Korinth
[* 2] (Korinthos
), im
Altertum berühmte Stadt im
Peloponnes, Hauptort der
Landschaft Korinthia
,
welche die nordöstlichste
Ecke von
Argolis umfaßte und durch den zu ihr gehörigen, 5915 m breiten und 80 m hohen, sehr felsigen
Isthmus von Korinth
den
Peloponnes mit dem griechischen
Festland verband (s. unten). Die Stadt lag unter dem steilen Nordabfall des
Bergs, auf dem ihre
Burg
(Akrokorinth) stand, hatte drei Häfen
(Lechäon am
Korinthischen
Busen, mit Korinth
durch 12 Stadien
lange Schenkelmauern verbunden, Kenchreä und Schönos am Saronischen
Busen) und war die
Pforte zum
Peloponnes, daher von großer
strategischer Wichtigkeit. An die Phöniker, welche sich hier frühzeitig niedergelassen hatten, erinnerten mannigfache Anklänge
in
Mythe und
Kultus; so wurden hier
Melikertes
(Melkart) und
Aphrodite
[* 3] verehrt, letztere mit ausschweifendem
Dienst.
Auch
Poseidon
[* 4] und andre Meergottheiten standen in der
See- und Handelsstadt in besonderm Ansehen. Dieser Götterdienst gab
schon in alter Zeit Veranlassung zur Ausübung und
Ausbildung mannigfacher
Künste, und die Korinther
zeichneten sich dabei
durch Erfindungsgeist, Schönheitssinn und Kunstfertigkeit aus und suchten einen
Ruhm darin, in dem
Schmuck
ihrer Stadt und ihrer
Tempel
[* 5] das übrige
Griechenland
[* 6] zu überbieten.
Ihre reichsten und geschmücktesten
Formen verdankt die
Baukunst
[* 7] den Korinthern.
Die Kunstweberei und
Färberei, die Bearbeitung des
Erzes, die
Töpferei und Thonplastik standen in in besonderer
Blüte;
[* 8] in der
Malerei werden Korinther
, wie Ardikes, Kleophantos,
Kleanthes, als die Anfänger und Ausbildner der
Kunst
genannt. Auch der
Dithyrambos fand hier durch
Arion seine erste
Ausbildung.
Später jedoch blieb die geistige
Kultur hinter der
Ausbildung und
Pflege des
Materiellen zurück; in der Litteratur hat sich kein Korinther
hervorgethan.
Dagegen hat Korinth
weise Staatsmänner hervorgebracht, wie
Periandros, Phidon,
Philolaos, den Gesetzgeber der
Thebaner, und
Timoleon; auch lebte hier
Diogenes. Gewerbthätigkeit,
Handel und
Schiffahrt nahmen hauptsächlich die Thätigkeit
der Korinther
in Anspruch. Die
Lage zwischen zwei
Meeren, die Schwierigkeit, den
Peloponnes zu umschiffen, die Leichtigkeit
dagegen,
Waren über den
Isthmus zu schaffen, hatten Korinth
schon sehr früh zu einem großen
Markt- und
Stapelplatz
gemacht; insbesondere war es der
Mittelpunkt des gesamten
Verkehrs mit griechischen, italienischen, illyrischen und asiatischen
Handelsartikeln.
Was an eignen Produkten ausführte, waren meist Kunsterzeugnisse: Thon- und Erzwaren, Statuen, Gemälde etc. Zur Zeit ihrer höchsten Blüte soll die Stadt 300,000 (?) Einw. gehabt haben;
die Zahl ihrer Sklaven, die auf der Flotte und in den überseeischen Kolonien inbegriffen, betrug über eine halbe Million.
Doch war nur die herrschende
Klasse dorischen
Stammes, das weit zahlreichere nichtdorische
Volk gab den dort sich aufwerfenden
Tyrannen stets eine sichere
Stütze ab. Das
beste
Zeugnis von der frühern
Blüte Korinths
sind die zahlreichen
Kolonien, welche diese Stadt angelegt
hat:
Syrakus,
[* 9] Molykreia, Solion in
Akarnanien,
Ambrakia,
Anaktorion,
Leukas,
Kerkyra,
Epidamnos,
Apollonia und später
Potidäa in
Chalkidike. Die meisten Heiligtümer und Götterbilder Korinths
, von
welchen nur dürftige Reste erhalten sind, standen an der
Agora; die Mitte derselben nahm eine Erzstatue der
Athene
[* 10] ein.
Nordwestlich davon war ein römisches Amphitheater. Gegen das sikyonische Thor zu standen ein Apollontempel, das Odeon und das Grabmal der Kinder der Medea; nicht weit davon der Tempel der Athene Chalinitis (von welchem noch sieben dorische Säulen [* 11] stehen), das Theater [* 12] und das alte Gymnasium bei der Quelle [* 13] Lerna, im Cypressenhain Kranion, wo Diogenes meist zu finden war. Zur Burg (Akrokorinth), auf steilem, 575 m hohem Felsen gelegen, führte ein 30 Stadien (5½ km) langer Weg, dessen Seiten mehrere Tempel, Altäre und Bildsäulen schmückten. Oben auf ihr glänzte der Tempel der Aphrodite mit der Bildsäule der Göttin. Akrokorinth, durch die Quelle Pirene reichlich mit Wasser versorgt, ist wegen der hohen, schwer zugänglichen Lage bis in die Neuzeit eine wichtige Festung [* 14] gewesen, befindet sich gegenwärtig aber im Verfall. Am Fuß des Bergs liegt die kleine Paulskirche, an der Stelle erbaut, wo der Apostel das Christentum gepredigt haben soll.
Die Geschichte Korinths
verliert sich in die Sagenwelt.
Schon um 1350
v. Chr. soll die Stadt (Ephyra) durch den Äoliden
Sisyphos
gegründet worden sein, dessen Nachkommen das Land beherrschten, bis der
Heraklide
Aletes mit den
Doriern Korinth einnahm und die
Herrschaft der
Äolier stürzte (1074). Die eingewanderten
Dorier bildeten nun auch hier den
Adel des neuen
Staats, und unter demselben nahmen die
Bakchiaden, die Nachkommen des
Königs Bakchis, die vornehmste
Stelle ein und begründeten
auch nach dem
Sturz des
Königtums 748 eine oligarchische Herrschaft von 200
Familien, aus denen jedes Jahr ein
Prytan erwählt
wurde.
Diese Oligarchie wurde 657 von Kypselos gestürzt, dem 629 sein Sohn Periandros (629-585) folgte. Beide haben viel zu Korinths Glanz und Größe beigetragen. Der Handel der günstig an zwei Meeren gelegenen Stadt hob sich; Kerkyra wurde kolonisiert und unterworfen, der Bau von Trieren [* 15] begonnen, die Töpferscheibe erfunden, Gewerbe und Kunsthandwerk eifrig gepflegt und zu hoher Blüte gebracht. 582 wurden Periandros' Neffe Psammetich gestürzt, und nun wurde die alte dorische Verfassung wiederhergestellt. In frühern Zeiten mit Athen [* 16] verbündet und befreundet, hielt sich Korinth nach den Perserkriegen, eifersüchtig auf Athens aufblühenden Handel und gewaltige Seemacht, zu dem Bündnis der dorischen Staaten.
Nachdem es bereits 458 einen erfolglosen Krieg gegen Athen begonnen, hetzte es, gereizt durch die Einmischung der Athener in seine Beziehungen zu seinen Kolonien, die Peloponnesier 431 zu dem Beginn des großen Kriegs, der mit der Besiegung Athens endete, Korinth aber nicht den gehofften Gewinn brachte, der erste Seestaat von Hellas zu sein. Es verband sich daher 395 mit Athen, Theben und Argos zu einer Schilderhebung gegen die spartanische Gewaltherrschaft, und es entspann sich daraus der sogen. Korinthische Krieg (s. d.), welcher besonders in der Nähe von Korinth spielte.
Aber auch dieser verschaffte Korinth nicht die gewünschte unabhängige Macht. 366 bemächtigte sich Timophanes der Alleinherrschaft, wurde aber von seinem Bruder Timoleon gestürzt und ermordet. In Korinth wurden 338 und 336 die Versammlungen der Hellenen abgehalten, auf denen die Könige Philipp und Alexander zu Heerführern gegen Persien [* 17] ernannt wurden. Unter der makedonischen Herrschaft war Korinth und seine Burg, eine der Fesseln Griechenlands, stets von einer starken Garnison besetzt. 243 schloß sich Korinth ¶
mehr
nach Vertreibung der Mazedonier an den Achäischen Bund an und blieb bei demselben bis 146, in welchem Jahr es von den Römern unter Mummius eingenommen und gänzlich zerstört wurde. Der Untergang Korinths bezeichnet zugleich in der Geschichte das völlige Aufhören der griechischen Freiheit und Selbständigkeit (s. Griechenland, S. 695). Nach der Zerstörung Korinths fiel der größte Teil des Gebiets den Sikyoniern zu, und der Handel zog sich nach Delos. Ein ganzes Jahrhundert lag die Stätte, wo einst Korinth geglänzt, öde; nur einige Tempel und die Burg waren erhalten.
Erst 46 ließ C. Julius Cäsar die Stadt wieder neu erstehen und mit Veteranen und Abkömmlingen von Freigelassenen bevölkern, und von nun an führte sie auf Inschriften den Namen Colonia Julia Corinthus. Hatte die alte Stadt, da sie den Burgfelsen in sich schloß, einen Umfang von 85 Stadien, so war dagegen die neue in einem regelmäßigen Viereck [* 19] von 40 Stadien an der Nordseite der Burg angelegt, so daß nur drei Seiten mit einer Mauer umgeben waren, während die vierte Seite sich an die Akropolis [* 20] anlehnte.
Zerstörte Tempel und andre öffentliche Gebäude waren wieder aufgebaut worden. Aber bereits am Ende des 3. Jahrh. wurde Korinth wieder von gotischen Scharen verwüstet, 396 von Alarich, im 8. Jahrh. von den Slawen. 1205 wurde es von den Franken erobert; später fiel es wieder an das griechische Kaiserreich und wurde an Prinzen aus dem Paläologischen Haus verliehen, denen es 1459 die Türken entrissen. Noch einmal fiel es 1699 den Venezianern zu, die es bis 1715 behaupteten. Unter türkischer Herrschaft sank Korinth zu einem elenden Flecken herab; der Handel zog sich ganz nach Patras. 1822 wurde es von der türkischen Herrschaft frei und fing seit 1830 an, wieder langsam aufzublühen.
Ein Erdbeben [* 21] zerstörte aber von neuem die Stadt, welche seitdem an einer andern Stelle, 5 km nordöstlich am Golf von Lutrake, sehr regelmäßig wieder aufgebaut ist. Dieses neue Korinth (Nea-Korinthos) ist die Hauptstadt einer Eparchie des griechischen Nomos Argolis und Korinth, Sitz eines Erzbischofs, eines Zollamtes, eines Gymnasiums etc., zählt aber (1885) erst 3000 Einw. An der alten Stelle hat sich nur ein elendes Dorf mit einigen Altertümern erhalten. 2½ km in ostnordöstlicher Richtung von Neukorinth mündet der Kanal, [* 22] welcher gegenwärtig über den Isthmus (s. d.) geführt wird und eine Verbindung des Meerbusens von Korinth mit dem von Ägina herstellen soll (s. Kärtchen).
Dadurch wird die Fahrt um das im Winter gefährliche Kap Matapan vermieden, und den aus dem Adriatischen Meer kommenden Schiffen erwächst ein Zeitgewinn von 24 Stunden. Wiederholt (zuletzt unter Nero) versuchte man im Altertum einen Kanal durch die Landenge zu graben, aber immer vergeblich; 1881 erhielt General Türr von der griechischen Regierung die Konzession zur Anlage eines Kanals von 8 m Tiefe und 22 m Breite [* 23] und wählte zu diesem Zweck die Neronische Linie. Der Kanal wird nur eine Länge von 6,3 km haben und Ende 1891 vollendet sein. An seiner östlichen Mündung ist die neue Stadt Isthmia, an der westlichen Posidonia angelegt worden.
Vgl. Dimitsas, Der Isthmus von Korinth (Athen 1884).
[* 2] ^[Abb.: Kärtchen des Isthmus von Korinth.]