Titel
Krankenhäuser
Hospitäler, Lazarette, hierzu der Plan »Krankenhaus [* 3] zu Stettin«), [* 4]
Gebäude, in welchem Kranke zu ihrer
Heilung untergebracht werden. Die ältesten Krankenhäuser
, von denen die Geschichte meldet, sind einige
Jahrhunderte vor Christo von buddhistischen
Königen in
Kaschmir
[* 5] und
Ceylon
[* 6] erbaut worden. Im klassischen
Altertum
gab es keine Krankenhäuser;
die im
Krieg verwundeten
Soldaten wurden
gewöhnlich in ihren
Zelten verpflegt, nur selten nahm sich die Privatwohlthätigkeit ihrer an, so daß die Geschichte der
geordneten Krankenbehandlung in
Europa
[* 7] erst im 4. oder 5. Jahrh.
n. Chr. ihren Anfang nimmt.
Orden

* 8
Orden.
Zuerst scheint zwischen den christlichen Anstalten und jenen indischen Spitälern ein reger
Verkehr bestanden zu haben, da
die
Schule der
Nestorianer manchen berühmten
Arzt aus dem Inderreich als
Lehrer aufzuweisen hat; bald jedoch übernahmen die
christlichen
Gemeinden und später die geistlichen
Orden
[* 8] selbständig und in vollem
Umfang die Sorge für
die humane Kulturaufgabe der Nächstenpflege. Das berühmteste
Spital oder
Xenodochium (eigentlich
Herberge für
Pilger und
Fremde)
ist die um 370 vom heil.
Basilius,
Bischof von
Kappadokien, vor den
Thoren von
Cäsarea errichtete
Basilias, welche außer
Armenhäusern,
Herbergen,
Asylen für gefallene Mädchen auch eigentliche Krankenhäuser
(Nosocomia) mit zahlreichen
Ärzten, Wärtern
und anderm
Personal enthielt.
Geschichtskarten von D

* 10
Deutschland.Nach dem Vorbild der Basilias gründete Kaiser Alexios I. in Konstantinopel [* 9] das Orphanotropheum, welches an 10,000 Hilfsbedürftige und Kranke beherbergte. Eine besondere Aufmerksamkeit erfuhren schon in den frühsten Zeiten des Christentums die Aussätzigen. Der Aussatz, die Große Krankheit oder auch wohl die Krankheit im allgemeinen genannt, war so verbreitet, daß die Kranken schon zum Schutz für die gesunden Bewohner in eignen Anstalten, Leproserien, untergebracht werden mußten, und es scheint, als seien diese Spitäler, deren in Deutschland [* 10] die meisten dem heil. Georg geweiht waren, mehr zur Isolierung und zu religiösen Übungen als zu eigentlichen Heilzwecken bestimmt gewesen. Während der Kreuzzüge entstanden auch die ritterlichen Krankenpflegeorden, besonders die Johanniter und der Deutsche [* 11] Orden, welche an vielen Orten Krankenanstalten errichteten.
Eins der ältesten
Spitäler ist das
Hôtel-Dieu in
Paris,
[* 12] welches schon 829 erwähnt wird, dann das St. Bartholomew's
Hospital
in
London
[* 13] (1102), ferner zahlreiche
Heilige-Geist-Krankenhäuser, welche vom
Papst
Innocenz III. ins
Leben gerufen wurden,
unter denen als Musteranstalt mit 1300
Betten das
Hospital
San
Spirito in
Rom
[* 14] zu nennen ist. Im spätern
Mittelalter erlahmte dann
der
Eifer für die
Krankenpflege, es wurden wenig neue Krankenhäuser
gebaut,
bis am Ende des 15. Jahrh. das Auftreten der
Lustseuche dazu
zwang, besondere Franzosenhäuser, auch Hiobshäuser oder
Blatternhäuser genannt, zu errichten. Im allgemeinen
zog sich aber das priesterliche
Element von der
Krankenpflege zurück und überließ diese der
Wohlthätigkeit reicher
Privaten,
welche durch freiwillige Beiträge die Unkosten bestritten, wie es noch heutzutage in
England vielfach üblich ist.
Berlin

* 15
Berlin.
Einen neuen Aufschwung nahm die Sorge für gute Krankenhäuser
im vorigen
Jahrhundert, als 1710 von
Friedrich I. in
Berlin
[* 15] die
Charitee gegründet wurde, welcher das Friedrichsspital in
Kopenhagen,
[* 16] dann 1784 das allgemeine
Krankenhaus in
Wien,
[* 17] die in
Heidelberg,
[* 18]
Mainz,
[* 19]
Bamberg,
[* 20]
Kassel,
[* 21]
Dresden,
[* 22]
Altona,
[* 23]
Stralsund
[* 24] u. a. folgten. Gegenwärtig besitzt jede mittlere und große
Stadt
Deutschlands
[* 25] mindestens ein
Krankenhaus, vielfach bestehen neben den allgemeinen Anstalten noch Speziallazarette
für
ansteckende Krankheiten,
Kinder, Sieche, Entbindungsanstalten,
Lazarette für eine
Garnison, und je nach der Bevorzugung
einzelner
Konfessionen
[* 26] hat die
Wohlthätigkeit hier und da noch ein jüdisches oder katholisches oder protestantisches
Krankenhaus
ins
Leben gerufen.
Garten

* 28
Garten. Krankenhäuser
sollen eine freie
Lage haben, womöglich in einiger
Entfernung von größern
Städten, auf einer Anhöhe,
nicht von
Wald umgeben und so gelegen, daß die herrschenden
Winde
[* 27] nicht von der Stadt herkommen. Der
Untergrund muß trocken
sein, der Grundwasserspiegel möglichst tief liegen, und gutes, reines
Wasser in großer
Menge muß leicht zu beschaffen sein.
Ein großer
Garten
[* 28] muß ausreichende Spaziergänge bieten und wird gegen die
Außenwelt am besten durch
eine
Mauer abgeschlossen. Hinsichtlich der Bauart lassen sich im wesentlichen zwei Hauptbausysteme unterscheiden, deren erstes
nach dem
Prinzip der
Zentralisation, deren zweites nach dem der
Dezentralisation verfährt.
1)
Alle Krankenhäuser
der ältern
Periode gehören dem Einheitssystem an. Sie enthalten einen großen, massiven Hauptbau,
welcher die
Verwaltungs- und Wohnräume,
Küche und Waschanstalt im
Souterrain, resp. Erdgeschoß beherbergt, während die Krankensäle
im ersten und zweiten und eventuell auch im dritten
Stockwerk belegen sind. An diesen Haupttrakt schließen sich bei größern
Spitälern
Flügel an, welche entweder in der Form eines an einer Seite offenen
Vierecks ^[img] oder nicht
selten in der Form eines ^[img] angelegt sind, wo dann der Mittelbau die Verwaltungsräume und kleinere
Krankenzimmer enthält,
während die langen Seitentrakte ausschließlich zu Krankensälen verbleiben.
Diese bis in die Mitte unsers Jahrhunderts allein bekannten Einrichtungen gehören dem Korridorsystem an, d. h. es verläuft sowohl längs des Hauptgebäudes als auch längs der Flügel in jedem Stockwerk ein Korridor, von dem aus man in die einzelnen Gemächer gelangt, und zwar so, daß bei den ältesten Anstalten der Korridor in der Mitte, die Säle zu beiden Seiten liegen, während in den mehr modernen der Korridor längs der einen Fensterreihe sich hinzieht und die Eingänge dieser Seite gegenüberliegen.
Für die Verwaltung bietet dieses System unstreitige Vorteile, ebenso gestattet es jede beliebige Größeneinteilung für die Krankenräume, eine zweckmäßige Verteilung der Wärterzimmer zwischen den Krankensälen u. dgl. m. Dagegen bringt die Anhäufung so vieler Menschen in einem Gebäude notwendig eine starke Luftverderbnis hervor, welche um so ungünstigere Grade annehmen muß, wenn der Dampf [* 29] der Küche und des Waschraums ebenfalls aus dem Souterrain aufsteigt und sich in den Korridoren der überliegenden Stockwerke verbreitet. (In Amerika [* 30] legt man deshalb Küche und Waschanstalt in das fünfte oder ¶
Krankenhaus zu Stettin

* 3
Seite 10.148a.1:785.
Männer-Pavillon.
Verwaltungsgebäude.
Frauen-Pavillon.
Kessel- und Maschinenhaus.
Isolierhaus
Krankenhäuser (Korrido

* 32
Seite 10.149.Zum Artikel »Krankenhäuser«. ¶
mehr
sechste Stockwerk und hebt Kohlen etc. durch starke Aufzüge [* 33] in diese Höhe.) Der Luftwechsel ist selbst mit den kostspieligsten Ventilatoren nicht hinreichend zu bewerkstelligen. Die Gefahr der Verbreitung einer eingeschleppten ansteckenden Krankheit betrifft sofort alle dem Korridor anliegenden und in Luftwechsel mit ihm stehenden Säle. Das Licht [* 34] hat bei einer größern Tiefe der Räume nur beschränkten Zutritt, da nur die Eckzimmer an zwei Seiten Fenster besitzen können.
Ein berühmtes Spital dieser Art ist der ältere Teil der königlichen Charitee in Berlin. Die Übelstände, welche sich bei diesem System ergaben, führten schon vor langer Zeit zur Unterbringung chirurgisch Kranker in besondern luftigen Baulichkeiten. Man errichtete in dem großen Garten einen zweistöckigen Pavillon und zwei große Holzbaracken, welche auf einem luftigen Unterbau ruhen. Endlich werden im Sommer kleine Holzbaracken für wenige Betten und mehrere Leinenzelte im Garten unter den Bäumen aufgeschlagen.
D'accord - Dach

* 35
Dach.Die Rücksichten auf Reinlichkeit und Ventilation haben bei allen jüngern Bauten von Krankenhäusern die Dezentralisation zum Siege gebracht. Gewöhnlich gilt der amerikanische Krieg hier als Wendepunkt, allein schon 1758-62 ließ der englische Militärarzt Blocklesby auf einer Art Pfahlbau hölzerne Feldlazarette für 24-40 Mann bauen, welche mit Löchern im Dach [* 35] behufs leichter Luftreinigung versehen waren, in den deutschen Freiheitskriegen wurden zuweilen aus Mangel an geeigneten Kirchen oder Schulgebäuden leichte Baracken aufgeführt, und im Krimkrieg errichtete man unter Miß Nightingale in bewußter Absicht kleine, leichte Lazarettbauten, welche wegen ihrer vorzüglichen Heilerfolge im amerikan. Bürgerkrieg Nachahmung u. Verbesserung fanden. Für Friedenszeiten wurde
Berlin-Dresdener Eisen

* 36
Berliner.2) das System der isolierten Blöcke zuerst in Paris am Krankenhaus Lariboisière angewandt. Vorwaltendes Prinzip ist hierbei möglichste Trennung aller Wirtschaftsräume von den Krankenabteilungen und unter diesen Trennung der Männer und Frauen, Trennung der chirurgischen Fälle von den innerlich Kranken, den Wöchnerinnen, den Irren und den ansteckenden Fiebern. Die Krankenunterkünfte sind dabei infolge der Teilung kleiner, die leichtern, einstöckigen heißen Baracken, während man zweistöckige kleinere Krankenbauten, selbst wenn sie nur von leichter Konstruktion sind, gewöhnlich Pavillons benennt. Im reinen Barackenstil ist das Berliner [* 36] städtische Barackenlazarett in Moabit angelegt [* 32] (Fig. 1). Gegenüber einem großen Park grenzt das Etablissement mit der Fronte seines Verwaltungsgebäudes (1) an die Straße, von der es sonst durch eine abschließende Mauer getrennt ist; unmittelbar daneben ist ein Depot der Feuerwehr.
Das Verwaltungsgebäude enthält im Parterre die Büreaus, Untersuchungszimmer (Wage) [* 37] und die Wohnung des Verwaltungsdirektors. Im ersten Stock sind Zimmer für drei Assistenzärzte, der Chefarzt wohnt außerhalb des Spitals. Das Zentralorgan der Heizung [* 38] ist das Maschinenhaus (2), von dem aus unterirdische Röhren [* 39] heißen Dampf zu den einzelnen Baracken leiten. Hinter demselben sieht man als Anbau das Desinfektionshaus (3), auf dessen gute Einrichtung um so mehr Aufmerksamkeit verwandt wird, als das Lazarett recht eigentlich zum Seuchenhaus bestimmt ist.
Nr. 6 ist die Küche mit Wirtschaftsräumen; von ihr aus läuft ein Schienenstrang längs der 30 frei stehenden Baracken hin, so daß die Speisen für die Kranken in einem Wagen bis vor die Thür geschoben werden. Die Waschanstalt (7) befindet sich ostwärts; hinter ihr und hinter der Küche liegen zwei Schuppen (5 und 8) zu verschiedener Verwendung. Die Baracken selbst sind alle gleich gebaut, ihre Veranda ist auf einen Rasenplatz zu gerichtet. Ihre Einrichtung zeigt [* 32] Fig. 2 im Profil, [* 32] Fig. 3 im Grundriß. Die Baracke ruht auf Zementgrund ohne Unterbau, besitzt Riegelwände, mit Ziegeln ausgelegt, und hat außer einer Veranda, Theeküche, Baderaum, zwei Wärterzimmern und Klosett Platz für je 30 Betten mit 28 cbm Raum für jeden Kranken. Die Heizung
^[Abb.: Fig. 1. Barackenlazarett zu Moabit. 1. Verwaltungsgebäude. 2. Maschinenhaus. 3. Desinfektionshaus. 4. Portier. 5. Eiskeller. [* 40] 6. Kochküche. 7. Waschküche und Apotheke. 8. Aufbewahrungsschuppen.]
[* 32] ^[Abb.: Fig. 2. Baracke (Profil).]
Krankenhäuser (Isolier

* 41
Seite 10.150.[* 32] ^[Abb.: Fig. 3. Baracke (Grundriß).] ¶
mehr
geschieht, wie bemerkt, durch heiße Dämpfe, welche durch ein Hauptrohr vom Maschinenhaus längs der Reihe der Baracken entlang geführt werden u. durch absperrbare Seitenröhren in die einzelnen Gebäude eintreten. Hier verlaufen sie innerhalb der Wände und dienen in vorzüglicher Weise sowohl dem Zweck der Erwärmung als der Ventilation, welche durch viereckige Blechkasten, die in die Wand eingelassen sind, bewirkt wird. Reichliche Fenster sorgen für gutes Licht, bequem stellbare Dachreiter für die Ventilation. [* 41] Fig. 4 zeigt eine solche Dachventilation im Durchschnitt und veranschaulicht, wie die Klappen durch Schnüre reguliert werden. Die Betten stehen in zwei Reihen gegenüber, das Kopfende beiderseits dem Zwischenraum zwischen je zwei Fenstern zugewandt.
Treppe - Tresckow

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Treppe.Unter Pavillon versteht man ungefähr dasselbe, nur ist der Begriff weit umfassender, da er außer den hölzernen, wegen der Feuersgefahr bedenklichen eigentlichen Baracken auch Fachwerksgebäude und massive ein- und zweistöckige Häuser in sich schließt. Diese liegen entweder als isolierte Blöcke, oder sie sind derart verbunden, daß zwei Blöcke eine gemeinschaftliche Treppe [* 42] besitzen. [* 41] Fig. 5 stellt einen Pavillon dar, der auf erhöhtem Fundament ruht. Der Aufgang ist an einem Giebel; man gelangt von der Treppe unter eine Veranda und von dieser direkt, ohne Korridor, in einen etwa 4 m hohen Saal, der von beiden Längsseiten Licht empfängt und zu jeder Seite acht Betten Raum gewährt, so daß pro Bett [* 43] ca. 40 cbm Raum resultieren. Dieser Saal kann allein den Pavillon füllen, es kann auch ein zweiter Saal sich an den ersten anschließen. Die Ventilation geht im Sinn der Pfeile vom Dach durch stellbare Öffnungen in den Krankenraum; unter jedem Bett führt ein Abzugsrohr in den freien gemauerten Luftraum.
Eine Musteranstalt im Blockstil ist das Berliner Städtische allgemeine Krankenhaus im Friedrichshain. Vom Park an drei Seiten umschlossen und vor Umbauung geschützt, auf einer Anhöhe dem Dunstkreis der Stadt entzogen, umfaßt sein Areal 94,300 qm, so daß auf jeden der 600 Kranken, für welche es bestimmt ist, 157 qm entfallen. Der beigefügte Plan [* 41] (Fig. 6) veranschaulicht Lage und Umfang der massiven Pavillons; davon sind die sechs größern in zwei, die vier chirurgischen in einem Geschoß [* 44] angelegt.
Die innere Einrichtung eines der größern Pavillons zeigt der Grundriß [* 41] (Fig. 7), der dem Erdgeschoß entspricht. Zwei steinerne Stufen führen vom Hof [* 45] (links) in das Treppenhaus, von da in einen Korridor, welcher links den Zugang zu einem Aufnahmezimmer und einem solchen für Spezialuntersuchungen bildet, während rechts der entsprechende Raum mit drei Fenstern als Krankenzimmer für zwei Betten dient. Durch eine Glasthür gelangt man in eine zweite Abteilung des Korridors, welchem
[* 41] ^[Abb.: Fig. 4. Dachventilation der Baracke.]
[* 41] ^[Abb.: Fig. 5. Isolierpavillon mit Unterbau und Dachventilation.]
[* 41] ^[Abb.: Fig. 6. Städtisches Krankenhaus in Berlin (Friedrichshain).] ¶