Krampf
(Spasmus), im allgemeinen jede widernatürliche und ganz unwillkürlich erfolgende Muskelzusammenziehung, welche durch abnorme Erregung der betreffenden Bewegungsnerven zu stande kommt. Nicht unter dem Einflüsse des Willens stehende Bewegungen führt der Körper noch verschiedene aus; allein sie gehören entweder zu den gewöhnlichen Verrichtungen desselben (wie die Herzthätigkeit, das Atmen, die Darmbewegung), oder sie treten doch bei allen Menschen auf denselben Reiz ein (wie das Niesen, Husten).
Man trennt daher diese aus normalen Funktionen entspringenden unwillkürlichen
Bewegungen (als automatische und reflektorische)
von den krampf
haften, den Krampf, zu welchen auch die Reflexbewegungen (s. d.)
gerechnet werden, wenn sie auf einen sehr schwachen Reiz schon eintreten. Ein Krampf
kann den ganzen Körper befallen
und ist dann allgemein, oder nur einen
Teil desselben und heißt dann partiell. Je nachdem die vom
Gehirn
[* 2] oder die vom Rückenmark
mit
Nerven
[* 3] versorgten
Muskeln
[* 4] vom Krampf
befallen werden, spricht man von Hirn- und von Rückenmarkskrämpfen;
erfolgt der Krampf
durch Vermittelung eines Reflexes, so nennt man ihn einen Reflexkrampf (s.
Reflexerscheinungen).
In der Form können die Krampf
verschieden sein. Sie können entweder den
Muskel nur eine sehr kurze Zeit in Thätigkeit versetzen
(Zuckung), wobei diese Zuckungen aber schnell aufeinander folgen können (klonische Krampf
, Konvulsionen),
oder die
Muskeln werden längere Zeit in
Spannung versetzt (tonische oder tetanische Krampf
). Die leichteste Form des klonischen
Krampf
ist das Zittern, welches aus wenig ausgiebigen, in sehr kurzen Zwischenräumen aufeinander folgenden Kontraktionen
einzelner
Muskeln und Muskelgruppen besteht, wogegen die energischern Krampf
bewegungen, welche lebhafte, in kurzen Pausen
aufeinander folgende
Bewegungen (Grimmassenschneiden, Schütteln des
Kopfes und des Rumpfes,
Schlagen der
Glieder)
[* 5] bewirken,
als Konvulsionen bezeichnet werden. Zu den allgemeinen Krampf
gehören die Fallsucht oder
Epilepsie (s. d.), die
Eklampsie (s. d.),
die
Starrsucht (s. d.), der
Starrkrampf (s. d.), der
Veitstanz (s. d.), die hysterischen (s.
Hysterie) u. a. Auf besondere Körpergebiete
beschränkt sind der
Mimische
Gesichtskrampf (s. d.), der
Wadenkrampf (s. d.), die
Nickkrämpfe (s. d.),
der Schreibkrampf
(s. d.) u. a. Mitunter werden
Krampf
bewegungen, gegen den Willen des
Kranken, oft in förmlich automatischer
Weise ausgeführt
(Gehen nach einer Seite oder
im
Kreise,
[* 6] bestimmte
Bewegungen mit den
Armen
u. dgl.); das sind die sog. koordinierten Krampf
oder
Zwangsbewegungen (s. d.). Diese Krampf
hängen sämtlich von Erkrankungen
des
Nervensystems ab, und zwar entweder nur einzelner
Nerven (bei den partiellen Krampf
) oder der Nervencentren
(Gehirn oder Rückenmark).
Den idiopathischen Muskelkrämpfen, welche von einigen franz. Ärzten angenommen wurden und welche dem Wortlaute nach Erkrankungen der Muskeln allein wären, liegt gleichwohl ein Leiden [* 7] einzelner Nerven zu Grunde. Nur in seltenen Fällen lassen sich bestimmte Ursachen der Krampf nachweisen. Bei der Fallsucht findet sich häufig eine Erweiterung der Haargefäße am verlängerten Mark, in diesem und in andern Fällen (Gesichtskrampf, Wundstarrkrampf) eine Quetschung der Nerven durch verengte Knochenkanüle, Narben oder eine Verletzung anderer Art (Verwundung von Nerven durch Knochensplitter).
Ferner erzeugt plötzlicher Eintritt von Blutarmut (Verblutung) des Gehirns Krampf (Eklampsie), in andern Fällen Blutüberfüllung oder andere, einen Druck auf das Gehirn oder das Rückenmark ausübende Umstände (schwellbare Geschwülste, Verengerung der Knochenkanäle für ausführende Blutgefäße). Desgleichen bewirken gewisse giftige Substanzen (vor allem Strychnin) heftige, meist tonische oder tetanische Krampf. Auch allgemeine Ernährungsstörungen, Leiden besonderer, nicht nervöser Organe (Gebärmutter) [* 8] können ihnen zu Grunde liegen, wie bei den hysterischen und beim Veitstanz.
Die Eklampsie (s. d.) der Wöchnerinnen hängt in den meisten Fällen von einer durch Nierenentzündung bedingten Harnstoffvergiftung des Blutes ab; die der kleinen Kinder begleiten gewöhnlich andere Erkrankungen. Die sog. Zahnkrämpfe der Kinder haben oft nur eine Verdauungsstörung zur Ursache und verschwinden mit dieser. Bisweilen werden auch durch psychische Erregungen (Schreck, Angst, Zorn, Anblick eines Krampfanfalls) Krampf hervorgerufen. Auch die nicht unter dem Einflüsse des Willens stehenden Muskeln (des Darms, der Harnblase u. a.) können in Krampf verfallen; so beruht der Stuhlzwang auf einem Krampf des After-, der Harnzwang auf einem Krampf des Blasenschließmuskels. Häufig sind diese Krampf mit mehr oder minder heftigen Schmerzen verbunden (Blasenkrampf, Magenkrampf, Kolik).
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Bei der Mannigfaltigkeit der Ursachen der Krampf läßt sich eine Behandlung derselben im allgemeinen nicht angeben. Bei Krampfanfällen soll man den Kranken, falls er dabei das Bewußtsein verliert oder seiner sonst nicht mächtig ist, vor Beschädigung schützen, ihn weich betten und beengende Kleidungsstücke lösen. Reizende Substanzen (Senfteige, Riechmittel) können Hysterische wieder zu sich bringen; auch die krampfstillenden Mittel, wie Baldrian, Bibergeil, Moschus u. a. erweisen sich häufig nützlich.
Betäubende und beruhigende Mittel, wie Einatmungen von Chloroform oder Äther, schwächen oft den Anfall ab oder mildern doch wenigstens das Schmerzhafte desselben. Bei partiellen Krampf einzelner Muskeln und Muskelgruppen leistet gewöhnlich die Anwendung des galvanischen Stroms vortreffliche Dienste. [* 10] Wenn den Krampf Blutarmut oder eine andere Ernährungsstörung zu Grunde liegt, so müssen diese zunächst durch die geeigneten Mittel (kräftige Nahrung, frische Luft, lauwarme Bäder, Eisenpräparate u. dgl.) bekämpft werden. -
Vgl. Erb, Handbuch der Krankheiten der peripheren cerebrospinalen Nerven (2. Aufl., Lpz. 1876).