefer nicht mehr zum Beißen und
Kauen, sondern zum
Stechen und Saugen eingerichtet. Die folgenden
Gliedmaßen (wenigstens
das 9.-13.
Paar) sind bei den niedern Krebstieren
gewöhnlich breite Ruderfüße, bei den höhern schmale und mit einer
Schere
[* 7] bewaffnete
Greif- oder mit einer
Klaue
[* 8] endende Gehfüße; sie gehören der
Brust an und haben sieben
Glieder.
[* 9]
Der Hinterleib ist sodann meist mit paarigen, breiten, aber kurzen Blattfüßen versehen, die zum Schwimmen oder Springen dienen und außerdem auch wohl zur Atmung oder bei den Weibchen zum Tragen der Eier [* 10] verwendet werden. Die Verdauungsorgane sind größtenteils sehr einfach. Die Nahrung wird entweder gekaut, wobei die kräftigen Kiefer- und die Kaufüße thätig sind, oder gesogen und gelangt durch eine kurze Speiseröhre in den meist geräumigen Magen [* 11] oder auch vorher noch in den sogen. Kaumagen, in welchem sie nach Bedarf durch Chitinplatten noch besonders zerrieben wird.
Der
Darm
[* 12] verläuft dann geradlinig nach hinten und endigt gewöhnlich im letzten
Segment mit dem
After,
der aber bei
Schmarotzern nicht selten fehlt. Eine besondere
Leber ist durchaus nicht immer vorhanden, ebensowenig sind es
die
Speicheldrüsen; erstere ist bei den höhern Krebstieren
häufig sehr umfangreich, liefert aber nach den neuern Untersuchungen
nie
Galle, sondern
Stoffe, die bei der
Verdauung ähnlich der
Absonderung der
Bauchspeicheldrüse
(Pankreas) der
Wirbeltiere wirken,
und wird daher wohl besser als
Pankreas bezeichnet.
Das Nervensystem (s. hierüber bei »Arthropoden«) besteht aus dem oberhalb des Schlundes gelegenen Gehirn, [* 13] von dem die Nerven [* 14] zu den Augen und den vordern Fühlern abgehen, und dem unterhalb desselben verlaufenden Bauchstrang, d. h. einer Kette von Nervenknoten oder Ganglien, von denen ursprünglich zu jedem Körperring Ein Paar gehört. Vielfach ist jedoch die Kette sehr kurz und kann sich sogar auf eine große in der Brust gelegene Nervenmasse beschränken, von der die Nerven auch zu den hintern Segmenten ausstrahlen. Was die Sinnesorgane anlangt, so fehlen die Augen nur selten. Bei manchen höhern Krebsen sind sie auf langen, beweglichen Stielen angebracht (es gibt unter ihnen aber blinde Arten, welche zwar die Augenstiele noch besitzen, jedoch keine Augen mehr darauf haben); gewöhnlich aber liegen sie unbeweglich an den Seiten des Kopfes. Sie sind entweder einfach oder zusammengesetzt (facettiert, s. Auge, [* 15] S. 73) und gleichen denen der Insekten. [* 16]
Die sogen. Nebenaugen am Bauch [* 17] oder an der Brust, wie sie bei den Euphausiden vorkommen, sind in Wirklichkeit Leuchtorgane (s. d.). Als Gehörorgane dienen vielfach eigentümliche Haare, [* 18] die an allen Teilen des Körpers stehen können und, wie Versuche gezeigt haben, auf Töne in Schwingungen geraten, seltener besondere Blasen mit darin befindlichen Hörsteinen (s. Ohr), [* 19] welche die Schallwellen auf die Endigungen des Hörnervs übertragen. In einer einzigen Familie (Mysideen) liegen diese Blasen merkwürdigerweise am Hinterende des Körpers, sonst am Grunde der vordern Fühler. An letztern befinden sich auch meist besonders gestaltete Haare, die man als Geruchs- oder Geschmacksorgane deutet, während man andre Haare für Tastwerkzeuge erklärt. Die Atmung geschieht entweder durch die äußere Haut (vielleicht auch durch ¶
Hüpferling (Cyclops). Stark vergößert. (Art. Ruderfüßer.)
Kellerassel (Oniscus scaber). 2/1. (Art. Asseln.)
Entenmuscheln (Lepas anatifera) auf Bimsstein. Nat. Gr. (Art. Entenmuschel.)
Taschenkrebs (Cancer pagurus). ⅓. (Art. Krabben.)
Flohkrebs (Gammarus pulex). 2/1. (Art. Flohkrebs.)
Wasserfloh (Daphnia). Stark vergößert. (Art. Wasserfloh.)
Kiefenfuß (Apus). Natürl. Gr. (Art. Kiefenfuß.)
Walfischlaus (Cyamus ceti). 4/1. (Art. Walfischlaus.)
Heuschreckenkrebs (Squilla mantis). ¾. (Art. Heuschreckenkrebs.)
Flußkrebs (Astacus fluviatilis). ¾. (Art. Krebs.) [* 21]
Karpfenlaus (Argulus foliaceus). 10/1. (Art. Ruderfüßer.)
Molukkenkrebs (Limulus moluccanus). ⅓. (Art. Molukkenkrebs.)
Zum Artikel »Krebstiere«. ¶
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den Hinterdarm, in welchen Wasser rhythmisch eingepumpt wird) oder durch besondere Organe, die Kiemen. Dies sind zarthäutige, einfache oder verästelte Schläuche, in deren Innerm das Blut langsam zirkuliert und so durch die Wandungen hindurch den zu seiner Belebung nötigen Sauerstoff aufnehmen kann. Sie liegen an verschiedenen Körperstellen, mitunter an den Schwimmfüßen des Hinterleibes, meist jedoch vorn an den Seiten des Cephalothorax, und ragen entweder frei hervor, oder sind von einer harten Decke [* 23] umschlossen und so in einer eignen Nische (Kiemenhöhle) untergebracht.
Zur Erneuerung des Atemwassers innerhalb dieser Höhle sind oft noch besondere Wedelapparate an den Beinen vorhanden. Nur wenige
Krebstiere
atmen statt des Wassers feuchte Luft. Das Blut ist meist farblos, mitunter jedoch blau oder rötlich.
Bei einigen Krebstieren enthält es denselben Farbstoff wie bei den Wirbeltieren (das Hämoglobin), bei andern einen mit ähnlichen
Eigenschaften begabten, aber blauen (das Hämocyanin). Ein Herz fehlt nicht selten bei den niedern Krebstieren; ist
es vorhanden, so liegt es stets auf der Rückenseite des Tiers, erstreckt sich dort durch ein oder mehrere Segmente und treibt
das Blut durch Adern oder auch ohne Vermittelung derselben in die Lücken zwischen den Muskeln,
[* 24] Eingeweiden etc. Als Harn- oder
Exkretionsorgane finden sich stets eigne Drüsen vor, die entweder an der Grenze zwischen Mittel- und Hinterdarm,
oder in der Brust, oder am Kopf liegen und als Malpighische Gefäße, Schalen- und Antennendrüsen bezeichnet werden.
Mit wenigen Ausnahmen (Cirripedier und Fischläuse) sind alle Krebstiere
getrennten Geschlechts, die Männchen im allgemeinen kleiner
als die Weibchen; Begattung und Eiablage stehen gewöhnlich in Beziehung zur Häutung und finden ebenso
häufig wie diese statt. Die Eier werden von den Weibchen meist unter dem Bauch an die Schwimmfüße des Hinterleibes angeheftet
oder in besondere Bruttaschen abgelegt und bis zum Ausschlüpfen der Jungen umhergetragen sowie beständig mit frischem Wasser
bespült; nur selten werden sie in das Wasser abgelegt.
Die Jungen sehen vielfach den Erwachsenen so wenig ähnlich, daß man sie früher als besondere Gattungen beschrieben hat und
auch jetzt noch diese Namen (Nauplius, Zoëa
[* 25] etc.) als Bezeichnung für gewisse Larvenstadien festhält. Die Umwandlung in die
spätere Form geschieht allmählich, bei Gelegenheit der Häutungen. Fast alle Krebstiere
nähren sich von tierischen
Stoffen, vielfach schmarotzen sie auf oder in andern Tieren. Die meisten leben im Meer, wenige im Süßwasser, nur einige auf
dem Land an feuchten Orten. Ihr Fleisch ist bei den größern Formen ein geschätzter Handelsartikel (Hummer etc.). Nennenswerten
Schaden thut nur ein einziger kleiner Krebs, die Bohrassel, indem er Schiffsbauholz zernagt.
Fossile Krebstiere
gehören mit zu den ältesten Versteinerungen und sind bereits hoch organisierte Tiere, so daß man von den Zwischenformen,
welche zu den Würmern hinleiten würden, wohl keinerlei Spur mehr auffinden wird. Eine ausgestorbene Gruppe, die man früher
gewöhnlich zu den Krebstieren rechnete (Trilobiten, s. d.), hat man neuerdings als gleichberechtigte
Klasse abgetrennt, so daß die Zahl der fossilen Krebstiere
sich stark verringert hat. Diejenige der lebenden
Arten wird sehr verschieden angegeben, beträgt aber sicherlich mehrere Tausend, zumal die kleinern, mikroskopischen Formen
noch lange nicht alle bekannt sind. Verbreitet sind sie über die ganze Erde hin, vorzugsweise in den
wärmern Gegenden. Einteilung:
I. Niedere Krebstiere
(Entomostraca
) von meist einfachem Bau, kleinem Körper und wechselnder Segmentzahl.
1) Blattfüßer (Phyllopoda), diejenigen Krebstiere, welche der Urform noch am nächsten stehen, gewöhnlich mit vielen Segmenten und vielen blattförmigen Beinen (hierher z. B. Kiefenfuß, Wasserfloh). S. Blattfüßer.
2) Muschelkrebse (Ostracoda), kleine Krebstiere mit nur 7 Beinpaaren und einem den Leib völlig umschließenden Schalenpaar (hierher z. B. Cypris und Cypridina). S. Muschelkrebse.
3) Ruderfüßer (Copepoda), kleine Krebstiere mit gleichfalls nur wenigen Beinpaaren, ohne Schale (hierher z. B. Hüpferling, Karpfenlaus). S. Ruderfüßer.
4) Rankenfüßer (Cirripedia), festsitzende, meist hermaphroditische Krebstiere mit gewöhnlich 6 rankenartigen Beinpaaren (hierher z. B. Entenmuschel). S. Rankenfüßer.
II. Höhere Krebstiere (Malacostraca), meist größere und darum auch kompliziertere Tiere mit bestimmter Segmentzahl.
5) Schildkrebse (Thoracostraca), mit einem Rückenschild, welches gewöhnlich alle Brustringe von obenher umschließt, und meist mit gestielten Augen (hierher z. B. Flußkrebs, Taschenkrebs, Heuschreckenkrebs, Molukkenkrebs und der fossile Eryon arctiformis, s. Tafel »Juraformation [* 26] I«). S. Schildkrebse.
6) Ringelkrebse (Arthrostraca), ohne Rückenschild und mit sitzenden Augen (hierher z. B. Flohkrebs, Walfischlaus, Kellerassel). S. Ringelkrebse.
Vgl. Milne-Edwards, Histoire naturelle des Crustacés (Par. 1838-40, 3 Bde.);
Dana, Crustacea of the United States Exploring Expedition (Philad. 1852, 2 Bde. mit Atlas); [* 27]
Fritz Müller, Für Darwin (Leipz. 1864);
Claus, Untersuchungen zur Erforschung der genealogischen Grundlage des Krustaceensystems (Wien [* 28] 1876).