Koreanische
Sprache und Litteratur. Die korean. Sprache gehört zu den agglutinierenden, d. h. sie bewirkt ihre Wort- und Formbildung durch Zusammensetzung und Suffixion, schließt sich also ihrem Charakter nach den benachbarten ural-altaischen Sprachen und dem vielleicht, aber nicht sicher zu diesen gehörigen Japanischen an. Auch die Grundgesetze ihrer Syntax stimmen durchaus mit den beiden überein, die man für alle jene Sprachen aufgestellt hat: das Subjekt steht immer vor dem Prädikat, das Regierte (Attribut, Adverb, Objekt u. s. w.) immer vor dem Regierenden (Substantiv, Verbum). Wäre diese Übereinstimmung, wie manche annehmen, ein hinreichender Beweis für die Zugehörigkeit einer Sprache zu der ural-altaischen Familie, so wäre die Frage nach der Einreihung des Koreanischen entschieden. Allein es gehört mindestens noch der Nachweis der lexikalischen Verwandtschaft dazu, und diesen für das Koreanische zu führen ist noch nicht gelungen. Das Koreanische ist also vorläufig noch als isolierte Sprache zu bezeichnen. Merkwürdig ist indessen, daß es (wenn auch sehr schwache) Spuren der seiner Familie und wohl auch dem Japanischen eigentümlichen Vokalharmonie zu zeigen scheint; so lautet z. B. das Suffix des Gerundiums präteriti, je nachdem der Vokal des Verbums a (o) oder ö ^[mit Kürzezeichen] (ö, u u. s. w.) ist, a oder o ^[mit Länge- und Kürzezeichen] (po-a von po-ta «betrachten», mo ^[mit Länge- und Kürzezeichen]k-ö ^[mit Kürzezeichen] von mö ^[mit Kürzezeichen]k-ta «trinken»). - Was das korean. Lautwesen angeht, so werden durch die Schrift ausgedrückt: 23 Vokale, Diphthonge und Triphthonge (nämlich a, å, ö ^[mit Kürzezeichen], ö, o, i, u; ia, iö ^[mit Kürzezeichen], io, iu; ai, åi, ö ^[mit Kürzezeichen]i, öi, oi, ui, oa, uö ^[mit Kürzezeichen]; iö ^[mit Kürzezeichen]i, uö ^[mit Kürzezeichen]i, iui, oai) und 19 Konsonanten (nämlich k, kk, k’, ng; tš, tštš, tš’; t, tt, t’, n; p, pip, p’, m; h, s, ss, r). Ob dieses Lautsystem schon im 15. Jahrh., als Korea die Buchstabenschrift erhielt, dasselbe gewesen ist, läßt sich noch nicht nachweisen; für die heutige Aussprache trifft es jedenfalls nicht mehr ganz zu. Denn jetzt wird z. B. ö ^[mit Kürzezeichen]i (mitunter auch öi), wie geschlossenes e, ai (und häufig åi) wie offnes e, iui wie ü gesprochen, und der Konsonantismus ist um g, dž, b, nj und l bereichert worden. Diese haben sich aus k, tš, m (p), ng und r entwickelt, und das ist hauptsächlich den Gesetzen des Wortklangs (Sandhi) zuzuschreiben, nach welchen derselbe Laut unter dem Einflüsse des vorangehenden oder
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folgenden Lautes eine andere Aussprache annimmt: r z. B. wird als Anlaut einer Silbe n, als Auslaut oder vor einem Konsonanten l gesprochen, und nur zwischen zwei Vokalen bleibt es r; s erhält sich nur im Anlaut, als Auslaut wird es t oder (vor m) n gesprochen u. s. w. Dieser Sandhi in Verbindung mit einem starken lautlichen Verfall, der einen Teil der alten Auslautkonsonanten nur im Anlaut der Suffixe hat erhalten bleiben lassen, hat denn auch das Auslautwesen erheblich umgestaltet. Die koreanische Silbe, die stets mit einem einfachen Laute beginnt, kann offen oder geschlossen sein; aber während sie im letzten Falle jetzt nur noch auf k, t, p, ng, n, m, l, lk und lp ausgehen kann, standen ihr früher noch s und, wie es scheint, h, rh, nh, ts (?), ps (?) und die Aspiraten zu Gebote, und für l trat überall r ein. Nicht minder haben jene beiden Strömungen in der Flexion ihre Wirkung geäußert. Diese ist zwar auch jetzt noch durchsichtig genug: wie in allen agglutinierenden Sprachen wird dieselbe Funktion auch überall durch dasselbe Suffix ausgedrückt. Allein der Anlaut dieser Suffixe und der Auslaut der Wortstämme haben unter jenen Einflüssen derartige Veränderungen erlitten, daß eine bunte, oft fast regellos erscheinende Vielgestaltigkeit, und zwar beim Nomen so gut wie heim Verbum entstanden ist.
Was die Flexion betrifft, so ist das Nomen (das meistens zweisilbig ist) gut entwickelt. Man unterscheidet folgende Casus für Singular und Plural: den Nominativ, Genitiv, Dativ, Accusativ, Vocativ, Ablativ, Locativ, Instrumentalis und Oppositiv (z. B. saråm-ön «in Bezug auf den Menschen», saråm-töl-ön «in Bezug auf die Menschen»), die übrigens, wenn keine Zweideutigkeit möglich ist, zum Teil auch durch den nackten Stamm ausgedrückt werden können, und fünf Deklinationen. Ihre Unterschiede beruhen auf den schon erwähnten lautlichen Veränderungen. Grammatisches Geschlecht ist nicht vorhanden; das natürliche wird durch Präfixierung der Worte für «Männchen» und «Weibchen» ausgedrückt, wo nicht specielle Ausdrücke vorhanden sind. Ebenso wie das Substantivum wird das Pronomen flektiert. Im Gegensatz zum Japanischen besitzt das Koreanische persönliche Pronomina, und zwar sind beim Pronomen der ersten Person Singular und Plural sogar aus verschiedenen Stämmen gebildet; doch werden sie in höflicher Rede immer durch Respektsformen umschrieben. Dagegen teilt es mit dem Japanischen und vielen andern agglutinierenden Sprachen den Mangel eines Relativpronomens; dafür treten wie dort Participialkonstruktionen ein, z. B. nei a-nån saråm «der Mensch, den du kennst» (wörtlich «du kennend Mensch», «der Mensch deines Kennens»). Ähnlich wie im Japanischen ist auch im Koreanischen das Adjektivum ein Übergangsglied vom Nomen zum Verbum, oder vielmehr, es ist eigentlich ein Verbum neutrum. Denn wie es, als Prädikat gebraucht, konjugiert wird (z. B. i-tšip k’ö-ta «das Haus ist groß», i-tšip k’ö-kö ^[mit Kürzezeichen]it-ta «das Haus wird groß werden»), so hat es auch als Attribut die Form des Particips (k’ön tšip) «ein großes [eigentlich groß-seiendes] Haus») und kann in beiden Fällen die Höflichkeits- und Negativformen des Zeitworts annehmen. Als Attribut ist es unveränderlich, weil jedes Attribut mit seinem Nomen ein Kompositum bildet, von dem natürlich nicht bloß das letzte Glied die Suffixe erhält, wie denn auch koordinierte Wörter so aufgefaßt und behandelt werden. Die Komparation wird nicht am Adjektivum, sondern am Objekt der Vergleichung ausgedrückt, indem man dieses in den Ablativ setzt oder ihm das Suffix po-tem «im Vergleich mit» giebt. Das Zahlensystem ist decimal, umfaßt aber nur die Zahlen von 1 bis 90; die übrigen sind dem Chinesischen entlehnt. Die Zahlen werden gern durch sog. Numeralwörter, wie «Stück», «Kopf» u. dgl., unterstützt.
Das korean. Verbum ist wie in vielen andern agglutinierenden Sprachen im Grunde ein Nomen, das ein Sichereignen ausdrückt; daher besitzt es genau genommen nur ein Activum und es fehlt ihm die Personenbezeichnung. Das Grundschema seiner Flexion ist einfach. Aus der (meist einsilbigen) Wurzel, die mit dem allgemeinen Kennzeichen der verbalen Aussage, dem Suffixe ta, versehen, selbst als Verbalform (Infinitiv, vormals Aorist) fungiert, werden durch die Anfügung dreier Tempussuffixe die Gerundien (d. h. die Formen des den Hauptwörtern koordinierten Verbi) des Präsens, Präteritums und Futurums gebildet. Diese werden durch das angehängte ta (wobei die ursprünglichen Auslaute der Tempussuffixe wieder zum Vorschein kommen) zu den entsprechenden drei Haupttempora; ein viertes, das Futurum exactum, entsteht durch die Verbindung des Präterital- und Futursuffixes ta. Die Nebentempora werden durch ein Suffix tö ^[mit Kürzezeichen]ni (tatö ^[mit Kürzezeichen]ni ?)erzeugt, das, direkt an die Wurzel gefügt, das Imperfekt, mit dem Gerundium des Präteritums, Futurums und Futurum exactums je das Plusquamperfekt, den Conditionalis des Präsens und den des Präteritums bildet. Durch Anhängung anderer Suffixe an die Gerundien des Präsens und Präteritums, resp. an die Wurzel, entstehen die Participien des Präsens, Präteritums und Futurums. Als einzigen ursprünglichen Modus besitzt das Koreanische den Imperativ. - Dieses einfache Schema wird nun schon durch die erwähnte Veränderlichkeit der Auslaute und Suffixe bedeutend variiert; indem aber teils durch Stammkomposition, teils durch Suffixbildungen Verba necessitativa, factitiva, dubitativa, negativa u. s. w. erzeugt und namentlich, indem aus allen diesen wieder durch Suffigierung und Infigierung Höflichkeitsformen gebildet werden, wird der ursprünglich enge Rahmen derartig erweitert, daß eine schier unübersehbare Masse von Verbalformen entsteht. Da der Redende bei der Wahl des Ausdrucks zu beachten hat, in welchem Rangverhältnis er zu dem Angeredeten und zu dem steht, von dem er redet, und ob er ehrerbietig, gleichgültig oder verächtlich u. dgl. spricht, so sind theoretisch mindestens 27 Formen für dieselbe Aussage möglich (eine Zahl, die von keiner andern der ostasiat. Höflichkeitsprachen erreicht wird). In allen Stufen seiner Rede aber (und das ist ein wesentlicher Zug im Charakterbilde des Koreanischen) ist es ungemein reich an chines. Lehnwörtern, die einem altertümlichen Dialekte Nordchinas entstammen. Von Grammatiken und Wörterbüchern des Koreanischen sind unter andern zu nennen: «Grammaire coréenne. Par les missionnaires de Corée» (Jokohama 1881); Underwood, «Introduction to the Korean spoken Language» (ebd. 1890); «Dictionnaire coréen-français. Par les missionnaires de Corée» (ebd. 1880); Underwood und Gale, «Korean-English and English-Korean Dictionary» (ebd. 1890).
Die korean. Schrift ist eine Buchstabenschrift, die nach mehrern Ansätzen, aus der chines. Schrift eine Silbenschrift (ni-do) zu entwickeln, im 15. Jahrh.
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erfunden worden ist. Ihre Zeichen sind einem ind. Alphabet entlehnt, doch in jeder Beziehung selbständig entwickelt, während ihre Verbindung zur Silbe (die Buchstaben werden untereinander geschrieben und jede Silbe bildet annähernd ein Rechteck) und die Schreibung der Silben (in Vertikalreihen von rechts nach links) die chines. Vorlage zeigt. Daneben ist noch die chines. Schrift in allgemeinem Gebrauch.
Die höhere Litteratur der Koreaner ist, wenn auch recht umfangreich, doch fast ganz unselbständig: ihre Erzeugnisse sind häufig direkte Nachahmungen chines. Vorbilder, stets aber von chines. Anschauungs- und Denkweise diktiert, wie sie denn zum überwiegenden Teile in chines. Sprache geschrieben sind. Dies ist bei der langen Einwirkung der übermächtigen chines. Kultur (die im 4. nachchristl. Jahrh. in zweien von den damaligen drei Reichen Koreas und im 6. Jahrh. im dritten Eingang gefunden hat) schließlich kein Wunder. Immerhin findet man diejenigen Gattungen der chines. Litteratur bevorzugt und kultiviert, die sich mehr auf das Praktische und Verstandesmäßige beziehen, wie Medizin, Kriegskunst, Sprachen der Nachbarvölker, und vor allen Dingen die nüchtern-praktische Lehre des Confucius (resp. ihre Erneuerung durch Tschu-hi); der Confucianismus hat in Korea sogar eine ganz eigenartige Entwicklung genommen. Größere Selbständigkeit findet sich nur in der Volkspoesie, und da «nur in den (meist ungedruckten) Liedern. Aber auch hier, selbst in dem improvisierten Gesange des Arbeiters, stößt man bei jedem Schritt auf die Spuren der chines. Kultur, und was den Roman betrifft, so spielt er wenigstens in China, wenn er nicht überhaupt die (womöglich chinesisch geschriebene) Nachahmung oder die Übersetzung einer chines. Vorlage ist. Die Erzeugnisse der Volkspoesie und die Übersetzungen einiger klassischer Werke Chinas (des »Jih-king», «Schu-king» und «Schi-king») sind die einzigen Werke der Litteratur, die in korean. Sprache abgefaßt sind. - Vgl. Maurice Courant, Bibliographie coréenne (Bd. 1, Par. 1894-95).