Kornstaupe,
s. Kriebelkrankheit.
6 Wörter, 66 Zeichen
s. Kriebelkrankheit.
(Ergotismus, Kornstaupe, Krampfsucht, ziehende Seuche), ein infolge von längerm Genuß des Mutterkorns (s. d.) entstandenes Leiden. Da das Mutterkorn sich am häufigsten in feuchten, sumpfigen Gegenden und in feuchten, an Mißwachs reichen Jahren zeigt, so wird die Krankheit auch meist in kleinen Lokalepidemien beobachtet und zwar gleich nach der Ernte, namentlich in Frankreich in der Sologne, in der Picardie etc., in Rußland, Norddeutschland, in der Lombardei etc. Sie tritt hauptsächlich in zwei Formen auf: als brandige und als konvulsive.
Erstere hat man mehr in Frankreich, letztere mehr in Deutschland und Rußland beobachtet. Bei der brandigen Form (Ergotismus gangraenosus, Mutterkornbrand, Brandseuche) zeigt das erste Stadium, das etwa 2-7 Tage dauert, Ergriffensein bald mehr des Gehirns: Schwindel, Unruhe; bald mehr des Rückens: Schmerzen im Rücken, in den Gliedern, Ameisenkriechen, Zittern, Zuckungen;
bald mehr des Darmkanals: Erbrechen, Diarrhöe.
Die Haut ist dabei trocken, der Puls klein und schnell. Im zweiten Stadium zeigen sich die Vorläufer des Brandes, die Kranken haben ein Gefühl von Taubsein, von Schmerzen in den betreffenden Gliedern, Zehen, Fingern, Nase; diese schwellen an, zeigen mitunter eine eigentümliche Röte, sind aber dabei kühl. Im dritten Stadium tritt der Brand ein. Die brandigen Teile stoßen sich ab, wobei die Schmerzen nachlassen. Das begleitende Fieber ist ein typhusähnliches, dem der Kranke erliegt. Es kann jedoch auch Genesung erfolgen, wenn der Brand beschränkt bleibt oder sich begrenzt.
Die Dauer dieser beiden Stadien ist 4-6 Wochen. Bei der Behandlung ist vor allem notwendig, den Kranken der fernern giftigen Einwirkung zu entziehen. Brechmittel und Abführmittel sollen das Genossene entleeren, außerdem muß für kräftige Kost und reine Luft gesorgt werden. Gegen die Schmerzen reicht man beruhigende Mittel. Oft müssen die brandigen Glieder abgenommen werden. (Vgl. Antoniusfeuer.) Die zweite Form, die konvulsive, die eigentliche Kriebelkrankheit (Ergotismus convulsivus), läßt drei Grade der Vergiftung unterscheiden.
Beim leichtesten Grad leiden die Kranken an Taubheit, Eingeschlafensein der Finger und andrer Körperteile, Ameisenkriechen, Zuckungen, Erbrechen und Durchfall. Dabei vermögen sie ihrer Beschäftigung noch nachzugehen. Wird der schädlichen Einwirkung beizeiten vorgebeugt, so kann der Zustand, namentlich wenn Ausleerungen erfolgen, günstig verlaufen. Im andern Fall steigern sich die Vergiftungserscheinungen. Es entsteht Druck in der Herzgrube, die Zuckungen nehmen zu; Beklemmungen, Schwindel, Durst, oft auch Heißhunger, besonders nach sauren Speisen, Erbrechen, höchst stinkende Stuhlgänge, Ziehen und Reißen im Rücken, schmerzhafte, krampfhafte Zusammenziehungen stellen sich ein. Die letztern Erscheinungen währen oft einige Stunden, bis Schlaf erfolgt. Nach dem Erwachen sind die Kranken gestärkt, aber bald treten neue Anfälle auf. Die Krämpfe steigern sich, nehmen den Charakter des Streckkrampfes (Tetanus) an und werden oft tödlich. Gleichzeitig tritt Gesichtsschwäche, Doppeltsehen auf.
In manchen Fällen kommt es zu den heftigsten Krämpfen, ja zu Tobsucht oder Blödsinn. Die Haut ist erdfahl, während der Anfälle mit kalten Schweißen bedeckt. Das Gesicht ist eingefallen, die Kranken magern ab. In andern Fällen steigern sich die Gehirnerscheinungen; die Kranken verlieren Gesicht und Gehör, sprechen mit schwerer Zunge, klagen über heftigen Kopfschmerz, sprechen irre und sterben unter krampfhaften und lähmungsartigen Zuständen. Die Dauer der Krankheit beträgt 4,8-12 Wochen; nur in sehr starken Vergiftungsfällen verläuft sie innerhalb weniger Tage.
Die Behandlung erheischt auch hier vor allem Entfernung des Gifts aus dem Körper bei sorgfältiger Vermeidung der fernern Zufuhr desselben. Anzuempfehlen sind Brechmittel und Abführmittel, gute kräftige Nahrung, namentlich von Fleisch, Eiern, grünem Gemüse, Obst etc. Mit warmen Bädern und sonstigen beruhigenden Mitteln bekämpft man die krampfhaften Erscheinungen. Zur Nachkur dienen frische Luft und kräftigende Diät.
Vgl. Heusinger, Studien über den Ergotismus (Marb. 1856).