Korfu
[* 2] (bei den Alten
Korkyra oder
Kerkyra), die nördlichste und größte der
Ionischen Inseln, am Eingang vom
Ionischen
ins
Adriatische Meer
(Kanal
[* 3] von
Otranto), an der
Küste von
Albanien, von der sie durch den schmalen
Kanal
von Korfu
getrennt wird, ist 62 km lang, an der breitesten
Stelle fast 30 km breit und hat einen Flächenraum von 712 qkm (12,93
QM.). Die
Insel wird von zwei Bergzügen gebildet; der nördliche, welcher von W. nach O. verläuft und
aus
Kalken besteht, erreicht im Pantokrator (914 m) die größte
Höhe der
Insel, während der südliche meridional mit stark
östlicher Ablenkung streicht, aus
Konglomeraten,
Gipsen,
Sandsteinen und
Kalken besteht und nach W. schroff in das
Meer abfällt.
Tertiärgebiete erfüllen die ganze Nordwestecke der
Insel, die Umgebung der Hauptstadt und die von Levkimo
im S. Die
Insel hat regenreiche
Winter und heiße, trockne
Sommer.
Große
Strecken nehmen die Olivenpflanzungen ein. Einen perennierenden
Fluß hat Korfu
nicht, jedoch zahlreiche
Quellen. Die Hauptprodukte sind:
Oliven und
Wein, dann
Orangen,
Zitronen,
Feigen, Johannisbrot,
Flachs,
Seide,
[* 4]
Honig etc. Von
Getreide
[* 5] wird besonders
Mais gebaut, doch reicht der
Ertrag kaum zum vierten
Teil für den
Bedarf aus.
Ziegen sind häufig, dagegen fehlt
Rindvieh, daher auch
Butter, welche durch
Olivenöl ersetzt wird.
Letzteres bildet zugleich den Hauptartikel der Ausfuhr (1885: 31,547 Barili [à 71
Lit.], meist nach
Venedig).
[* 6] Das Mineralreich
liefert
Schwefel,
Salz,
[* 7]
Braunkohle und
Marmor. Die
¶
mehr
Zahl der meist griechischen Bevölkerung
[* 9] beträgt (1879) 78,024, darunter 2354 Christen, die nicht der griechischen Kirche angehören,
und 2655 Nichtchristen. Von Ausländern gab es 1879: 3225, meist Engländer und Osmanen. Eigentlichen Ackerbau kennt man in Korfu
nicht,
ebensowenig Gemüsekultur oder Weinbau. Die Ausfuhr an Wein belief sich 1885 auf 64,939 Barili, welche
meist nach Österreich-Ungarn
[* 10] und Italien
[* 11] gingen. Die Fischerei
[* 12] wird den benachbarten Albanesen und Italienern überlassen; auch
Seiden- und Bienenzucht
[* 13] wird nur in geringem Grad betrieben, ebenso fehlt die Industrie gänzlich. Mit den Inseln Paxo und Leukas
bildet Korfu
einen Nomos Griechenlands von 1092 qkm (19,8 QM.) Areal mit (1879) 106,109 Einw. und zerfällt
in drei Eparchien: Korfu
(Kerkyra), Messi und Oros. - Die gleichnamige, früher stark befestigte Hauptstadt der Insel, an der Ostküste
auf einem nach NW. abfallenden Vorgebirge, besitzt einen bequemen und sichern Hafen von 26 m Tiefe, der durch direkte Dampfschiffahrt
mit Alexandria, Athen,
[* 14] Triest,
[* 15] Italien und England in Verbindung steht.
Die Straßen sind eng und finster, die Häuser auf venezianische Manier gebaut, mit Arkaden nach der Straße zu. Korfu
hat ein königliches
Palais, in welchem der Hof
[* 16] meist einige Sommermonate sich aufhält, eine Bibliothek von 35,000 Bänden, eine Kunstakademie, ein
Gymnasium, Lehrerseminar, Priesterseminar, ein Theater,
[* 17] eine gelehrte und andre Gesellschaften. An Kirchen
besitzt Korfu
eine reiche griechische (mit den Reliquien des heil. Spiridion) und eine römisch-katholische Kathedrale, zahlreiche
griechische Kirchen und Kapellen und 5 katholische Kirchen.
Auf dem Marktplatz steht eine Säule als Denkmal des Grafen v. d. Schulenburg, welcher 1716 Korfu
gegen die Türken verteidigte.
Auch eine Statue Kapo d'Istrias' ziert seit Anfang 1887 die Stadt. Korfu
hat (1879) 16,515 (als Demos 25,139) Einw. Die Industrie
ist sehr schwach vertreten; Fabriken gibt es in Korfu
wenig. Belebter ist der Handel. Im Hafen von Korfu
liefen 1886: 808 Segelschiffe
von 50,168 Ton. und 1083 Dampfer von 927,121 T. ein. Korfu
ist der Sitz der Oberbehörden des Nomos (früher
des britischen Lord-Oberkommissars und der Gesetzgebenden Versammlung der sogen. »Republik der Ionischen Inseln«),
eines griechischen Erzbischofs und katholischen Bischofs sowie eines deutschen Konsuls. S. Karte »Griechenland«. [* 18]
Die Insel Korfu
, bei den Byzantinern und Türken Korphus (von korypho, »Gipfel«) genannt,
hieß in der ältesten Zeit Drepane (»Sichel«) von ihrer halbmondförmig gedehnten Gestalt. Mehrere Geographen verlegen, wiewohl
mit Unrecht, das Homerische Scheria, das Land der Phäaken, hierher. Später hieß die Insel Korkyra oder Kerkyra. Sie ward in der
ältesten Zeit von illyrischen Liburnern bewohnt, dann 734 v. Chr. von Korinthern unter dem Herakliden
Chersikrates kolonisiert.
Die Insel hatte eine für den damaligen Handel höchst günstige Lage, und die Bewohner trieben ihn mit solchem Erfolg, daß die Herrschaft, die sie durch ihre zahlreichen Niederlassungen auf dem Ionischen und Adriatischen Meer ausübten, die Eifersucht der Mutterstadt Korinth [* 19] rege machte. Es kam 665 zwischen beiden zum offenen Kampf, in welchem die Korkyräer den Korinthern ein siegreiches Treffen auf dem Adriatischen Meer, die erste Seeschlacht in der griechischen Geschichte, lieferten, worauf sie sich unabhängig machten.
Doch war Korfu
unter dem Tyrannen von Korinth, Periandros, 625-585 der Mutterstadt wieder unterworfen. Ein neuer Streit mit Korinth
wegen der gemeinschaftlichen Kolonie Epidamnos 434-432 gab den Anlaß
zum Peloponnesischen Krieg, während
dessen auf seiten der Athener stand, aber durch blutige Bürgerkriege zerrüttet wurde, so daß es durch Syrakus
[* 20] vom Handel im
Ionischen und Adriatischen Meer verdrängt ward und mehr und mehr sank. 229 eroberte Agathokles von Syrakus die
Insel und trat sie an Pyrrhos von Epirus ab. Später ward sie von illyrischen Seeräubern besetzt, denen die Römer
[* 21] sie 229 entrissen,
um ihr die nominelle Freiheit zurückzugeben, dann sie aber mit der Provinz Epirus zu vereinigen, mit der sie bei der Teilung
des römischen Reichs an das oströmische Reich fiel. Im 11. Jahrh. verloren es die byzantinischen
Kaiser zweimal an die Normannen.
Die Insulaner entzogen sich jedoch der Herrschaft derselben wieder, und bei dem Zerfall des byzantinischen Reichs fiel Korfu
1386 den
Venezianern zu. Korfu
wurde nun als Vormauer gegen die Türken stark befestigt. Letztere landeten 1537 mit 50,000
Mann auf Korfu
, durchstrichen die Insel verheerend und verwüstend und belagerten die Festung,
[* 22] mußten aber nach acht Tagen unverrichteter
Sache wieder abziehen. Eine neue Landung versuchten sie 1716, aber auch diesmal konnten sie bei der tapfern Verteidigung der
Festung durch den Grafen v. d. Schulenburg nichts ausrichten. Seit 1797 teilte die Insel Korfu
das Schicksal der
Ionischen Inseln (s. d.).
Vgl. Marmora, Historia di Corfu (Vened. 1672);
Haurowitz, Erinnerungen an Korfu (Wien [* 23] 1870);
Gregorovius, ein ionisches Idyll (2. Aufl., Leipz. 1884);
v. Warsberg, Odysseische Landschaften, Bd. 2 (Wien 1878, die Geschichte von Korfu enthaltend).