Titel
Krasinski
,
1) Valerian, Graf, poln. historischer und politischer Schriftsteller, geb. 1780 in der ehemals polnischen Provinz Weißrußland, trat in polnischen Staatsdienst und ward Sektionschef im Ministerium des öffentlichen Unterrichts, in welcher Stellung er sich namentlich um Verbreitung guter Volksbücher verdient machte. Beim Ausbruch der polnischen Revolution 1830 nach England gesandt, um dort im Interesse Polens zu wirken, blieb er daselbst und ließ sich 1850 in Edinburg [* 3] nieder, wo er starb. Von seinen zahlreichen Schriften sind zu nennen: »Rise, progress and decline of the reformation in Poland« (Lond. 1839-40, 2 Bde.; deutsch von Lindau, [* 4] Leipz. 1841);
»Sketch of the religious history of the Slavonic nations« (2. Aufl., Lond. 1851).
2)
Sigismund,
Graf, neben
Mickiewicz und
Slowacki der bedeutendste Dichter der neuesten polnischen Litteraturepoche,
geb. zu
Paris
[* 5] als Sohn des
Generals
Grafen
Vinzenz Krasinski
(gest. 1858), erhielt im väterlichen
Haus, welches der Sammelpunkt
aller politischen und litterarischen Berühmtheiten
Warschaus war, unter der Leitung des namhaften Schriftstellers
Korzeniowski
eine sorgfältige
Erziehung und vielfache geistige Anregung.
Schon in seinem 14. Lebensjahr schrieb er
zwei historische
Romane nach dem
Muster
Walter
Scotts. 1828 trat er in das
Lyceum zu
Warschau,
[* 6] welches sich damals unter der Leitung
des gelehrten
Linde einer großen
Blüte
[* 7] erfreute, studierte dann an der
Universität
Jurisprudenz, wurde jedoch durch die Anfeindungen,
welchen sein
Vater als Anhänger der russischen
Regierung in dem Hochverratsprozeß von 1825 ausgesetzt
war, bewogen, seine
Studien zu unterbrechen und eine längere
Reise nach
Italien
[* 8] und der
Schweiz
[* 9] zu unternehmen.
Durch die in Genf
[* 10] angeknüpfte Bekanntschaft mit
Mickiewicz wurde er zu dichterischem
Schaffen angeregt; allein da er sich durch
die unpatriotische
Stellung, welche sein
Vater während des Freiheitskriegs (1830-31) einnahm, vor einen
schmerzlichen Zwiespalt zwischen seiner nationalen
Gesinnung und seinen Sohnsgefühlen gestellt sah, vermochten sich seine
bedeutenden lyrischen
Anlagen nur in elegischer
Richtung zu entwickeln. Von physischen
Leiden
[* 11] fortwährend an die verschiedenen
Heilbäder gefesselt und sowohl von der russischen
Regierung als auch von seinen Landsleuten, von denen
nur einzelne seine patriotische
Gesinnung kannten, mit Mißtrauen beobachtet, starb Krasinski
in
Paris.
Alle seine Dichtungen erschienen anonym, zuerst die poetische Erzählung »Agaj Han« (Bresl. 1833; deutsch von Brachvogel, Leipz. 1840),
das Produkt einer fieberhaft erregten Phantasie; dann das 1833 in Rom [* 12] geschriebene dramatische Gedicht »Nieboska Komedya« (Par. 1835; deutsch von Batornicki: »Ungöttliche Komödie«, Leipz. 1841),
ein originelles und tiefsinniges Werk, worin der Dichter die höchsten Fragen auf politischem und sozialem Gebiet zu lösen versucht; endlich die ebenfalls in Rom verfaßte halb epische, halb dramatische Dichtung »Irydion« (Par. 1836; deutsch, Leipz. 1881), des Dichters Hauptwerk, worin der Gegensatz zwischen dem verderbten Rom der Cäsaren und den Racheplänen des unterjochten Hellas mit glühenden Farben dargestellt wird. Diesen Poesien symbolisierenden Charakters schließen sich noch andre Prosadichtungen an: »Drei Gedanken Ligenzas« (»Trzy myśli«, 1840);
»Die Sommernacht« (»Noc letnia«, Par. 1841; deutsch, Wien [* 13] 1881) und »Die Versuchung« (»Pokusa«; deutsch von Stroka, Leipz. 1881).
In »Przedswit« (»Dämmerung«, 1840),
einer Anzahl von
Kanzonen, preist der Dichter die sittlichen
Elemente
der polnischen Geschichte und macht die politische
Wiedergeburt seines Vaterlandes von der sittlichen abhängig. Auch die
»Psalmy przyszlości« (»Die
Psalmen der Zukunft«, 1845 und Leipz. 1874) verherrlichen den
Heroismus des
Martyriums, riefen daher heftige
Entgegnungen hervor, wurden als »lyrische
Feigheit« gebrandmarkt und kosteten Krasinski
die
Freundschaft
Slowackis. Seine letzte
Dichtung
war die mystische
»Glosse der heil.
Therese« (1852). Seine Werke erschienen in Auswahl
Leipzig
[* 14] 1863, 3 Bde., vervollständigt
Lemberg
[* 15] 1875; seine
Jugendschriften (»Utwory mlodziencze«)
Posen
[* 16] 1880, seine
Briefe an
Gaszyński
Lemberg 1882.
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