Korvei
(Corvey), ehedem berühmte gefürstete Benediktinerabtei in Westfalen, war eine Kolonie des Klosters Corbie (s. d.) in der Picardie und wurde durch Abt Adalhard den ältern 822 auf dem von Ludwig dem Frommen geschenkten Königshof Huxori als Neukorvei (Corbeja nova) begründet. Kaiser Ludwig verlieh dem Kloster bedeutende Rechte und beschenkte es reichlich mit Ländereien. Besonders wertvoll wurde für Korvei die Erwerbung der Gebeine des heil. Vitus, eines Märtyrers der Diokletianischen Verfolgung, 836 von St.-Denis her. Er ward Schutzpatron der Sachsen, Korvei das erste Kloster des Stammes. Durch Kaiser Heinrich III. wurde den Mönchen das Recht der freien Abtswahl, dem Abt Fürstenrang verliehen (1039). Anderseits ward die Abtei von jeder bischöflichen Gewalt eximiert und direkt unter den päpstlichen Stuhl gestellt (zugleich abbatia regalis und libera). Aus der Schule von Korvei gingen eine Menge angesehener Gelehrten hervor, unter denen der Geschichtschreiber Widukind (s. d.) im 10. Jahrh. den ersten Rang einnimmt. In der Bibliothek von Korvei fand man unter Franz v. Ketteler 1517 die fünf ersten Bücher der Annalen des Tacitus, welche demnächst nach Rom gesandt wurden. Die Stiftsbibliothek sowie viele Besitztümer gingen nach und nach wieder verloren. 1783 wurde der Abt Theodor vom Papst Pius VI. zum Bischof erhoben. Das Gebiet der Abtei betrug damals 275 qkm mit etwa 10,000 Einw. 1803 säkularisiert, kam an das Haus Oranien, 1807 an Westfalen und durch den Wiener Kongreß 1815 an Preußen. Das Domkapitel wurde 1821 mit dem zu Paderborn vereinigt. Die Besitzungen der Abtei, mit Ausnahme der Stadt Höxter, wurden 1822 von Preußen als Mediatfürstentum dem letzten Landgrafen von Hessen-Rotenburg, Viktor Amadeus, verliehen und gingen 1834 durch Erbschaft auf dessen Neffen, den Prinzen Viktor von Hohenlohe-Schillingsfürst, über, welcher Fürst von Korvei wurde. Das jetzige Mediatfürstentum Korvei umfaßt etwa 50 qkm eignen Besitz. - Der Ort Korvei liegt nordöstlich bei der Stadt Höxter, an der Einmündung der Schelpe in die Weser. Die noch vorhandenen Klostergebäude, die mit Höxter durch eine 1800 Schritt lange Kastanienallee verbunden sind, dienen dem jetzigen Besitzer vorübergehend als Residenzschloß. Die Bibliothek, welche 14 Jahre hindurch Hoffmann von Fallersleben verwaltete, umfaßt ca. 150,000 Bände. Die gotische, innen reich ausgeschmückte Klosterkirche enthält die Grabmäler vieler Dynasten der benachbarten Gegenden. Das von Pastor Falcke angeblich im Klosterarchiv gefundene »Chronicon Corbejense« (768-1187) ist von Wedekind herausgegeben (»Noten zu einigen Geschichtschreibern des Mittelalters«, Hamb. 1823), von S. Hirsch und Waitz (»Kritische Prüfung etc.«, Berl. 1839) aber als Fälschung entlarvt worden. Ob Falcke oder schon Paullini, der in seinem »Syntagma rerum et antiquitatum germanicarum« (Frankf. a. M. 1698) auch unechte »Annales Corbejenses« (von 815 bis 1471 reichend) herausgegeben hat, der Fälscher gewesen ist, ist nicht mehr zu entscheiden. Auch die »Annales oder Fasti Corbejenses von 1144 bis 1159« (bei Harenberg, »Monumenta historica adhuc inedita I.«, Braunschw. 1758) sind eine Fälschung. Dagegen sind die allerdings dürftigen »Annales Corbejenses von 648 bis 1148« (in den »Monumenta Germaniae historica, Scriptores III.«) echt. Vgl. folgende Schriften von Wigand: »Geschichte der Abtei Korvei« (Höxter 1819), »Die Dienste mit Rücksicht auf die Geschichtsquellen von Korvei« (Hannov. 1828), »Der Korveische Güterbesitz« (Lemgo 1831), »Die Korveischen Geschichtsquellen« (Leipz. 1841).