Titel
Korea
(chines. Tschau-sian),
Königreich an der
Küste
Ostasiens, zwischen 34° 17'-43° 2' nördl.
Br. und 124°
30'-130° 35' östl. L. v. Gr., umfaßt die
Halbinsel, welche im O. vom
Japanischen, im W. vom
Gelben
Meer begrenzt und
durch
die
Straße von Korea
von der japanischen
Insel
Kiusiu getrennt wird, während die Nordost- und Nordgrenze gegen das chinesische
Reich und das russische
Sibirien die
Flüsse
[* 2] Orikang (Jalukiang) und Tumankang bilden (s.
Karte
»China
[* 3] und
Japan«).
Das
Areal Koreas
wird zu 218,192 qkm (3962 QM.) berechnet. Die
Süd- und Westküste werden von zahlreichen
Inseln besäumt und
von einer großen Anzahl meist noch sehr wenig bekannter
Baien und Häfen zerschnitten, unter denen die Koreabai
im N. die
bedeutendste ist. Dagegen ist die Ostküste fast ganz inselfrei, sie hat auch sehr wenige
Einschnitte
(Broughtonbai, Unkofskybai). Unter den
Inseln ist die an der Südwestspitze gelegene
Insel
Quelpart (Tschedschu) die bedeutendste,
nächstdem Namhwai und Kotschije, im
Meerbusen von Korea
der Korea-Archipel.
Port Hamilton (s. d.) in der Nanchowgruppe an der Südküste wurde 1883 von
England als
Flottenstation in
Besitz genommen, 1886 aber wieder geräumt. Die
Halbinsel Korea
wird in ihrer
ganzen
Länge von einem Gebirgskamm durchzogen, der sich in mäßiger
Entfernung von der Ostküste hält und seinen Kulminationspunkt
unter 38° 10' nördl.
Br. erreicht, da, wo der bedeutendste
Fluß des
Landes, der
Han, entspringt, der,
an der Hauptstadt
Söul vorüberfließend, in mehreren
Armen ins
Gelbe Meer fällt; er ist von seiner Mündung eine kurze
Strecke
aufwärts schiffbar.
Der Kiöngsando, der westlich von
Fusan in die Broughtonstraße fällt, führt die
Produkte des Innern diesem
Hafen zu. Auch
der Orikang und der Tumankang sind große, der Taidonjang und Tangjinjang wenigstens nicht unbedeutende
Flüsse. Im
Winter tragen die nördlichen
Flüsse mit Einschluß des
Han eine starke Eisdecke, selbst das
Meer bedeckt sich auf
6-7 km von der
Küste mit
Eis;
[* 4] denn ungeachtet der
Lage Koreas
, welche der von Süditalien
[* 5] entspricht, ist das
Klima,
[* 6] namentlich
in den bergigen Teilen, rauh und kalt (bis -30° C.), dagegen ist im S. der
Sommer stets heiß und trocken.
Die Tierwelt schließt Tiger, Luchse, Bären, Hirsche, [* 7] Rehe und Wildschweine ein, im S. kommen auch Affen [* 8] vor. Pferde- und Rindviehzucht werden eifrig betrieben; die Pferde [* 9] sind klein, aber ausdauernd und schnell; Schafe [* 10] wurden bisher aus China eingeführt. Die Wälder enthalten Eichen, Fichten, Eschen, Magnolien, im Gebirge den Lackbaum (Rhus vernix); man zieht viele Fruchtbäume, den Maulbeerbaum zur Seidenzucht; sehr wertvoll ist der Ginseng (Panax quinquefolium).
Man erntet Weizen, Reis, Baumwolle, [* 11] Hanf, Tabak [* 12] u. a. Der größere Teil des Bodens ist sehr fruchtbar. Auch der Mineralreichtum ist, wie aus dem Bericht einer vor kurzem von der Regierung mit der Untersuchung dieser Angelegenheit beauftragten Kommission hervorgeht, ein sehr großer. Das Graben nach kostbaren Metallen war bisher von der Regierung unter schweren Strafen verboten; sie selbst bearbeitete die Gruben bloß, wenn sie Metall (Gold, [* 13] Silber, Kupfer) [* 14] brauchte, jetzt beansprucht sie aber nur 10 Proz. des Gewinns als Abgabe. Eisen [* 15] und Kohlen sind an verschiedenen Stellen sogar an der Oberfläche gefunden worden. Gegenwärtig werden zum Teil durch Fremde bearbeitet 82 Gold-, 7 Silber-, 17 Kupfer-, 40 Eisen-, 7 Blei-, 9 Kohlengruben und 13 Edelsteinlager. Der Ertrag ist zwar gering, doch schätzt man den Wert der Ausfuhr 1881-84 von Gold auf 1,885,033, von Silber auf 387,769 Jen.
[Bevölkerung.]
Die Bewohner von Korea
, deren Zahl nach einem 1883 vorgenommenen
Zensus 10,518,937
Seelen (in 1,700,000
Häusern)
beträgt, gehören zu
¶
mehr
den Mongolen mit mehrsilbigen Sprachen und sind ein Mischvolk der in der Geschichte Hochasiens öfters auftretenden Sienpi und
der im S. ansässigen Sanhan, welches seine Nationalität und Sprache
[* 17] von den im 2. Jahrh. v. Chr. von N. her eingedrungenen
Kaoli erhielt, von denen die ganze Halbinsel unterworfen wurde. Im Äußern gleichen die Koreaner
mehr
den Japanern als den Chinesen, obwohl der mongolische Typus stark ausgeprägt ist (s. Tafel »Asiatische Völker«,
[* 18] Fig. 15). Das
ganze Land wird eingeteilt in Privat- u. Krongebiet.
Aus den Erträgen des letztern werden die Truppen, der Hofstaat und verschiedene Beamte bezahlt; doch geschieht die Zahlung
nicht in Geld, sondern in Erbsen und Reis. Die Religion der höhern Stände ist die Lehre
[* 19] des Konfutse, das
Volk hängt dagegen dem Buddhismus an. 1837 hatten römisch-katholische Missionäre festen Fuß in Korea
gefaßt; doch mußten sie 1866 den
Märtyrertod leiden oder das Land verlassen, und die zum Christentum Bekehrten, deren Zahl 1859 zu 15,200
angegeben wurde, sahen sich großen Bedrückungen ausgesetzt.
Die auf russisches Gebiet übergetretenen Koreaner
ließen sich in der Mehrzahl griechisch taufen. Die früher bedeutende
Industrie in Porzellan und Metall, welche die Japaner von ihnen überkamen, ist gänzlich ausgestorben. Als einheimische Industrieartikel
sind jetzt noch erwähnenswert: Seide,
[* 20] Papier, Matten, Fächer,
[* 21] Kämme, Pfeifen, Bürsten, Dachziegel, Tabak u. a.
In neuester Zeit sind bei der Hauptstadt Söul eine Glashütte, Porzellanfabrik, Ziegelei, Seidenspinnerei, Tabak- und Zigarrenmanufaktur,
Strohgeflecht- und Zündhölzchenfabrik, Bierbrauerei
[* 22] und große Wasserleitung
[* 23] errichtet worden. In Bezug auf geistige Bildung
steht das Volk auf gleicher Stufe mit den Japanern und Chinesen.
Die verwandtschaftlichen Beziehungen der korea
nischen Sprache wurden von L. Rosny im »Journal asiatique«
(1864) erörtert. Er hält sie für entfernt verwandt mit dem Japanischen und den ural-altaischen Sprachen.
Vgl. auch J. ^[John] Roß, The Corean language (in der »China Review«, Bd. 6, 1876).
Es besteht ein besonderes, aus 191 Buchstaben zusammengesetztes Alphabet (Wonmon); meist werden chinesische
Buchstaben mit Hinzufügung von korea
nischen angewendet. In Söul gibt es eine nur von Stipendiaten des Staats besuchte englische
Schule; im übrigen sind die Schulen sämtlich Privatanstalten, doch kann das niedere Volk durchweg die Landessprache lesen
und schreiben. Wer aber Anspruch auf Bildung macht, muß Chinesisch betrieben haben; die Staatsprüfungen
finden in dieser Sprache statt.
Die Buchdruckerei, meist mit Metalltypen, steht unter allen ostasiatischen Ländern in auf der höchsten Stufe. Das Regierungssystem ist dem chinesischen ganz analog. Der König Tui Tschy ist der 28. Herrscher der gegenwärtigen Dynastie. Die Thronbesteigung eines neuen Königs ist der Sanktion Chinas unterworfen; auch geht alljährlich eine Gesandtschaft mit Geschenken nach Peking, [* 24] welche als Gegengeschenk einen Kalender der chinesischen Zeitrechnung zurückbringt.
An der Spitze der Regierung stehen drei Premierminister ohne Ressort, die Verwaltung besorgen sechs Ministerien für Zeremonien, Krieg, Zivilverwaltung, Justiz, öffentliche Arbeiten und Finanzen, wozu in jüngster Zeit ein Auswärtiges Amt kam, dem ein Amerikaner im Dienste [* 25] des Vizekönigs Li Hung Tschang in Tiëntsin vorsteht. Die acht Provinzen des Landes werden von Gouverneuren verwaltet. Die Kommandanten der Festungen Söul, Kaisöng, Suwön und Kangwa (sämtlich in der Provinz Kyöngkwido) ressortieren direkt vom König. Die Staatseinkünfte bestehen in einer Grundsteuer und dem Erlös des Monopols gewisser Artikel, wie Ginsengwurzel und Edelmetalle; ein gewisser Prozentsatz der Ernten wird in Natura von den Provinzial- und Lokalbehörden abgeliefert. Die Jahreseinnahmen beliefen sich 1885 auf 143,049 Doll.
Die Bevölkerung [* 26] ist in soziale und politische Fraktionen geteilt. Unter einem Feudaladel besteht eine zahlreiche und streng durchgeführte Leibeigenschaft. Das Heerwesen ist eine Kopie des chinesischen Bannersystems; die mit Luntenflinten, Spießen, Pfeil und Bogen [* 27] bewaffneten Soldaten, die übrigens eine abgeschlossene und wenig geachtete Kaste bilden, stehen aber nur in den großen Städten. Geschütze [* 28] gibt es gar nicht, auch nicht auf der Flotte, einer Ansammlung elender Dschonken chinesischer Bauart, die allein gegen Seeräuber und den unerlaubten Handel mit Ausländern Verwendung finden.
Die Straßen sind ohne Ausnahme sehr schlecht, doch besteht für den Verkehr der Reisenden eine Posteinrichtung mit 40 Distrikten, 471 Stationen
und 5400 Pferden; der innere Frachtverkehr wird aber fast ausschließlich auf den Rücken von Pferden und Menschen bewerkstelligt.
Ein Telegraphenkabel wurde bereits 1883 in Fusan von Japan (Nagasaki) aus gelandet und 1885 eine Linie von Söul nach Tiëntsin
vollendet; ein optisches Telegraphensystem mittels Rauch- und Feuerzeichen auf den Bergen
[* 29] besitzt Korea
bereits seit dem Mittelalter.
In neuester Zeit wurde ein modernes Postamt in Söul errichtet, und Korea
trat dem Weltpostverein bei.
[Handel und Verkehr.]
Der Handel Koreas
mit dem Ausland datiert erst seit dem Abschluß eines mit Japan 1876 abgeschlossenen Handelsvertrags.
Vordem unterhielt Korea
mit China einen Überlandhandel, der jährlich im April, Juni und Oktober auf dem im chinesischen Territorium
hierzu besonders angewiesenen Marktplatz an der Grenze, am Kaolimön, dem »koreanischen Thor«, etwas östlich
von der chinesischen Handelsstadt Fongwhangtschin abgehalten wurde. Beide Länder trennte ein 50-90 km breiter Strich, auf
welchem jede Ansiedelung aufs strengste verboten war.
Der dortige Umsatz zwischen Korea und China betrug jährlich nur ½ Mill. Doll. Eine japanische Kolonie war in Fusan an der Südküste schon Ende des 16. Jahrh. gegründet worden, und diese unterhielt einen unbedeutenden Handel mit Tsusima und Nagasaki. Dem japanischen Handel wurde Korea eigentlich erst durch einen 1876 abgeschlossenen Handels- und Freundschaftsvertrag geöffnet; 1880 geschah dasselbe mit Gensan an der Ostküste, 1881 mit Chemulpo an der Westküste; seit 1877 befindet sich ein japanischer Ministerresident mit acht Beamten in der Hauptstadt Söul. Am wurde ein Handels- und Freundschaftsvertrag mit den Vereinigten Staaten [* 30] von Amerika, [* 31] mit England und dem Deutschen Reich, mit Italien [* 32] und mit Rußland abgeschlossen.
Diplomatische Vertretungen haben auch Deutschland, [* 33] China, England, Rußland und die Vereinigten Staaten in Söul. Dort und in den drei genannten Häfen wohnten 1886: 24 Amerikaner, 22 Deutsche, [* 34] 14 Engländer, 13 Franzosen, 7 Russen, 5 Österreicher, ca. 2700 Japaner und 200 Chinesen. Der Handel mit dem Ausland betrug 1885 bei der Einfuhr 1,792,000, bei der Ausfuhr (ohne 357,000 Jen in Gold) 524,000 Jen. Die Einfuhr besteht vornehmlich in Baumwollwaren, Kupfer: Blei, [* 35] Zinn, Anilinfarben, Petroleum, Fächern und Seidenzeugen, die Ausfuhr in Häuten, Ginseng, Rohbaumwolle, Bohnen, Erbsen und Reis, Rohseide, Arzneien. Auf Japan ¶
mehr
entfallen 75 Proz. des Imports und 97 Proz. des Exports. In die drei genannten Häfen liefen 1885 ein: 910 nach europäischer Art gebaute Schiffe [* 37] von 157,467 Ton., darunter 275 Dampfer von 135,133 T. und Dschonken von 6673 T. Der überseeische Verkehr Koreas mit China und Japan wird regelmäßig durch eine englische und eine japanische (die Mitsu-Bischi) Schiffsgesellschaft vermittelt; unregelmäßig verkehrt die China Merchant Steam Navigation Co. von Schanghai [* 38] aus mit einigen Häfen. Das Geld Koreas ist Kupfergeld, welches früher in sehr großer Unregelmäßigkeit von jedem der sechs Ministerien gegossen wurde, dessen Ausmünzung aber seit 1884 königliches Regal ist. Gold- und Silbergeld existieren nicht. Für Maße und Gewichte hat man neuerdings das zehnteilige System angenommen.
[Geschichte.]
Die ersten staatlichen und bürgerlichen Einrichtungen verdankt Korea der Einwanderung chinesischer Stämme in den nördlichen Teil der Halbinsel. Es soll darauf eine Dynastie von 41 Königen unter Oberherrlichkeit Chinas geherrscht haben. Später bildeten sich mehrere kleine Königreiche auf der Halbinsel, die 935 n. Chr. zu einem Reich vereinigt wurden, das sich von China unabhängig machte. Als aber 1392 die alte Dynastie gestürzt wurde, stellte sich der neue König aus Dank für den Beistand, welchen ihm der chinesische Kaiser gegen Japan geleistet hatte, unter die Oberhoheit Chinas.
Ein neutrales, völlig wüst gelegtes Gebiet von 50-90 km Breite [* 39] sollte die Grenze bilden. Spätere Invasionen Japans waren stets von nur vorübergehender Art, doch behielt Japan die Insel Tsusima, die früher Korea gehört hatte, sowie das Recht, an der Südküste, wo später Fusan entstand, eine Garnison zu unterhalten. Der erste Europäer, welcher Mitteilungen über Korea bringen konnte, war der Holländer Heinrich Hamel, der 1654 an der Insel Quelpart Schiffbruch litt und mit 13 andern der Mannschaft 13 Jahre in als Gefangener lebte.
Französische, englische und amerikanische Schiffe besuchten später die umliegenden Gewässer und nahmen die Küsten auf. Seit 1837 fanden katholische Missionäre Einlaß und wirkten nicht ohne Erfolg, bis 1866, wo die durch eine russische Fregatte gestellte, aber abgelehnte Forderung eines Handelsvertrags das Mißtrauen der Regierung gegen die Europäer so steigerte, daß 9 Missionäre, meist Franzosen, hingerichtet wurden. Dafür versuchte eine französische Flotte unter Roze die Koreaner zu züchtigen, ein Versuch, der ebensowenig glückte wie die 1871 und 1872 von Amerika aus gemachten, um die Koreaner wegen der Ermordung der Mannschaft eines 1866 an der Küste gestrandeten amerikanischen Schoners zur Rechenschaft zu ziehen.
Doch wurden später drei Häfen (s. oben) dem auswärtigen Handel geöffnet. In neuester Zeit kam es infolge der Eifersucht der Chinesen auf die Japaner, welche beide nach Ministerposten strebten, zu blutigen Kämpfen; von China und Japan entsandte Truppen stellten indes bald die Ruhe wieder her.
Vgl. Oppert, Ein verschlossenes Land. Reisen nach Korea (Leipz. 1880);
Griffis, Corea, the hermit nation (New York 1882 u. öfter, Auszug 1885);
J. ^[John] Roß, History of Corea (Lond. 1880);
Lowell, Chosön, the land of the morning calm; sketch of K. (das. 1886);
Rosny, Les Coréens (Par. 1886);
Dallet, Histoire de l'église de Corée (das. 1874, 2 Bde.).