Korallen
(Corallen, frz. corail, engl. coral). Unter den zahlreichen, kalkige Gehäuse bauenden Polypentieren hat die Edel- oder Blutkoralle (Isis nobilis oder Corallium rubrum) als Lieferant eines schönen Materials zu Schmuckwaren einen besondern Wert. Die Heimat derselben ist das Mittelländische Meer, wo sie sich an den Festlands- und Inselküsten auf Felsengrund und Vorsprüngen steiler felsiger Küsten meist in beträchtlicher Tiefe des Meeres ansiedelt; ihre von vielen Menschen betriebene Einsammlung und Verarbeitung repräsentiert beträchtliche Werte. Der Polypenstock oder mineralische Träger einer Menge einzelner Schleimtierchen wächst durch deren nach innen gerichtete Ausscheidung von Kalkmasse zu einem gedrungenen Bäumchen mit Ästen aus, das nur 38-30 cm hoch und bis zu 2½ cm stark wird. Die Masse, wie sie im Handel ist, besteht hauptsächlich aus kohlensaurem Kalk nebst etwas ¶
mehr
kohlensaurer Magnesia und Eisenoxyd. Der rote Farbstoff ist hauptsächlich organischer Natur. Im lebenden Zustande ist dieses feste Gerüst mit einem roten, häutigen, aus Kalk und animalischer Substanz bestehenden Überzug umgeben, in welchen die Einzeltierchen, von unten nach oben sich vermehrend, eingebettet sind und ihre Fangwimpern alle nach außen strecken. Die animalische, eigentlich aus den Tierleibern selbst aufgebaute Scheide, die ein weißer, milchiger Nahrungssaft durchzieht, ist außer dem Wasser nach dem Abtrocknen bröcklig und leicht abfallend.
Die Vermehrung der K. erfolgt in zweierlei Weise, indem sowohl von dem Bäumchen abfallende Zweige zu selbständigen Stöcken fortwachsen, als auch von den Polypen in der Sommerzeit eine Menge Brut als schwärmende Fäden ausgestoßen werden, die sich endlich irgendwo festsetzen und die Grundlage zu neuen Stöcken werden. Die erste Arbeit mit den geernteten K., die gleich auf den Fischerbarken vorgenommen wird, besteht in der Entfernung des tierischen Überzugs durch Abreiben und Waschen.
Die meisten und besten K. finden sich an der afrikanischen Küste zwischen Algier und Tunis, außerdem
bei den Balearen, an den Küsten von Spanien, Frankreich, Korsika, Sardinien, Sicilien, Neapel etc.
Die Örtlichkeiten des Vorkommens sind in der Regel schon seit langen Zeiten bekannt und man sichert sich einen regelmäßigen
Ertrag dadurch, daß man dieselbe Lokalität immer erst nach zehn Jahren von neuem aberntet. Eine nicht
geringe Anzahl von Booten, mit je 7-8 Mann besetzt, ziehen, die meisten aus Neapel, alljährlich zur Korallen
fischerei aus
und arbeiten von April bis Juni, gewöhnlich in der Weise, daß ein paar übers Kreuz verbundene Balken oder ein Rahmen,
an welchen Netze, Schlingen, Haken verteilt sind, unter Belastung auf den Felsengrund, 60-90 m tief, an Seilen hinabgelassen
und durch die rudernden Boote auf großen Strecken hin und her und kreuzend geführt werden, sodaß die dabei getroffenen
und abgebrochenen K. im glücklichen Falle in den Netzen hängen bleiben.
Statt dieser augenscheinlich mangelhaften Methode betreibt man das Geschäft anderwärts, besonders bei
den Franzosen, durch Taucher, welche dickere Stämmchen heraufbringen, aber nur in flachern Tiefen arbeiten können und namentlich
an der ganzen afrikanischen Küste unmöglich sind. Man soll allein in der Straße von Stromboli und bei Messina jährlich
gegen 2000 kg K. fischen, während auf afrikanischer Seite, wo bei Bona und La Calle jährlich etwa 200 französische
und italienische Barken zusammenkommen, deren Ertrag auf 15-35000 kg angegeben wird. Im Jahre 1875 belief sich die von Seiten
italienischer Schiffer eingebrachte Korallen
ernte auf 23000 kg I. Qualität im Durchschnittswerte von 120 Frcs. pro kg, 20000 kg
II. Qualität à 75 Frcs. und 67436 kg III. Qualität à 6 Frcs. pro kg. 3700 Mann in 404 Barken
beteiligten sich hierbei.
Bona und La Galle sind die wichtigsten Marktplätze für alles, was im Mittelmeere gefischt wird. Aus der eingebrachten Ernte werden erst die größten und schönsten Exemplare als Kabinetsstücke ausgesucht und dann das Übrige so ausgestückelt, wie dies die zweckmäßigste Verwendung an die Hand gibt. Die rohe Ware zerfällt in folgende Sorten: tote oder faule K., mit mineralischem und animalischem Niederschlag überzogen, gilt das Kilo 5-20 Frcs.;
schwarze, durch Lagern in Schlamm geschwärzt, 12-15 Frcs.;
die gewöhnliche, lebend gefangene Ware, in Kisten, 45-70 Fcrs.;
auserwählte, besonders dicke und rosenrote Stücke 4-500 Frcs. das kg, endlich sehr seltene weiße K. Man überarbeite zuvörderst die rohen Stücke aus dem Groben mit Raspeln und Feilen und schleift sie dann auf Schleifscheiben mit immer feinerm Schmirgel. Es gibt in mehreren Mittelmeerstädten, besonders in Neapel, dann auch in Livorno, Genua, Trapani, Marseille, Casais, Bona, Algier etc. viele Leute, die sich mit Schleifung, Polierung, Bohrung, Fassung von K. beschäftigen, teils als Künstler, teils als Fabrikarbeiter und am häufigsten Arbeiterinnen.
Man fertigt aus den hinreichend großen Stücken Stockknöpfe, Messerhefte etc., aus den kleinern Schmucksachen verschiedner Art, wie runde, ovale, birnförmige und unregelmäßige Perlen zu Halsbändern, Paternostern, Knöpfe, Einsätze von Nadeln, Broschen etc. Die Farben variieren vom tiefsten Blutrot und schönen Zinnoberrot bis zum Blaßrosa. Früher waren die dunkelsten Farben die beliebtesten, später hat sich der Geschmack hierin geändert. In Europa hat die Vorliebe für K. ziemlich abgenommen, obschon ab und zu versucht wird, dieselben durch schöne Schmuckwaren, wie sie sich z. B. auf den Leipziger Messen zeigen, wieder emporzubringen.
Den ständigen und von der Mode nicht beeinflußten Absatz haben die Waren in Japan, China, in Arabien und dem Orient überhaupt.
Bei den Orientalen ist die Vorliebe für Korallen
schmuck so lebhaft, daß man denselben überall an Kleidung,
Waffen, Pferdegeschirren, Gerätschaften und selbst an den Wänden vornehmer Wohnungen anbringt. Außerdem gehen K. nach
Rußland, Amerika, und in Stellvertretung von Münzen, in Form von Perlenschnüren zu Neger- und andern wilden Stämmen.
- Rohe, unbearbeitete K. sind zollfrei, bearbeitete s. Tarif im Anh. Nr. 33 c
und Nr. 20 a.