Kostüm
[* 2] (ital. costume, franz. costume, hierzu die
Tafeln »Kostüme
[* 3] I-III«, mit Textblatt), in allgemeinster Bedeutung das
den verschiedenen Geschichtsepochen,
Ländern,
Ständen etc. Eigentümliche und Allgemeinübliche in
Tracht,
Sitten und
Gebräuchen; insbesondere die Art und
Weise, sich zu bekleiden, die
Wahl der Bekleidung und Schmückung des
Körpers
nach Form,
Farbe und
Stoff, einschließlich des eigentümlichen
Schnittes oder
Arrangements der
Haare
[* 4] und des
Bartes, der Färbung
oder Bemalung der
Haut,
[* 5] der Fingernägel etc. Das Kostüm
eines jeden
Volkes wurde bestimmt durch die
Beschaffenheit
des
Klimas,
Charakter und Lebensweise, Bodenproduktion,
Viehzucht
[* 6] etc.:
Tättowieren der
Polynesier, Federtracht der
Indianer,
Tierfelle der
Germanen,
Leinen- und Baumwollenstoffe der Ägypter, starre
Seiden- und Wollenstoffe der
Orientalen, weiche Wollenstoffe
der Griechen, die römische
Toga,
[* 7] entsprechend dem
Streben des
Volkes nach würdevoller
Erscheinung.
Das Kostüm
war daher ursprünglich
Nationaltracht, welche bei den Völkern der
Alten Welt so lange für den strengen Unterschied
der
Rassen und
Nationalitäten charakteristisch war, bis die römische Weltherrschaft die ganze antike
Welt umspannte und
Rom
[* 8] tonangebend für das Kostüm
der zivilisierten, unter römischer
Oberhoheit stehenden
Bevölkerung
[* 9] des
Morgen- und
Abendlandes wurde. Die römische
Tracht wurde die modische, und damit erschien zum erstenmal der
Begriff der
Mode (s. d.). Die
[* 1]
Fig. 1-7 auf der Tafel »Kostüme
I« veranschaulichen
die Haupttypen der antiken
Tracht.
Mit dem
Sturz des weströmischen
Reichs gewann Byzanz die herrschende
Stellung, welche auch auf das Kostüm
ihren Einfluß
übte
[* 1]
(Fig. 8 u. 9). Das antike Kostüm
verfiel hier orientalischen
Einflüssen, während in Germanien
[* 10] und
Gallien, besonders bei den
Franken, nationale
Überlieferungen bestimmend einwirkten
[* 1]
(Fig. 10). Als das
Zeitalter der
Kreuzzüge einen ununterbrochenen
Verkehr der
Völker des
Abend- und
Morgenlandes begründete,
wurden die nationalen Verschiedenheiten im K. mehr und mehr beseitigt, und es bildete sich seit dem 11. Jahrh.
eine Modetracht, welche meist von
Frankreich, zeitweilig (16. und 17. Jahrh.) auch von
Spanien
[* 11] bestimmt wurde.
Nur
Deutschland
[* 12] (16. Jahrh.) und
Holland (17. Jahrh.) behaupteten in einzelnen
Perioden eine gewisse Selbständigkeit (s. Tafel
II,
[* 1]
Fig. 6-10, und Tafel III,
[* 1]
Fig. 3 u.
6). Das französische Kostüm
entwickelte sich im 15. und 16. Jahrh. wieder unter dem
Einfluß des italienischen, welches seine Selbständigkeit bis zum Anfang des 17. Jahrh. behielt
(s. Tafel II,
[* 1]
Fig. 1, 2, 11 u. 13). Besondere
Kostüm
typen des
Mittelalters bilden die flandrische und burgundische
Tracht (s. Tafel II,
[* 1]
Fig. 3 u.
4), welche das Modekostüm
des 14. und 15. Jahrh. waren. Das 15. Jahrh.
ist das
Zeitalter der Ausschreitungen und Übertreibungen der
Mode, wofür
[* 1]
Fig. 5, Tafel II, ein bezeichnendes
Beispiel liefert
(Zattel- und
Schellentracht).
[* 13] Seit der Mitte des 16. Jahrh. beginnt die Herrschaft der spanischen
Tracht
(s. Tafel II,
[* 1]
Fig. 12, und Tafel III,
[* 1]
Fig. 1),
welche in
England (s. Tafel III,
[* 1]
Fig. 4) und
Frankreich (s. Tafel III,
[* 1]
Fig. 2) eine freiere Umbildung erfuhr, bis
das
Zeitalter
Ludwigs XIV. eine neue
Ära der Kostüm
geschichte herbeiführte (s. Tafel III,
[* 1]
Fig. 7 u.
8). Die französischen
Trachten sind seitdem in allen ihren
Phasen, welche bis zum Beginn
des 19. Jahrh.
durch die
[* 1]
Fig. 8-14 auf Tafel III veranschaulicht werden, für die ganze zivilisierte
Welt tonangebend gewesen.
Erst der
Sturz
Napoleons III. (1870) hat eine gewisse Unabhängigkeit von
Frankreich herbeigeführt. Gleichwohl hat das Kostüm
seine
nationalen Eigentümlichkeiten verloren und ist zur Modetracht geworden. Das historisch begründete Kostüm
hat
sich unter dem
Namen
Nationaltracht nur noch in der Landbevölkerung (auch bei
Fischern,
Jägern,
Bergleuten)
Europas und bei den
orientalischen und ostasiatischen
Völkerschaften erhalten. Doch geht die
Nationaltracht der europäischen Landbewohner unter
dem Andrang der
Mode und dem nivellierenden Einfluß der
Städte ihrem
Untergang entgegen.
Ein besonderes
Kapitel der Kostüm
geschichte bildet die
Tracht der
Krieger,
Ritter und
Militärpersonen. Näheres darüber s.
bei
Rüstung
[* 14] und
Uniform. Mit der
Ausbildung des geschichtlichen
Sinnes in unsrer Zeit ist das
Interesse für das Kostüm
außerordentlich
gewachsen und spielt namentlich in der
Malerei und in der
Schauspielkunst eine große
Rolle. Während man
heute auf äußerste Strenge und historische
Treue im K. sieht, waren noch im letzten
Viertel des 18. Jahrh. die gröbsten
Verstöße gegen die Richtigkeit des Kostüms
auf der
Bühne herrschend.
Fremde Völker und vergangene Zeiten suchte man annähernd durch einzelne Kleidungsstücke anzudeuten. Garrick spielte den Hamlet und Macbeth in einem galonierten schwarzen Samtkleid, Baron, der Schüler Molières, die Helden des Altertums in Allongeperücke, kurzen Beinkleidern, seidenen Strümpfen und Schnallenschuhen. Der Puder und die Frisur mit Haarbeutel oder Zopf galten für alle Zeiten und Völker, und die Mexikanerin wie die Phädra oder Kleopatra wagten es nicht, anders als mit gepudertem Kopf zu erscheinen.
Talma (1763-1826) führte bei dem französischen
Theater
[* 15] zuerst ein annähernd richtiges ein, und die von ihm gegebene Anregung
trug die besten
Früchte. Früher als
Talma hatte sich in
Deutschland die Schauspielerin
Karoline
Neuber in
Leipzig
[* 16] (1727-1739)
bemüht, das Kostüm
, dessen
Typus sich ganz unter französischem Einfluß entwickelt hatte, zu reformieren
und es der jedesmaligen Zeit anzupassen, in welcher das
Stück spielte. Der erste, welcher das historisch-richtige Kostüm von
wissenschaftlichem Standpunkt aus auffaßte, war
Graf
Brühl, der in dieser Hinsicht die
Berliner
[* 17]
Bühne zur Musteranstalt erhob.
Das Ausgezeichnetste auf diesem Feld hat früher Dupenchel in seiner Stellung als Kostümier der französischen Großen Oper geleistet. Eine durchgreifende Reform des Theaterkostüms, welche sich vornehmlich auf die Forschungen und wissenschaftlichen Darlegungen von H. Weiß stützte, hat jedoch erst die Meininger Hofbühne seit 1870 herbeigeführt. Der Einfluß derselben hat nicht nur alle hervorragenden deutschen Theater zu strengerer Beobachtung der geschichtlichen Erscheinungsformen genötigt, sondern er ist auch ins Ausland gedrungen. In der Malerei hat sich die Darstellung historisch treuer Kostüme schnell zu einer Spezialität, der Kostümmalerei, entwickelt, die ihren Schwerpunkt [* 18] in der sorgsamen Wiedergabe der Stoffe gefunden hat. Meissonier, Willems, Ehrentraut, Volkhart, Klaus Meyer, Buchbinder, Probst u. a. sind gegenwärtig Hauptrepräsentanten dieser Gattung der Malerei.
Quellen für die Kenntnis der Kostüme sind im Altertum vorzugsweise die Denkmäler der Skulptur (bemalte Terrakotten) [* 19] und der Malerei, für das Mittelalter zunächst die Bilderhandschriften, später auch die Grabsteine sowie die Wandmalereien und die ¶
1 Ägyptischer König.
3 Assyrer (1400 v. Chr.).
5 Griechin aus Tanagra.
6 Römer [* 22] in der Toga praetexta.
7 Römerin.
8 Byzantinischer Kaiserornat (10. Jahrh.).
10 Fränkischer Edelmann (9. Jahrh.).
11 Französ. Ritter (13. Jahrh.).
12 Ritter des 13. Jahrhunderts.
13 Ritter und Königin des 14. Jahrh.
14 Flandrische Frau (15. Jahrh.).
1, 2 Florentiner [* 24] Edelleute (15. Jahrh.).
3 Johanna von Flandern (1341).
4 Burgund. Edelfräulein (15. Jahrh.).
5 Französ. Edelmann (1410).
6, 7 Vornehmer deutscher Bürger und deutsche Frau (1480).
8 Nürnberger Bürger (1500).
9 Nürnbergerin, zum Tanz gehend (1500).
10 Landsknecht (1530).
11 Katharina von Medicis, Königin von Frankreich (1545).
13 Edle Venezianerin (Tizians 'Bella').
2 Französische Edeldame (1650.
3 Holländisches Bürgerpaar (1640).
4 Englische [* 26] Edeldame (1640).
5 Edelmann (Zeit des Dreißigjähr. Kriegs).
6 Kölnische Bürgerin (1633).
7 Ludwig XIV. von Frankreich (1680).
8 Franz. Edeldame mit der 'Fontange' [* 27] (1680-1700).
9 Frauentracht (1730-40).
10 Herrentracht (1730-40).
11 Französin (1794).
12 Franz. Stutzer ('Incroyable') (1795-99).
13 Franz. Stutzer, Reitkostüm (1802).
14 Franz. Dame in griech. Tracht (1803).
mehr
Ölbilder seit der Zeit der Brüder van Eyck und ihrer Schüler, weil diese ihre Gestalten stets im Zeitkostüm des betreffenden Malers erscheinen lassen. Erst seit dem 16. Jahrh. gibt es Trachtenbücher von J. ^[Jost] Amman, Vecellio, de Bruyn, Hollar, Weigel u. a. Eine wissenschaftliche Behandlung der Kostümgeschichte hat Hermann Weiß in seiner »Kostümkunde« (Stuttg. 1856 bis 1872, 2 Bde.; 2. Aufl. 1881 ff.) begründet.
Vgl. außerdem Herbé, Costumes français, civils, militaires et religieux (Par. 1834);
Pauquet, Modes et costumes historiques (das. 1862-64);
Jacquemin, Iconographie générale et méthodique du costume (das. 1863-68, Suppl. 1887);
Kretschmer und Rohrbach, Die Trachten der Völker (2. Aufl., Leipz. 1880-82);
Falke, Die deutsche Trachten- und Modenwelt (das. 1858);
Planché, Cyclopedia of costume (Lond. 1879, 2 Bde.);
Hottenroth, Trachten etc. der Völker alter und neuer Zeit (2. Aufl., Stuttg. 1882-85);
Racinet, Le [* 29] costume historique (Par. 1876-86; deutsch von A. Rosenberg, Berl. 1883-87);
Falke, Kostümgeschichte der Kulturvölker (Stuttg. 1880);
Hefner-Alteneck, Trachten, Kunstwerke und Gerätschaften vom frühsten Mittelalter bis Ende des 18. Jahrhunderts (2. Aufl., Frankf. 1879 ff.);