Titel
Krabben
(Taschenkrebse), kurzschwänzige Zehnfüßer (Decapoda Brachyura), aus der Ordnung der Schildkrebse (s. d.), von den langschwänzigen Krebsen dadurch unterschieden, daß der Hinterleib (Abdomen, Schwanz) nicht gestreckt ist und beim Schwimmen Dienste [* 2] leistet, sondern als ein kleiner Anhang unter die Brust umgeschlagen und außer bei der Begattung (und beim Weibchen auch während der Entwickelung der an den Hinterleibsfüßen befestigten Eier) [* 3] nicht viel benutzt wird.
Infolge hiervon schwimmen die Krabben
kaum, laufen, kriechen und klettern dafür aber vorzüglich und zwar stets nach
der Seite hin. Bei der starken Verkümmerung des
Hinterleibes sind natürlich auch alle
Organe, die bei den Langschwänzern
darin anzutreffen sind, nach vorn verlegt, und so beschränkt sich z. B. der ganze Bauchstrang
des
Nervensystems auf eine in der
Brust gelegene große Ganglienmasse, von der nach allen Seiten die
Nerven
[* 4] ausstrahlen. Die
Kauwerkzeuge sind denen der Langschwänzer gleich, ebenso die Brustfüße; doch sind beiden Krabben
die letzten
Paare derselben
auf dem
Rücken eingefügt, so daß sie nicht zum
Laufen, sondern zum Tragen von
Bedeckungen, unter denen sich diese Krabben
gern
verbergen, gebraucht werden.
Die aus den
Eiern ausschlüpfenden
Jungen haben als sogen.
Zoëa
[* 5] noch einen langen
Schwanz und schwimmen mit seiner
Hilfe umher,
machen dann aber eine
Reihe von
Verwandlungen durch, bei denen der
Hinterleib immer kleiner wird. Nur bei
gewissen
Süßwasser- und Landkrabben
der wärmern
Zonen verlassen die
Jungen das
Ei
[* 6] schon in vollständiger Krabben
gestalt.
Bei diesen sind auch die
Kiemen derart eingerichtet, daß ein wenig
Wasser sehr lange Zeit zur
Atmung ausreicht, oder daß geradezu
Luft geatmet werden kann. Von den etwa 20
Familien, in die man die Krabben
einteilt, sind folgende besonders
interessant:
1) Die Wollkrabben (Dromiadae) und 2) die ihnen ¶
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nahestehenden Dorippiden (Dorippidae) tragen auf ihrem Rücken mittels der beiden letzten nach oben gerichteten Beinpaare Schwämme, [* 8] Eier von Schnecken, [* 9] Holzstücke, überhaupt allerlei tote oder lebende Gegenstände umher und suchen sich auf diese Weise unsichtbar zu machen.
3) Die sogen. Seespinnen (Majidae), mit dreieckigem Rückenschild, liefern in ihren größern Vertretern eine gesuchte Speise; eine riesige Größe erreicht die japanische Riesenkrabbe (Macrocheira Kaempferi), deren vordere Beinpaare je 1,5 m lang werden.
4) Die Taschenkrebse (im engern Sinn, Cancridae), mit breitem, kurzem, vorn abgerundetem Rückenschild, zum Teil gute Schwimmer.
5) Die Muschelwächter (Pinnotheridae), kleinere Krabben
, leben zwischen den Schalen von verschiedenen Muscheln,
[* 10] aber
auch in der Kiemenhöhle von Ascidien.
6) Die Landkrabben
(Gecarcinidae) leben in den Tropen auf dem Land, oft weit vom Meer, machen aber zum Teil wenigstens einmal
jährlich eine Wanderung nach der Küste, um dort der Fortpflanzung nachzugehen, und kehren mit den Jungen später zurück.
Zur Familie der Landkrabben
gehört die Gattung Gecarcinus Latr., Tiere mit breit-herzförmigem, hinten quer
abgestutztem, an den Seiten bauchigem Cephalothorax, sehr breiten äußern Maxillarfüßen und stark entwickelten Scherenfüßen.
Sie leben unter Baumwurzeln oder in selbstgegrabenen Löchern in der Nähe des Meers, aber auch in ziemlicher Entfernung von
demselben auf Bergen
[* 11] und Felsen, oft neben Kloaken oder auf Friedhöfen, wo sie sich einen Weg zu den Leichen
bahnen sollen.
Die rötlichviolette. Landkrabbe (G. ruricola L.), 8 cm lang, auf den Antillen und an der Küste des Festlandes, wandert im Frühjahr
ins Meer, um die Eier abzulegen, und verbirgt sich im Sommer in einer Höhle, um sich zu häuten. Sie wird
gegessen. Die Muschelkrabben
(Pinnotheres Latr.), aus der Familie der Muschelwächter, mit weicher Hautbedeckung, wohnen zwischen
den Schalen lebender Seemuscheln, P. veterum Bosc., 1,75 cm lang, in der großen Steckmuschel, ein schon den Alten bekanntes
und von ihnen als Freundschaftsbündnis gedeutetes Verhältnis.
Zur Familie der Taschenkrebse gehört die Gattung Carcinus Leach, mit vorn im Bogen [* 12] gerundetem Cephalothorax mit langen hintern Seitenrändern. Der kleine Taschenkrebs (C. maenas L.), 5 cm lang, mit scharf und breit gezahnten Seitenrändern des Cephalothorax und dreilappiger Stirn, die gemeinste Krabbe der europäischen Meere, nährt sich besonders von Fischrogen, Krebsen, Garneelen und toten Fischen, wird in sehr großer Menge aus dem Venezianischen als Köder für die Sardelle nach Istrien [* 13] gebracht, auch in Öl gebacken (Molecche) gegessen und kommt auf den Londoner Markt.
Der große Taschenkrebs (Cancer pagurus L., s. Tafel »Krebstiere«), [* 14]
über 30 cm breit, an der Stirn und den vordern Seitenrändern scharf gezahnt, rotbraun mit schwarzen Scheren, [* 15] besonders häufig in der Nordsee auf felsigem Grund, ist wegen seines Wohlgeschmacks sehr geschätzt. Die Seespinnen bewegen sich sehr langsam und sind oft mit Algen [* 16] und Schwämmen etc., die sich auf ihnen angesiedelt haben, so dicht bedeckt, daß das Tier kaum zu erkennen ist. Der Inachus reißt sogar Hydroidpolypen von andrer Grundlage ab und verpflanzt sie auf seinen Rücken. Gelegentlich dient ihm diese Bedeckung auch zur Nahrung. Die große Meerspinne (Maja squinado Rond.), 11 cm lang, mit sehr breitem, dornigem und warzigem Cephalothorax, dicht zottig behaart, rötlich, ist in den mittelmeerischen Küstenstädten beliebtes Volksnahrungsmittel, galt bei den Alten als sehr klug und als Musikliebhaberin, findet sich auch auf zahlreichen Münzen. [* 17]